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»Wer die Bücher von Irene Dische liest, weiß, dass er es mit der Speerspitze der zeitgenössischen Prosa zu tun hat.« The New York Times
Manche Geheimnisse sind so groß, dass wir sie nicht nur vor der Welt, sondern auch vor uns selbst verstecken müssen.
Es beginnt als Liebesgeschichte. Im New York der frühen 70er Jahre werden Lili und Duke ein Paar: Sie, die Tochter einer weißen Intellektuellen-Familie, mit allen Möglichkeiten aufgewachsen, die sich jedoch für die Arbeit als Krankenschwester entschieden hat und er, der schwarze junge Mann aus dem Süden. Sie leben eine Liebe, die…mehr

Produktbeschreibung
»Wer die Bücher von Irene Dische liest, weiß, dass er es mit der Speerspitze der zeitgenössischen Prosa zu tun hat.« The New York Times

Manche Geheimnisse sind so groß, dass wir sie nicht nur vor der Welt, sondern auch vor uns selbst verstecken müssen.

Es beginnt als Liebesgeschichte. Im New York der frühen 70er Jahre werden Lili und Duke ein Paar: Sie, die Tochter einer weißen Intellektuellen-Familie, mit allen Möglichkeiten aufgewachsen, die sich jedoch für die Arbeit als Krankenschwester entschieden hat und er, der schwarze junge Mann aus dem Süden. Sie leben eine Liebe, die verheerende Zerstörung in Kauf nimmt und doch alles zu verzeihen scheint.

Während Duke zu einem gefeierten Weinexperten avanciert, wird die verträumte Lili als Model entdeckt. Ihr gemeinsames Leben entwickelt sich schnell zu einem rasanten Auf und Ab, voller Möglichkeiten, Verführungen, Rückschläge. Ihre Liebe scheint jedoch unzerbrechlich. Erkennt Duke jede noch so kleine Facette eines besonderen Weines, so entgehen ihm meist die Hintergedanken und Manipulationen der Menschen. Ganz anders Lili, die wie gemacht scheint für das Spiel mit der Oberfläche, das die Mode- und Werbewelt beherrscht. Beide verlassen sich aufeinander, doch hinter Lilis Schönheit, ihrem Charme, ihrer Klugheit und Raffinesse, verbirgt sich nicht zuletzt eine mörderische Wut, die alles und jeden zu verschlingen droht.

Mit Schwarz und Weiß durchschreitet Irene Dische die letzten drei Jahrzehnte des letzten Jahrtausends, um nichts weniger als unsere Gegenwart auszuleuchten. Was als großartiger, scharfsinniger wie auch scharfzüngiger New York-Roman beginnt, entwickelt sich nach und nach zu einer brillanten Auseinandersetzung mit Projektionen und Heilsversprechen, mit individuellen Träumen und sozialen Realitäten. Ein Roman, der große Fragen stellt, ohne sich der Illusion auf Antworten hinzugeben.

»Eine Abrechnung mit dem Amerikanischen Traum und, nebenbei bemerkt, tolle Unterhaltung.« Die Zeit
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2017

Auf dem Weg ins Ehe-Desaster

Ungleich zu Ungleich gesellt sich gern: Irene Dische lässt im Roman "Schwarz und weiß" das erhoffte Gesellschaftspanorama vermissen.

Von Andreas Platthaus

Amerika ist ein vielfach gespaltenes Land, und die bislang fruchtlosen Bemühungen, diese Konflikte zu lösen, bestimmen seine Geschichte und die Geschichten, die über die Vereinigten Staaten erzählt werden. So auch in Irene Disches neuem Roman, der einen, wenn nicht den zentralen Zwiespalt der dortigen Gesellschaft im Titel führt: "Schwarz und weiß". Das Buch der in Berlin lebenden und schreibenden Amerikanerin erzählt von der Ehe zwischen Lili Stone und Duke Butler; sie die Tochter eines wohlhabenden New Yorker Intellektuellenpaars polnischer Abstammung (der Vater Komponist, die Mutter Essayistin), er der Sohn einer Deutschen, die in den frühen fünfziger Jahren mit einem farbigen amerikanischen Besatzungsoffizier in dessen Heimatort nach Florida übersiedelte, wo sie aber feststellen musste, dass der vermeintliche Ehemann schon mit einer anderen verheiratet war. Fortan zog Jutta Kurz, die sich in der Neuen Welt nur noch Jo nennt, ihren Sohn allein auf, in prekären Verhältnissen, die dadurch nicht einfacher wurden, dass Duke nach amerikanischen Maßstäben als Schwarzer gilt.

