Was Isaak Babel für den der Oktoberrevolution von 1917 folgenden Bürgerkrieg, das leistete der Schriftsteller und Journalist Saadat Hassan Manto (geboren 1912, gestorben 1955 in Lahore/Pakistan, nahe der indischen Grenze) mit seinen Geschichten von der blutigen Teilung des indischen Subkontinents 1947: die bleibende Verdichtung des Gehörten, Gesehenen und Erlebten zu Szenen schmerzhaft gesteigerter Gegenwart, eines angesichts des Todes auf die Spitze getriebenen Lebens.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.12.2006Die Nacht, in der Gurmukh Singhs Sohn kam
„Schwarze Notizen”: Die große, schlichte Erzählkunst des indisch-pakistanischen Schriftstellers Saadat Hassan Manto
Um Mitternacht die Freiheit: Als am 15. August 1947 Punkt null Uhr die beiden neuen Staaten Indien und Pakistan wie mit einem Druck auf den Lichtknopf die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien erlangten, erwies sie sich, was niemand so vorausgesehen hatte, vor allem als die Freiheit, seinen Nachbarn zu ermorden. Niemand weiß, wie viele Muslims in diesen entsetzlichen Wochen von Hindus, wie viele Hindus von Muslims massakriert wurden; doch geht die Zahl in die Millionen. Eisenbahnzüge, die die Flüchtlinge mit der nunmehr falschen Religion ins neue Vaterland bringen sollten, verwandelten sich in rollende Massengräber; die Hunde, so heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, fraßen von den Leichen nur noch die Lebern, und die Geier waren zu fett zum Fliegen.
Wie kann man von diesem Gründungstrauma der beiden verfeindeten Atommächte überhaupt sprechen? Diese Frage, bei uns gern zu dem Aperçu abgebunden, es sei Barbarei, nach Auschwitz noch ein Gedicht zu verfassen, findet bei dem in Urdu schreibenden indisch-pakistanischen Autor Saadat Hassan Manto eine verblüffende Antwort: in Form der Novelle. Das mag auf Anhieb frivol erscheinen, hat aber nach einigem Nachdenken viel für sich. Die Novelle setzt unvermittelt ein, ist kurz, hat zu ihrem Kern die unerwartete Wendung und gibt immer zu denken. All dies trifft jedenfalls auch auf die Haupt- und Nebenblutströme des Massenmords zu.
Acht von den kleinen Seiten der Bibliothek Suhrkamp umfasst „Gurmukh Singhs Vermächtnis”. In Amritsar lebt der pensionierte und verwitwete Richter Mian Abdul Hay – schon der Name weist ihn als Muslim aus, da braucht man ihm gar nicht erst die Hose herunterzuziehen und zu prüfen, ob er beschnitten ist – mit seiner Familie, der halbwüchsigen Tochter Sughra, dem kleinen Sohn Basharat und einem alten, asthmatischen Diener. Sie bewohnen ein dreistöckiges Haus, von dessen Dach sie Ausschau halten und stündlich an den näherrückenden Bränden das Wachsen der Gefahr messen. Fliehen oder nicht? Und wohin? Das erwägt man noch, als den alten Richter plötzlich der Schlag trifft und er sich nicht mehr vom Bett erheben, kaum reden kann. Das Id-Fest naht.
„Es wurde Abend. Sughra und Basharat konnten sich an viele Abende erinnern, wenn alle ganz aufgeregt zum Himmel schauten, um die Mondsichel zu sehen, die den Beginn des Id-Festes ankündigte. Alles hing vom Mond ab. Wie sehnsüchtig sie immer auf den Mond gewartet hatten! Wie sie sich ärgerten, wenn sich ein kleiner Wolkenfetzen über die Stelle schob, an der sie den Mond erwarteten. Und jetzt war der ganze Himmel voller Rauch. Sughra und Basharat stiegen aufs Dach. Auch auf den anderen Dächern waren hie und da Umrisse von Menschen zu erkennen, aber es war nicht klar, ob sie den Mond suchten oder die Feuersbrünste betrachteten, die überall loderten.”
