28 Jahre lang war er als schwarzer Polizist auf den Straßen der USA im Einsatz. Er kennt sie alle: die Helden, die Mörder, die Rassisten, die Dealer, die korrupten Kollegen und die Opfer. Und er kennt die Zusammenhänge. In Schwarz Blau Blut erzählt Matthew Horace von einem System, das außer Kontrolle geraten ist - actionreich und informativ.
Ein Mann auf der Flucht, der mit acht Schüssen in den Rücken niedergestreckt wird, ein Obdachloser, den ein Streifenwagen erfasst, brennende Geschäfte in Ferguson, I can´t breathe, I can´t breathe ... Solche Bilder aus den USA gehen mit erschreckender Regelmäßigkeit um die Welt, gefolgt von schockiertem Entsetzen. Doch die richtige Frage stellt im Anschluss niemand: Was verursacht die Gewalt? Schwarz Blau Blut gibt darauf eine Antwort. Ein heftiges Buch von der Front, von einem, der beide Seiten kennt. Für alle, die verstehen wollen, warum so viele schwarze Menschen unschuldig sterben.
Ein Mann auf der Flucht, der mit acht Schüssen in den Rücken niedergestreckt wird, ein Obdachloser, den ein Streifenwagen erfasst, brennende Geschäfte in Ferguson, I can´t breathe, I can´t breathe ... Solche Bilder aus den USA gehen mit erschreckender Regelmäßigkeit um die Welt, gefolgt von schockiertem Entsetzen. Doch die richtige Frage stellt im Anschluss niemand: Was verursacht die Gewalt? Schwarz Blau Blut gibt darauf eine Antwort. Ein heftiges Buch von der Front, von einem, der beide Seiten kennt. Für alle, die verstehen wollen, warum so viele schwarze Menschen unschuldig sterben.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sehr sachlich und nüchtern referiert Rezensent Michael Hochgeschwender, was er in diesem Buch gefunden hat, auch wenn sich einem schon beim Lesen der Kritik die Haare sträuben. Nicht allein Rassismus sei es, der das Verhältnis der Polizei gegenüber den Schwarzen in den USA kennzeichne. Vielmehr muss man wissen, so der Kritiker, dass eine Allianz aus schlechter Polizeiausbildung und niedriger Bezahlung zu Korruption in vielen Polizeibehörden der USA geführt hat. Zudem ist die viele Generationen währende Benachteiligung und Armut in traditionell schwarzen Stadtteilen das Fundament einer mafiös strukturierten Gangkultur, die wiederum der Grund für ein entsprechend brutales Vorgehen von Polizisten aller Ethnien gegenüber den Bewohnern dieser Viertel sind, lesen wir. Ein verheerend wirkender "Ehrenkodex" der Polizisten fügt das Seinige hinzu, sodass die Vertuschung von Verbrechen in einigen Städten der USA - besonders geht es hier um Chicago, Los Angeles und New Orleans - ebenso Polizeialltag werden konnte wie unter Folter erpresste Geständnisse. Der kühle Kritiker scheint wenig Hoffnung mit den Verbesserungen zu verbinden, die durch eine gründlichere Polizeiausbildung immerhin in Aussicht stehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2020Den Gangs wird es leichtgemacht
Rassismus erklärt nicht alles: Matthew Horace über die Ursachen von Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten.
Obwohl die Zahl der Medienberichte über häufig rassistisch motivierte Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten in den vergangenen Monaten erkennbar zurückgegangen ist, hat sich das dahinterliegende Phänomen keineswegs in Luft aufgelöst. Schon deswegen hat der schwarze Polizist Matthew Horace gemeinsam mit Ron Harris von der "Los Angeles Times" ein wichtiges Buch vorgelegt, dessen Lektüre erheblich dazu beitragen kann, die Missstände in amerikanischen Polizeidepartments besser zu verstehen und in die gesellschaftliche Situation des Landes einzuordnen.