Mit Lili und Duke treffen also in vielerlei Hinsicht zwei Welten zusammen, als sie sich 1972 in New York ineinander verlieben und im Folgejahr heiraten. Bei den liberalen Eltern der Braut stößt der Schwiegersohn aus der Unterschicht durchaus auf Sympathie, zumal er einen Vietnam-Einsatz hinter sich hat, der krankheitsbedingt unterbrochen werden musste und dessen Fortführung durch allerlei Tricks der neuen Familie verhindert wird. Bei einem distinguierten Weinhändler erwirbt Duke die Befähigung zum Weintester und erlebt einen kometenhaften Aufstieg in der New Yorker Gastronomieszene. Mit der eigenen Verwandtschaft in Florida scheint der junge Mann genauso gebrochen zu haben wie mit seiner Südstaaten-Vergangenheit, und das ist auch besser so, heißt es doch bei Dische einmal in ihrem unnachahmlich lapidaren Ton: "Im Süden heirateten die Leute und blieben zusammen, bis sie ihren Ehepartner satthatten, und dann brachten sie ihn um."

Der Norden kommt allerdings bei Dische kaum besser weg. Ein typisches Beispiel für den Spott der gebürtigen New Yorkerin über ihre Heimatstadt: "Eine dreiköpfige Familie wie die Stones hat nicht drei, sondern sechs Mitglieder, weil jedes Mitglied rund um die Uhr von einem unsichtbaren Therapeuten begleitet wird, einem Vertrauten, auf den man sich beruft und den man zitiert und der so an allem beteiligt ist, an jedem Zerwürfnis, jedem Kuss und jedem Gespräch." Lili und Duke entwickeln sich trotzdem zum Traumpaar der feinen Gesellschaft.

Dass sie es nicht bleiben, wird bereits auf den ersten Seiten klar, die von Dukes Mutter Jo aus der Ich-Perspektive bestritten werden - wie später auch einige Zwischenspiele und das Schlusswort des ansonsten auktorial erzählten Romans. Wir erfahren, dass Duke im Jahr 2000 in Florida zum Tode verurteilt worden und das dortige Haus der Butlers am Tag des Urteilsspruchs explodiert ist, noch nichts aber zu den näheren Umständen. Dafür ist Jo dank eines ortsüblichen meteorologischen Ausnahmezustands in den Besitz von Aufzeichnungen gekommen, die Lili über ihre Ehe gemacht hat. Wer nun aber erwartet hätte, dass diese Aufzeichnungen im Folgenden zitiert würden, sieht sich getäuscht. Weder weitere Erzählhaltung noch Faktenlage entsprechen Lilis Blickwinkel. Was Irene Dische zu ihrer romantisch anmutenden Manuskript-Fiktion getrieben hat, bleibt bis zuletzt unklar. Das ist leider nicht der einzige konzeptionelle Mangel dieses Romans.

Schwerer noch wiegt das Ungleichgewicht des auf Dichotomie angelegten Handlungsverlaufs. Lili, die als Fotomodell Furore macht, und Duke kommen dabei noch einigermaßen gleichberechtigt zur Darstellung, aber schon bei den Eltern Stone findet der Vater, der ein spätes Coming-out als Homosexueller erlebt, weitaus mehr Beachtung als die Mutter, deren Karriere als Schriftstellerin immer stärker bröckelt. Und dann ist da die Gliederung des Romans in zwei Teile namens "Norden" und "Süden", deren letzter aber gerade einmal ein Viertel des Gesamtumfangs erreicht. Natürlich kennt Irene Dische New York und seine (gehobenen) Milieus weitaus besser als Florida und den dortigen white scum abseits der Großstädte. Sie begleitet deshalb mit erkennbarer Lust ihre Protagonisten durch die metropolitanen siebziger, achtziger und neunziger Jahre, während sie für Lilis und Dukes Landleben im Süden nur noch gerade so viel Platz opfert, wie die Abrundung diverser Handlungsbogen erfordert. Aber dadurch kommt just jener Teil des Buches zu kurz, der die größere Neugier weckt. Über das New York der Jahrzehnte vor dem 11. September 2001 haben wir in diesem Jahr schon viel und vor allem Besseres gelesen als "Schwarz und weiß" - Paul Austers "4 3 2 1" etwa oder Hanya Yanigiharas "Ein wenig Leben". Ein Gegenwartsporträt der Südstaaten dagegen, zumal eines, das dabei auch die weißen Deklassierten in den Blick nimmt, solch ein Roman fehlt. Und daran ändert sich auch mit "Schwarz und weiß" leider nichts.