Noch acht Zeilen bis zum Ende
Da klopft es plötzlich an der Haustür. Alle erschrecken; dann erinnert man sich: zum Id-Fest kam immer Gurmukh Singh, ein alter Sikh, um dem Richter ein Säckchen mit Süßigkeiten zu bringen, aus Dankbarkeit, weil der Richter ihm einmal in einer heiklen Sache geholfen hatte. Die Tochter wird an die Tür geschickt. Aber da steht nicht Gurmukh Singh, sondern ein sehr viel jüngerer Sikh. Doch hat er das wohlbekannte Säckchen dabei. Sughra fasst Vertrauen.
Der junge Mann gibt sich als Santokh, der Sohn des Gurmukh Singh, zu erkennen, der gekommen ist, das Vermächtnis seines Vaters zu ehren; der nämlich ist inzwischen verstorben. Das Säckchen wird übergeben, Santokh verabschiedet sich, wir stehen acht Zeilen vor dem Ende, alles scheint sich in Wohlgefallen auflösen zu wollen. Doch nun erfolgt ein rascher finaler Szenenwechsel: Santokh tritt zu einer Gruppe vermummter Männer mit Fackeln. „,Na, was ist, bist du fertig?’ Santokh nickte und sagte: ‚Ja!’ Der Mann lachte unter seiner Vermummung und fragte: ‚Können wir den Richter jetzt kaltmachen?’ ‚Wie ihr wollt’, sprach Gurmukh Singhs Sohn und verschwand.”
Das musste so ausführlich referiert werden, um einen Eindruck von der Erzählkunst Mantos zu geben und davon, wie sie sich aus ihrem Stoff und ihm zum Trotz rechtfertigt. Die Geschichte ist reich an Spannung und Umschwüngen, sie hebt an mit Furcht, setzt sich fort in Mitleid, erlebt ihre Sekunde des tödlichen Schreckens, dann die Erleichterung, gefolgt von einer großen Rührung, und wenn sich das fatale Ende abzeichnet, hat der erschöpfte Leser kaum mehr Reserven der Anteilnahme übrig.
Sie gibt sich schlicht; aber sie arbeitet mit raffinierten Verschiebungen in ihrer narrativen Ökonomie. Zuletzt kommt es nicht auf die Familie des Mian Abdul Hay an, sondern auf den Sohn des Gurmukh Singh, der in mehr als einer Hinsicht im Hintergrund bleibt. Warum tut er, was er tut? Das wird nicht erklärt; und liegt doch zutage. Die Loyalitäten zerren an ihm; er will dem Auftrag seines Vaters treu bleiben, gleichzeitig aber kann er dem Druck seiner Kommunität nicht ausweichen; und die Resultante der beiden zerreißenden Kräfte ist der Verrat in seiner abgefeimt rechtsförmigen Gestalt. Dieser ist der „Falke” der Erzählung: der einzigartige Vorfall, der tiefen Aufschluss über das große Ganze gibt.
In der letzten Geschichte des schmalen Bandes, „Toba Tekh Singh”, geht es um den geplanten Irren-Austausch zwischen Indien und Pakistan. Zwei, drei Jahre, nachdem sich die beiden Staaten getrennt haben, soll alles auch darin seine Ordnung haben, dass man die muslimischen Irren von Indien nach Pakistan und die hinduistischen Irren von Pakistan nach Indien schafft. Das beunruhigt die Insassen. „Waren sie nun eigentlich in Pakistan oder in Indien? Wenn sie sich in Indien befanden, wo lag dann Pakistan? Wenn sie sich jetzt aber in Pakistan befinden sollten, wie war es dann möglich, dass sie noch vor ganz kurzer Zeit an diesem selben Ort in Indien gelebt hatten?” Eine überaus berechtigte Frage. Ein Irrer klettert auf einen Baum und ruft, er wolle weder nach Pakistan noch nach Indien, er wolle hier, auf diesem Baum bleiben. Als man ihn gewaltsam zum Abtransport herunterholt, „umarmte er mit einer verzweifelten Gebärde seine Hindu- und Sikhfreunde und weinte bitterlich.” Zu den großen historischen Katastrophen gehört es, dass der Starrkrampf, den der Anblick ihrer Gräuel induziert, sich erst zur Erschütterung löst, wenn das Schlimmste vorüber ist und ihm nurmehr die scheinbar belanglose Fußnote folgt.