Horace belegt anhand ausgewählter und im Detail dargestellter Einzelfälle sowie mit Hilfe zahlreicher Interviews, die er in Polizeikreisen führen konnte, dass Rassismus eine wichtige, aber gerade nicht die einzige Motivation für die immer wieder ausufernde Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten darstellt. Möglicherweise geht es bei der potentiellen Gefährdung durch Schwarze, gleichgültig ob sie Waffen tragen oder nicht, gar nicht primär um Rassismus im engeren Wortsinn, sondern um tiefsitzende Vorurteile, die sogar auch von schwarzen Polizisten geteilt werden. Die unterbewusste Imagination schwarzer Gewalt ist mindestens ebenso bedeutsam wie die reale Gewalt der Gangs in den Armenvierteln der Großstädte.
Horace malt kein beschönigendes Bild von der Gewalt, die schwarze Männer bevorzugt gegen andere schwarze Männer ausüben und die deutlich mehr Opfer fordert als die Gewalt der Polizei. Dennoch macht er gerade aus eigener privater Erfahrung darauf aufmerksam, wie mutwillig Polizisten jeder Ethnie schwarze Autofahrer schikanieren und sogar misshandeln, wenn sie im falschen Stadtviertel mit der falschen Automarke unterwegs sind. Zugleich aber bettet er diese Varianten unterschwelligen, aber auch bewussten Rassismus in meist vernachlässigte größere Zusammenhänge ein.
Zum einen geht er auf die Armut in den mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Regionen ein, wo Niedriglöhne und Arbeitslosigkeit selbst in wirtschaftlichen Boomphasen es den Gangs leichtmachen, sich als soziale Alternative zu stilisieren, ganz so, wie es einst die Mafia und der irische Mob getan hatten. Zum anderen geht Horace auf die strukturellen Defizite der amerikanischen lokalen Polizeieinheiten ein, insbesondere auf Korruption, miserable Ausbildung, desaströs schlechte Bezahlung und einen Ehrenkodex, der alle Versuche, die Probleme der Polizei zu lösen, vor unlösbare Probleme stellt.
Es ist kein Zufall, dass dem Autor die Departments von New Orleans, Los Angeles und Chicago als bevorzugte Beispiele dienen, wobei New Orleans den Vogel abschießt, da sich hier über Jahrzehnte eine Kultur des Wegschauens gebildet hat, in der viele Polizisten zu Erfüllungsgehilfen des organisierten Verbrechens wurden. Da wundert es weiter nicht, wenn Beweise gefälscht und untergeschoben werden, Zeugen eigener Verbrechen durch Auftragsmörder eliminiert und fälschlich Verdächtigte, in der Regel Schwarze und Latinos aus den Unterklassen, durch Folter Geständnisse abgepresst werden.
In Chicago etwa war ausgerechnet der liberale Bürgermeister Rahm Emanuel, einst Stabschef Barack Obamas, an der Vertuschung eines Mordes an einem unbewaffneten Schwarzen durch die Polizei beteiligt, während einer seiner Vorgänger, Richard Daley Jr, ebenfalls ein Demokrat, als Staatsanwalt Polizeigewalt deckte. In New Orleans wurde mit Antoinette Frank eine psychisch höchst labile schwarze Frau zur Polizistin gemacht, weil man niemanden anderen fand. Kaum ins Polizeicorps aufgenommen, war sie an einem Raubüberfall mit dreifachem Mord beteiligt. Da einer ihrer Kollegen erschossen wurde, fand sich in diesem Fall aus den neunziger Jahren niemand, der noch etwas vertuschen wollte.
Führt man sich dieses Klima häufigen Amtsmissbrauchs vor Augen und bedenkt, wie selten bis in die 2000er Jahre hinein die internen Ermittlungsbehörden auch nur versucht hatten, der grassierenden Gewalt in den lokalen Einheiten Herr zu werden, wundert man sich nicht mehr über die mangelnde Kooperation der black communities mit den Ermittlungsbehörden, wenn es um Ganggewalt gerade in den schwarzen Stadtvierteln geht. Vor diesem Hintergrund werden auch die offenen Sympathien verständlich, die Horace und einige andere schwarze Polizisten für Black Lives Matter hegen, denn letztlich wird nur der Druck der Öffentlichkeit auf Politik und Ermittlungsbehörden für notwendige Veränderungen sorgen.
