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In seinem dritten Roman 'Schutzgebiet' erzählt Thomas von Steinaecker erzählt von deutscher Geschichte in einer irrwitzigen Montage aus literarischen Bildern, realen Tatsachen und unglaublichen Begebenheiten.
Phantasten, Hasardeure und Glückssucher brechen auf in die deutsche Kolonie Tola, um die afrikanische Steppe aufzuforsten und eine Stadt zu bauen. Auch Henry, Sohn wohlhabender Eltern, landet 1913 als Schiffbrüchiger an der afrikanischen Küste, in jener deutschen Kolonie Tola, und gibt sich unter fremdem Namen als Architekt aus. Er macht die Bekanntschaft des gescheiterten…mehr

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Produktbeschreibung
In seinem dritten Roman 'Schutzgebiet' erzählt Thomas von Steinaecker erzählt von deutscher Geschichte in einer irrwitzigen Montage aus literarischen Bildern, realen Tatsachen und unglaublichen Begebenheiten.

Phantasten, Hasardeure und Glückssucher brechen auf in die deutsche Kolonie Tola, um die afrikanische Steppe aufzuforsten und eine Stadt zu bauen. Auch Henry, Sohn wohlhabender Eltern, landet 1913 als Schiffbrüchiger an der afrikanischen Küste, in jener deutschen Kolonie Tola, und gibt sich unter fremdem Namen als Architekt aus. Er macht die Bekanntschaft des gescheiterten Holzhändlers, der enthusiastischen Käthe, des ambitionierten Offiziers und des opiumsüchtigen Arztes.
Thomas von Steinaecker zeichnet das so realistische wie phantastische Bild einer wahnwitzigen deutschen Gesellschaft.

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Autorenporträt
Thomas von Steinaecker, geboren 1977 in Traunstein, wohnt in Augsburg. Er schreibt vielfach ausgezeichnete Romane, Graphic Novels sowie Hörspiele. Außerdem dreht er Dokumentarfilme u.a. zur Musik des 20. Jahrhunderts und zur Kulturgeschichte Deutschlands, für die er internationale Preise gewonnen hat. Zuletzt erschienen 2016 der Roman »Die Verteidigung des Paradieses«, der für den Deutschen Buchpreis nominiert war, 2021 das Sachbuch »Ende offen«, 2022 die Graphic Novel »Stockhausen: Der Mann, der vom Sirius kam« und 2023 der Roman »Die Privilegierten«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2009

Getriebene Gäste auf der dunklen Erde

Cola in Tola: Thomas von Steinaecker versammelt eine deutsche Kolonie von Glückssuchern in Westafrika.

Von Andreas Platthaus

Wir springen mitten hinein in eine Schlacht. Oder das, was man so Schlacht nennt, wenn das Ganze sich auf afrikanischem Boden unter europäischen Kolonialmächten abspielt: Eine Handvoll weißer Offiziere befehligt schlecht ausgebildete eingeborene Truppen, die wenig Lust verspüren, sich für die Fremden zu schlagen, und nur wenn man Glück hat, sind noch ein paar wehrhafte Siedler mit von der Partie. Die Deutschen indes haben kein Glück.

Am Beginn von Thomas von Steinaeckers neuem Roman "Schutzgebiet" ist der Erste Weltkrieg ausgebrochen, und aus den angrenzenden französischen Territorien ist ein Colonel in die deutsche Kolonie Tola und dort im Hinterland vor die Festung Benesi gezogen, um in Afrika zu leisten, was seinen Landsleuten an der europäischen Front verwehrt bleibt: die Initiative zu ergreifen. In Tola sind es die Deutschen, die auf eigenem Terrain einen Abwehrkrieg führen müssen, und nach zwei Seiten ist auch dem, der nichts über deutsche Kolonialgeschichte weiß, klar, wie das ausgehen wird: Das kleine wehrhafte deutsche Dorf geht unter, und dessen Insassen werden vom französischen Colonel ob ihres sinnlosen Widerstandes mit einem Wort bedacht, das direkt aus "Asterix" stammt: die Verrückten.

Der Verweis auf einen Comic liegt bei dem zweiunddreißigjährigen Thomas von Steinaecker nicht fern. Er schätzt diese Erzählform, betätigt sich mittlerweile auch als Comic-Kritiker und -Herausgeber und hat sowohl in seinem preisgekrönten Debütroman "Wallner beginnt zu fliegen" als auch in dessen 2008 erschienenem Nachfolger "Geister" Comicelemente in die Handlung integriert. Davon ist er bei "Schutzgebiet" wieder abgewichen, aber der am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts angesiedelte Roman ist nicht weniger modern konzipiert als seine Vorgänger. Das ist kein Versuch, eine historische Epoche zu rekonstruieren, und auch kein weiterer großangelegter deutscher Kolonialroman à la Gerhard Seyfrieds "Herero" und "Gelber Wind - Der Aufstand der Boxer". Was "Schutzgebiet" leistet, das kann man mit einer Formulierung des Buchs beschreiben: Der Roman erzählt eine Geschichte, die, "mit einem Schlag und jedermann beglückend einleuchtend, aus den lose zusammenhängenden Episoden etwas Zusammenhängendes, Logisches formt. Etwas Sinnvolles."

