Der norddeutsche Raum ist kein historisch gegebener, eindeutig zu definierender geographischer Raum, sondern wird erst mit Blick auf verschiedene Phänomene wie beispielsweise Sprache, Herrschaft oder Kunst- und Literaturproduktion fassbar. Die Analyse dieser vielschichtigen Aspekte ermöglicht es, eine Region als historische Kulturlandschaft zu begreifen und in ihrer Komplexität zu veranschaulichen. Der von Patrizia Carmassi und Eva Schlotheuber herausgegebene Sammelband nähert sich dem norddeutschen Raum über seine mittelalterlichen Zentren. Burgen, Residenzen und Städte sowie religiöse Institutionen wie Klöster, Stifte und (Pfarr-)Kirchen waren bestimmend für geographische Ausdehnung und Zugehörigkeit. Diese Zentren waren ihrerseits durch ihre Geschichte und ihre Sprache, religiöse und literarische Traditionen, Recht und Gewohnheit geprägt, die sie als identitätsstiftende Traditionen in allen verfügbaren Medien in Schrift und Bild, Predigt, Gesang und Dichtung und auch über die weltliche und geistliche Höfe verbindenden Netzwerke vermittelten. In diesem konkurrierenden Miteinander entstand und entsteht noch heute ein Kulturraum. Die Beiträge des interdisziplinären Bands erlauben Einblicke in die Produktion und den Austausch von Literatur, in die liturgische Praxis und materielle Kultur, in den Schreibbetrieb und die verschiedenen Wege und Ausprägungen literarischer Austauschbeziehungen sowie in die Bedeutung von Regionalsprachen und Übersetzungen für regionale und religiöse Identität.