Vieles ist heute besser als in der von Weißen gerne verklärten bösen, schlechten Zeit vor 1990. In vielen Departments wird inzwischen Wert auf eine gründliche Ausbildung gelegt. Den angehenden Polizisten werden ihre unbewussten Vorurteile vor Augen geführt, sie werden mit Deeskalationsstrategien vertraut gemacht. Obendrein bemühen sich die Polizeibehörden, den Kontakt zu den marginalisierten Ethnien zu intensivieren und direkter, menschlicher zu gestalten. Nur so haben sie eine Chance, Gangstrukturen aufzubrechen und das Gewaltpotential in den am meisten betroffenen Großstädten in den Griff zu bekommen. Rassismus, Gewaltkultur, strukturelle Armut und soziale Benachteiligung bedingen sich dabei gegenseitig. Wer den Blick einzig auf den Rassismus wirft, wird weder ihn noch die anderen Probleme in den Griff bekommen. Wer Rassismus in der Polizei leugnet, begünstigt ihn allerdings. Polizisten und Politiker aller Richtungen, die alles, was die Behörden - die Staatsanwaltschaft eingeschlossen - tun, im Namen der Sicherheit amerikanischer Bürger auch dann vehement und wortreich als professionell oder angemessen verteidigen, wenn es durch kein Gesetz mehr gedeckt ist, spielen der Gewalt in die Hände.
MICHAEL HOCHGESCHWENDER
Matthew Horace mit Ron Harris: "Schwarz, Blau, Blut".
Ein Cop über Rassismus und Polizeigewalt in den USA. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 270 S., br., 15,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rassismus erklärt nicht alles: Matthew Horace über die Ursachen von Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten.
Obwohl die Zahl der Medienberichte über häufig rassistisch motivierte Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten in den vergangenen Monaten erkennbar zurückgegangen ist, hat sich das dahinterliegende Phänomen keineswegs in Luft aufgelöst. Schon deswegen hat der schwarze Polizist Matthew Horace gemeinsam mit Ron Harris von der "Los Angeles Times" ein wichtiges Buch vorgelegt, dessen Lektüre erheblich dazu beitragen kann, die Missstände in amerikanischen Polizeidepartments besser zu verstehen und in die gesellschaftliche Situation des Landes einzuordnen.
Horace belegt anhand ausgewählter und im Detail dargestellter Einzelfälle sowie mit Hilfe zahlreicher Interviews, die er in Polizeikreisen führen konnte, dass Rassismus eine wichtige, aber gerade nicht die einzige Motivation für die immer wieder ausufernde Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten darstellt. Möglicherweise geht es bei der potentiellen Gefährdung durch Schwarze, gleichgültig ob sie Waffen tragen oder nicht, gar nicht primär um Rassismus im engeren Wortsinn, sondern um tiefsitzende Vorurteile, die sogar auch von schwarzen Polizisten geteilt werden. Die unterbewusste Imagination schwarzer Gewalt ist mindestens ebenso bedeutsam wie die reale Gewalt der Gangs in den Armenvierteln der Großstädte.
Horace malt kein beschönigendes Bild von der Gewalt, die schwarze Männer bevorzugt gegen andere schwarze Männer ausüben und die deutlich mehr Opfer fordert als die Gewalt der Polizei. Dennoch macht er gerade aus eigener privater Erfahrung darauf aufmerksam, wie mutwillig Polizisten jeder Ethnie schwarze Autofahrer schikanieren und sogar misshandeln, wenn sie im falschen Stadtviertel mit der falschen Automarke unterwegs sind. Zugleich aber bettet er diese Varianten unterschwelligen, aber auch bewussten Rassismus in meist vernachlässigte größere Zusammenhänge ein.
Zum einen geht er auf die Armut in den mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Regionen ein, wo Niedriglöhne und Arbeitslosigkeit selbst in wirtschaftlichen Boomphasen es den Gangs leichtmachen, sich als soziale Alternative zu stilisieren, ganz so, wie es einst die Mafia und der irische Mob getan hatten. Zum anderen geht Horace auf die strukturellen Defizite der amerikanischen lokalen Polizeieinheiten ein, insbesondere auf Korruption, miserable Ausbildung, desaströs schlechte Bezahlung und einen Ehrenkodex, der alle Versuche, die Probleme der Polizei zu lösen, vor unlösbare Probleme stellt.