Mantos Erzählkunst strebt einer noch weiteren Verknappung entgegen, den titelgebenden „Schwarzen Randnotizen”, Anekdoten, Blitzlichtbildern aus der Nacht der langen Messer. „,Tötet meine Tochter nicht vor meinen Augen!’ ‚Na schön, macht mal eine Ausnahme. . . Los, zieht sie aus und treibt sie dort rüber!’” Dieser schauerliche Witz ist vom Treffenden seiner Zuspitzung erfüllt wie ein satter Geier. Der Autor selbst, der gezwungen war, von Bombay nach Lahore umzusiedeln, ertrug es nicht. Er dachte sich einen Grabspruch aus, in dem sich Stolz und Verzweiflung zu einer schneidenden Ironie verbinden: „Hier liegt Saadat Hassan Manto. Mit ihm zusammen sei auch die Kunst der Kurzgeschichte begraben. Hier liegt er und fragt sich noch, ob er nicht bessere Kurzgeschichten geschrieben hat als Gott.” Sadat Hassan Manto starb, noch nicht 43 Jahre alt, 1955, an den Folgen schweren Alkoholmissbrauchs. BURKHARD MÜLLER
SAADAT HASSAN MANTO: Schwarze Notizen. Geschichten der Teilung. Ausgewählt und aus dem Urdu übersetzt von Christina Oesterheld. Mit einem Nachwort von Tariq Ali. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006, 158 Seiten, 12,80 Euro.
Ein Meister der Kurzgeschichte, ein Zeuge des Mordens: Saadat Hassan Manto (1912-1955)
Foto: privat
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„Schwarze Notizen”: Die große, schlichte Erzählkunst des indisch-pakistanischen Schriftstellers Saadat Hassan Manto
Um Mitternacht die Freiheit: Als am 15. August 1947 Punkt null Uhr die beiden neuen Staaten Indien und Pakistan wie mit einem Druck auf den Lichtknopf die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien erlangten, erwies sie sich, was niemand so vorausgesehen hatte, vor allem als die Freiheit, seinen Nachbarn zu ermorden. Niemand weiß, wie viele Muslims in diesen entsetzlichen Wochen von Hindus, wie viele Hindus von Muslims massakriert wurden; doch geht die Zahl in die Millionen. Eisenbahnzüge, die die Flüchtlinge mit der nunmehr falschen Religion ins neue Vaterland bringen sollten, verwandelten sich in rollende Massengräber; die Hunde, so heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, fraßen von den Leichen nur noch die Lebern, und die Geier waren zu fett zum Fliegen.
Wie kann man von diesem Gründungstrauma der beiden verfeindeten Atommächte überhaupt sprechen? Diese Frage, bei uns gern zu dem Aperçu abgebunden, es sei Barbarei, nach Auschwitz noch ein Gedicht zu verfassen, findet bei dem in Urdu schreibenden indisch-pakistanischen Autor Saadat Hassan Manto eine verblüffende Antwort: in Form der Novelle. Das mag auf Anhieb frivol erscheinen, hat aber nach einigem Nachdenken viel für sich. Die Novelle setzt unvermittelt ein, ist kurz, hat zu ihrem Kern die unerwartete Wendung und gibt immer zu denken. All dies trifft jedenfalls auch auf die Haupt- und Nebenblutströme des Massenmords zu.
Acht von den kleinen Seiten der Bibliothek Suhrkamp umfasst „Gurmukh Singhs Vermächtnis”. In Amritsar lebt der pensionierte und verwitwete Richter Mian Abdul Hay – schon der Name weist ihn als Muslim aus, da braucht man ihm gar nicht erst die Hose herunterzuziehen und zu prüfen, ob er beschnitten ist – mit seiner Familie, der halbwüchsigen Tochter Sughra, dem kleinen Sohn Basharat und einem alten, asthmatischen Diener. Sie bewohnen ein dreistöckiges Haus, von dessen Dach sie Ausschau halten und stündlich an den näherrückenden Bränden das Wachsen der Gefahr messen. Fliehen oder nicht? Und wohin? Das erwägt man noch, als den alten Richter plötzlich der Schlag trifft und er sich nicht mehr vom Bett erheben, kaum reden kann. Das Id-Fest naht.