Bleibt das, was Irene Dische vor allem gelockt haben wird: die Geschichte einer Ehe, die gegen alle Wahrscheinlichkeit und auch gegen alle konkreten Anfechtungen (Affären, Kinderlosigkeit, berufliches Scheitern, Auftauchen unverhoffter Verwandtschaft) Bestand hat und dennoch in ein Desaster mündet. Es ist nicht die Schuld von Lili und Duke als Gemeinschaft; sie versagen als Individuen, und das ist die verblüffendste Volte, die dieser Eheroman aufzubieten hat. Darüber allerdings ist die Sorgfalt bei Autorin, Übersetzerin und Lektorat verlorengegangen, denn nicht nur widersprechen sich die Altersangaben zu Lili - mal ist sie vor 1972 schon achtzehn, dann wieder erreicht sie dieses Alter erst 1973 -, auch die Explosion des Butlerschen Hauses soll zunächst am Tag des Urteilsspruchs und schließlich am Tag der Hinrichtung von Duke stattgefunden haben. Dazwischen liegen 480 durchaus amüsante Seiten, deren Reiz aber vor allem auf satirischer Ebene liegt, nicht auf dem, was Irene Dische wirklich wichtig war. Und uns gewesen wäre.

Irene Dische: "Schwarz und weiß". Roman.

Aus dem amerikanischen Englisch von Elisabeth Plessen. Hoffmann und Campe, Hamburg 2017. 489 S., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2017