Es ist kein Zufall, dass dem Autor die Departments von New Orleans, Los Angeles und Chicago als bevorzugte Beispiele dienen, wobei New Orleans den Vogel abschießt, da sich hier über Jahrzehnte eine Kultur des Wegschauens gebildet hat, in der viele Polizisten zu Erfüllungsgehilfen des organisierten Verbrechens wurden. Da wundert es weiter nicht, wenn Beweise gefälscht und untergeschoben werden, Zeugen eigener Verbrechen durch Auftragsmörder eliminiert und fälschlich Verdächtigte, in der Regel Schwarze und Latinos aus den Unterklassen, durch Folter Geständnisse abgepresst werden.
In Chicago etwa war ausgerechnet der liberale Bürgermeister Rahm Emanuel, einst Stabschef Barack Obamas, an der Vertuschung eines Mordes an einem unbewaffneten Schwarzen durch die Polizei beteiligt, während einer seiner Vorgänger, Richard Daley Jr, ebenfalls ein Demokrat, als Staatsanwalt Polizeigewalt deckte. In New Orleans wurde mit Antoinette Frank eine psychisch höchst labile schwarze Frau zur Polizistin gemacht, weil man niemanden anderen fand. Kaum ins Polizeicorps aufgenommen, war sie an einem Raubüberfall mit dreifachem Mord beteiligt. Da einer ihrer Kollegen erschossen wurde, fand sich in diesem Fall aus den neunziger Jahren niemand, der noch etwas vertuschen wollte.
Führt man sich dieses Klima häufigen Amtsmissbrauchs vor Augen und bedenkt, wie selten bis in die 2000er Jahre hinein die internen Ermittlungsbehörden auch nur versucht hatten, der grassierenden Gewalt in den lokalen Einheiten Herr zu werden, wundert man sich nicht mehr über die mangelnde Kooperation der black communities mit den Ermittlungsbehörden, wenn es um Ganggewalt gerade in den schwarzen Stadtvierteln geht. Vor diesem Hintergrund werden auch die offenen Sympathien verständlich, die Horace und einige andere schwarze Polizisten für Black Lives Matter hegen, denn letztlich wird nur der Druck der Öffentlichkeit auf Politik und Ermittlungsbehörden für notwendige Veränderungen sorgen.
Vieles ist heute besser als in der von Weißen gerne verklärten bösen, schlechten Zeit vor 1990. In vielen Departments wird inzwischen Wert auf eine gründliche Ausbildung gelegt. Den angehenden Polizisten werden ihre unbewussten Vorurteile vor Augen geführt, sie werden mit Deeskalationsstrategien vertraut gemacht. Obendrein bemühen sich die Polizeibehörden, den Kontakt zu den marginalisierten Ethnien zu intensivieren und direkter, menschlicher zu gestalten. Nur so haben sie eine Chance, Gangstrukturen aufzubrechen und das Gewaltpotential in den am meisten betroffenen Großstädten in den Griff zu bekommen. Rassismus, Gewaltkultur, strukturelle Armut und soziale Benachteiligung bedingen sich dabei gegenseitig. Wer den Blick einzig auf den Rassismus wirft, wird weder ihn noch die anderen Probleme in den Griff bekommen. Wer Rassismus in der Polizei leugnet, begünstigt ihn allerdings. Polizisten und Politiker aller Richtungen, die alles, was die Behörden - die Staatsanwaltschaft eingeschlossen - tun, im Namen der Sicherheit amerikanischer Bürger auch dann vehement und wortreich als professionell oder angemessen verteidigen, wenn es durch kein Gesetz mehr gedeckt ist, spielen der Gewalt in die Hände.
MICHAEL HOCHGESCHWENDER
Matthew Horace mit Ron Harris: "Schwarz, Blau, Blut".
Ein Cop über Rassismus und Polizeigewalt in den USA. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 270 S., br., 15,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»... ein wichtiges Buch, dessen Lektüre erheblich dazu beitragen kann, die Missstände in amerikanischen Polizeidepartments besser zu verstehen und in die gesellschaftliche Situation des Landes einzuordnen.« Michael Hochgeschwender Frankfurter Allgemeine Zeitung 20200130