„Es wurde Abend. Sughra und Basharat konnten sich an viele Abende erinnern, wenn alle ganz aufgeregt zum Himmel schauten, um die Mondsichel zu sehen, die den Beginn des Id-Festes ankündigte. Alles hing vom Mond ab. Wie sehnsüchtig sie immer auf den Mond gewartet hatten! Wie sie sich ärgerten, wenn sich ein kleiner Wolkenfetzen über die Stelle schob, an der sie den Mond erwarteten. Und jetzt war der ganze Himmel voller Rauch. Sughra und Basharat stiegen aufs Dach. Auch auf den anderen Dächern waren hie und da Umrisse von Menschen zu erkennen, aber es war nicht klar, ob sie den Mond suchten oder die Feuersbrünste betrachteten, die überall loderten.”
Noch acht Zeilen bis zum Ende
Da klopft es plötzlich an der Haustür. Alle erschrecken; dann erinnert man sich: zum Id-Fest kam immer Gurmukh Singh, ein alter Sikh, um dem Richter ein Säckchen mit Süßigkeiten zu bringen, aus Dankbarkeit, weil der Richter ihm einmal in einer heiklen Sache geholfen hatte. Die Tochter wird an die Tür geschickt. Aber da steht nicht Gurmukh Singh, sondern ein sehr viel jüngerer Sikh. Doch hat er das wohlbekannte Säckchen dabei. Sughra fasst Vertrauen.
Der junge Mann gibt sich als Santokh, der Sohn des Gurmukh Singh, zu erkennen, der gekommen ist, das Vermächtnis seines Vaters zu ehren; der nämlich ist inzwischen verstorben. Das Säckchen wird übergeben, Santokh verabschiedet sich, wir stehen acht Zeilen vor dem Ende, alles scheint sich in Wohlgefallen auflösen zu wollen. Doch nun erfolgt ein rascher finaler Szenenwechsel: Santokh tritt zu einer Gruppe vermummter Männer mit Fackeln. „,Na, was ist, bist du fertig?’ Santokh nickte und sagte: ‚Ja!’ Der Mann lachte unter seiner Vermummung und fragte: ‚Können wir den Richter jetzt kaltmachen?’ ‚Wie ihr wollt’, sprach Gurmukh Singhs Sohn und verschwand.”
Das musste so ausführlich referiert werden, um einen Eindruck von der Erzählkunst Mantos zu geben und davon, wie sie sich aus ihrem Stoff und ihm zum Trotz rechtfertigt. Die Geschichte ist reich an Spannung und Umschwüngen, sie hebt an mit Furcht, setzt sich fort in Mitleid, erlebt ihre Sekunde des tödlichen Schreckens, dann die Erleichterung, gefolgt von einer großen Rührung, und wenn sich das fatale Ende abzeichnet, hat der erschöpfte Leser kaum mehr Reserven der Anteilnahme übrig.
Sie gibt sich schlicht; aber sie arbeitet mit raffinierten Verschiebungen in ihrer narrativen Ökonomie. Zuletzt kommt es nicht auf die Familie des Mian Abdul Hay an, sondern auf den Sohn des Gurmukh Singh, der in mehr als einer Hinsicht im Hintergrund bleibt. Warum tut er, was er tut? Das wird nicht erklärt; und liegt doch zutage. Die Loyalitäten zerren an ihm; er will dem Auftrag seines Vaters treu bleiben, gleichzeitig aber kann er dem Druck seiner Kommunität nicht ausweichen; und die Resultante der beiden zerreißenden Kräfte ist der Verrat in seiner abgefeimt rechtsförmigen Gestalt. Dieser ist der „Falke” der Erzählung: der einzigartige Vorfall, der tiefen Aufschluss über das große Ganze gibt.