Schicksal spielen
In ihrem Roman „Schwarz und Weiß“ lässt Irene Dische
die Figuren richtig fies auflaufen
VON WILLI WINKLER
Am 14. Januar 1970 gab der Komponist Leonard Bernstein in seiner Wohnung in Manhattan eine Party für Donald Cox, den sogenannten Feldmarschall der Black Panthers. Zum Horsd’oeuvre wurden Erklärungen über die Lage der Schwarzen in Amerika gereicht, beim Dessert ging schon der Hut herum, garniert mit der dringenden Bitte der Gastgeber, doch ja nicht knausrig zu sein.
Zum Ende der Sechziger war es Mode in den gebildeten Kreisen geworden, sich mit der Gewalt als Politik zu solidarisieren. Tom Wolfe prägte dafür den schönen Begriff „radical chic“, ein anderes Wort für den Ablass, der sich bereits mit einer prominent besetzten Motto-Party erwerben ließ. Wer die Erniedrigten und Beleidigten so demonstrativ unterstützt, kann kein ganz schlechter Mensch sein, darf aber sein Geld auch nach der unmittelbar bevorstehenden Revolution behalten.
Es ist 1972, als Bucky, „deren Herz für die ganze Menschheit schlug“, eine Essayistin, die Susan Sontag sein könnte, und Vlado, ein anstrengender Neutöner, den Vietnamheimkehrer Duke Butler wie einen verlorenen Sohn aufnehmen. Pazifist ist er, naiv, so unverbildet wie der Wolfsjunge Truffauts, der ein paar Jahre zuvor im Kino lief, und dann ist er auch noch schwarz.
Ein Geschenk ist ihnen ins Haus geschneit, ein Wunder, es wird ihnen aber gleich von der Tochter weggenommen. Lili ist unerhört gescheit, sie vereint die Begabungen ihrer Eltern, leidet aber an „emotionaler Blutarmut“ (die Diagnose borgt sie sich bei keinem Geringeren als Ezra Pound), verweigert sich deshalb der vorgeschriebenen Kulturbetriebsexistenz und schult um zur Krankenschwester. Der süße unbedarfte Schwarze wird ohne Vorwarnung der Hochkultur ausgesetzt, doch bleibt er die ideale ingénue, nur männlich. Nie hat er Kaffee oder Bier getrunken, seine Geschmacksnerven sind unschuldig wie ein Hamilton-Mädchen, und er ist deshalb prädestiniert für die neueste Mode in New York: teuren Wein. Butler wird – wer naiv ist, kann nicht irren – nicht nur Weinverkoster, sondern der beste überhaupt, sein Gaumen ist unfehlbar.
Es kommt, wie es kommen muss, die beiden heiraten, Schwarz und Weiß, was für ein Triumph. „Sie wären ein Symbol für Entspannung zwischen den Rassen, und ihre Kinder und Kindeskinder würden die Welt erobern.“ Außerdem, da ist Irene Dische unerbittlich, muss es die große Liebe sein, die größte aller Zeiten. Jeden Tag wird es schöner. In ganz New York gebe es keinen Zweiten wie ihn, sagen die Leute über Duke. Ihr braucht nur ein Fotograf die große Brille abzunehmen, und das hässliche Entlein wird nicht bloß auf der Stelle Model, sondern grüßt bald von der hochhaushohen Leuchtreklame am Times Square. Es kann nur böse enden, aber es kommt viel schlimmer.
Es hört nämlich überhaupt nicht mehr auf. Die „blutige Hand“, die Dische im Motto ihres Romans beschwört, führt niemand anderes als sie selber. Es muss ein ungeheurer Spaß sein, Schicksal und mit dem Leben seiner Figuren zu spielen. Unterwegs treten schreibblockierte Autorinnen, schwule Agenten, fette Wohnwageninsassen und rassistische Pfarrer auf, eine Geisterbahn, durch die Dische ihre Liebenden hetzt, immer noch schneller, noch berauschter von der eigenen Erfindungslust. Vor lauter Erfindungen quillt der Roman wie Dukes Schwester Anne aus jeder Form. Wie in einem Kolportageroman des 18. Jahrhunderts jagt ein unverhofftes Wiedersehen das nächste, ein nie enden wollendes Vorabendprogramm, in dem die Wahrscheinlichkeit nie ihr grauses Haupt erheben darf. Da kommen dann schnell mal 500 Seiten zusammen.
Der Wolfsjunge Duke, das Erziehungsexperiment, bildet sich so weit fort, dass er nicht nur Anzüge und gute Schuhe zu schätzen weiß, sondern praktisch ohne die Schule besucht zu haben den Kulturteil der New York Times lesen kann und sich vorstellt, dass „auch er sich von Pound unterhalten lassen“ könnte. Lilis Absturz beginnt damit, dass sie berühmt wird und unglaublich viel Geld verdient. Das Glück könnte also wirklich allergrößt sein, außerdem hält sich eine kinderlose Diva bereit, um ihnen alles zu vermachen. Doch in einem fast drei Jahrzehnte währenden Martyrium muss Dische den armen Duke mit einem Sadismus zu Tode foltern, wie es zuletzt Alfred Döblin mit seinem Franz Biberkopf vorgeführt hat.
Wie der Biberkopf lernt Duke nicht dazu. Er liebt seine Frau, bleibt gutmütig und steuert doch auf das furchtbare Ende zu, das ihm seine Erfinderin zugedacht hat. Das hat, zugegeben, größten Unterhaltungswert. Immer noch etwas fällt ihr ein, noch eine irre Episode aus dem Soziotop des mittleren Woody Allen. Als Satire über die New Yorker, die sich über teure Abendessen, die Kosten für die Therapiestunde und möglichst hohe Vorschüsse definieren, bietet der Roman große Unterhaltung, sicherlich mehr als die „Cantos“ von Ezra Pound. Die Südstaaten werden keineswegs vernachlässigt, sondern als traditionsbewusst vorgestellt: „Im Süden heirateten die Leute und blieben zusammen, bis sie ihren Ehepartner satt hatten, und dann brachten sie ihn um.“
Es ist das alte Problem der Satiriker, dass sie sich über ihre Figuren zu viel lustig machen und sie zu wenig lieben. Der Hohn der Autorin über die Mesalliance zwischen Schwarz und Weiß liegt ihr weit näher als die beiden Protagonisten. Bei allem, was sie ihnen zumutet, interessiert sie sich kaum für Lili und Duke.
Die Anspielung auf Lilith, die apokryphe erste Frau Adams, ist überdeutlich. Lili betrügt ihren Mann in ungezählten Affären, nimmt jede erreichbare Droge und versinkt in einem rachsüchtigen Elend, aus dem sie nicht einmal der Hass auf ihre Mutter befreien kann. Ihr Kinderwunsch, den sie durch übelste Fremdbefruchtung gegen ihren Mann durchsetzt, endet in einer grausig pragmatischen Abtreibung, und dann wird einer dieser Sätze fällig, die so diamanthart sonst niemand formulieren kann: „Mit der Zeit gewöhnt man sich auch an das allergrößte Glück.“ Wer es noch nicht gelesen hat, darf sich auf einen brutalen Spaß freuen. Der schlechte Nachgeschmack ist garantiert.
Es kann nur böse
enden, aber es kommt
viel schlimmer
Irene Dische: Schwarz und Weiß. Roman. Aus dem Englischen von Elisabeth Plessen. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2017. 492 Seiten, 26 Euro.
E-Book 19,99 Euro.
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»Es ist ein wunderbar geistreicher, amüsanter Roman über die Möglichkeit einer Ehe, wo die Frau wirklich böse ist, (...) der mich glänzend unterhalten hat.« Denis Scheck SWR lesenswert 20171214