Worin liegt dieser Sinn? Nicht in dem, was Nery Peters, der Protagonist von "Schutzgebiet", erwartet, jener Träumer mit schlichtem Gemüt, der zwar denselben Nachnamen wie der historische deutsche Kolonialpropagandist Carl Peters trägt, sich aber für den auf der Überfahrt nach Tola ertrunkenen Architekten Gustav Selwin ausgibt. In Benesi soll das eigene Leben unter falschem Namen endlich einen Sinn bekommen. Wie sinnlos! Denn das Dasein von Peters ist bereits ebenso verpfuscht wie die Biographien all der anderen deutschen Glückssucher, die sich in Benesi eingefunden haben, an diesem letzten Zufluchtsort der in der Heimat Gescheiterten. Arbeiterfamilien, Prediger, ehedem reiche Erben - die Festung am Ende der Welt verspricht ihnen einen neuen Anfang. Aber natürlich landen sie alle im Herz der Finsternis.

Das bezeichnet nicht nur einen literarischen Topos, der für von Steinaecker wie für jeden Romancier, der sich Kolonialafrika widmet, unausgesprochener Bezugspunkt ist, sondern auch das ganz reale Leben in Tola. Wie Blinde agieren die deutschen Siedler, hoffen auf die ferne Kolonialverwaltung an der Küste, die aber niemals etwas für Benesi tut, setzen auf die Fruchtbarkeit der afrikanischen Natur, ohne deren Extreme in Betracht zu ziehen, und rechnen vor allem mit ihrem gemeinsamen Willen zur Zivilisierung des fremden Landes. Doch mit dieser Gruppe ist kein Staat zu machen, auch wenn sich Henry von den Siedlern an Ameisen erinnert fühlt.

Im Zentrum des von Beginn an zum Scheitern verurteilten Plantagenprojekts steht Ludwig Gerber, der das väterliche Holz-Imperium in Bayern ruiniert hat und nun in Afrika als Verwalter seine letzte Chance bekommt. Doch aus seiner Perspektive steht viel mehr auf dem Spiel als nur die eigene Selbstachtung, und darin gleicht Gerber auf verblüffende Weise dem Protagonisten eines anderen Romans, der zu nahezu gleicher Zeit spielt: Theodor Lerner aus "Der Nebelfürst" von Martin Mosebach. Darin erzählt Mosebach vom Schicksal eines selbsternannten Arktis-Eroberers, der seine eigene traurige Existenz durch die angebliche Glorie, die seine Expeditionen an den Polarkreis dem Deutschen Reich verschaffen sollen, kaschiert. Gerber ist Lerners Zwillingsbruder am Äquator, und beider Schicksale sind wortgewordene Allegorien auf das kaiserzeitliche Dilemma der deutschen Großmannssucht.

Und doch ist diese politische Lesart nur eine Facette in von Steinaeckers Erzählkaleidoskop. "Schutzgebiet" hat eine solche Fülle an burlesken Szenen, fotorealistischen Berichten aus dem fiktiven Tola und lakonischen Psychogramm seiner deutschen Welt- und Selbstverbesserer zu bieten, dass zwischendurch fast die Übersicht verlorengeht, ehe dann aber in einer großen Kreisbewegung, die sich über ganze Jahrzehnte hinweg in die Vergangenheit zurückerstreckt, am Schluss der Beginn wieder eingeholt wird. Und was bis dahin so splitterartig gewirkt hat, das setzt sich beim Finale zu einem großen Spiegelbild zusammen, in dem wir plötzlich nicht mehr unsere Vorfahren erkennen, sondern deren Erbteil in uns. Und sind deshalb wirklich selbst mittendrin in der Schlacht.

Thomas von Steinaecker: "Schutzgebiet". Roman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2009. 381 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In Burkhard Müllers Augen hat sich Thomas von Steinaecker "selbst ein Bein gestellt". Denn die an sich originelle und reizvolle Idee, einen deutschen Kolonialroman zu schreiben, hat er nach Müllers Meinung aufgrund zweier schriftstellerischer Fehlgriffe doch nicht ganz gelungen umgesetzt. Das sind auf der einen Seite die häufigen Exkurse, beispielsweise nach New York oder in den Bayerischen Wald, die für Müller nebensächlich sind und die Handlung unnötig aufbrechen. Zum anderen ist das die fehlende historische Erdung von Steinaeckers Geschichte. Schließlich imaginiert sich dieser seine deutsche Kolonie samt Tieren nur selbstmächtig zusammen und das müsse, wie Müller ausführt, "notwendig hinter dem zurückbleiben, was tatsächlich passiert ist". Dass Steinaecker ein ausgezeichneter Erzähler ist, will er am Ende aber auch gesagt wissen.

© Perlentaucher Medien GmbH