In der letzten Geschichte des schmalen Bandes, „Toba Tekh Singh”, geht es um den geplanten Irren-Austausch zwischen Indien und Pakistan. Zwei, drei Jahre, nachdem sich die beiden Staaten getrennt haben, soll alles auch darin seine Ordnung haben, dass man die muslimischen Irren von Indien nach Pakistan und die hinduistischen Irren von Pakistan nach Indien schafft. Das beunruhigt die Insassen. „Waren sie nun eigentlich in Pakistan oder in Indien? Wenn sie sich in Indien befanden, wo lag dann Pakistan? Wenn sie sich jetzt aber in Pakistan befinden sollten, wie war es dann möglich, dass sie noch vor ganz kurzer Zeit an diesem selben Ort in Indien gelebt hatten?” Eine überaus berechtigte Frage. Ein Irrer klettert auf einen Baum und ruft, er wolle weder nach Pakistan noch nach Indien, er wolle hier, auf diesem Baum bleiben. Als man ihn gewaltsam zum Abtransport herunterholt, „umarmte er mit einer verzweifelten Gebärde seine Hindu- und Sikhfreunde und weinte bitterlich.” Zu den großen historischen Katastrophen gehört es, dass der Starrkrampf, den der Anblick ihrer Gräuel induziert, sich erst zur Erschütterung löst, wenn das Schlimmste vorüber ist und ihm nurmehr die scheinbar belanglose Fußnote folgt.
Mantos Erzählkunst strebt einer noch weiteren Verknappung entgegen, den titelgebenden „Schwarzen Randnotizen”, Anekdoten, Blitzlichtbildern aus der Nacht der langen Messer. „,Tötet meine Tochter nicht vor meinen Augen!’ ‚Na schön, macht mal eine Ausnahme. . . Los, zieht sie aus und treibt sie dort rüber!’” Dieser schauerliche Witz ist vom Treffenden seiner Zuspitzung erfüllt wie ein satter Geier. Der Autor selbst, der gezwungen war, von Bombay nach Lahore umzusiedeln, ertrug es nicht. Er dachte sich einen Grabspruch aus, in dem sich Stolz und Verzweiflung zu einer schneidenden Ironie verbinden: „Hier liegt Saadat Hassan Manto. Mit ihm zusammen sei auch die Kunst der Kurzgeschichte begraben. Hier liegt er und fragt sich noch, ob er nicht bessere Kurzgeschichten geschrieben hat als Gott.” Sadat Hassan Manto starb, noch nicht 43 Jahre alt, 1955, an den Folgen schweren Alkoholmissbrauchs. BURKHARD MÜLLER
SAADAT HASSAN MANTO: Schwarze Notizen. Geschichten der Teilung. Ausgewählt und aus dem Urdu übersetzt von Christina Oesterheld. Mit einem Nachwort von Tariq Ali. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006, 158 Seiten, 12,80 Euro.
Ein Meister der Kurzgeschichte, ein Zeuge des Mordens: Saadat Hassan Manto (1912-1955)
Foto: privat
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Burkhard Müller ist außerordentlich beeindruckt von den großartigen Novellen des indisch-pakistanischen Schriftstellers Saadat Hassan Manto, dessen Thema seinen Informationen zufolge das Trauma der Teilung des indischen Subkontinents in einen hinduistischen und einen muslimischen Staat ist. Damit scheint dieser Autor auf frappierende Weise sowohl formal wie auch inhaltlich "Haupt- und Nebenblutströme" dieser Katastrophe der späten vierziger Jahre abzubilden. Gerade in ihrer Kürze und unprätenziösen Skizzenhaftigkeit liegt für den Rezensenten die Größe dieser Texte. Die Beschreibung des Mordens, lodernder Feuerbrünste und Aasgeier, die von den gefledderten Leichen der Ermordeten zu fett zum Fliegen geworden waren, ist Müller zufolge aber nur auf den ersten Blick schlicht gehalten. Beim näheren Hinsehen erkennt er eine ausgeklügelte erzählerische Ökonomie, raffinierte Verschiebungen, messerscharfe Formulierungen und Beschreibungen, sowie einen "schauerlichen Witz".
© Perlentaucher Medien GmbH
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