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Eine junge Frau reist in den Ural, nach Magnitogorsk, diese auf dem Reißbrett entstandene Stadt der Superlative, die auf zwei Erdteilen liegt. In der ehemals verbotenen Zone steht das weltweit größte metallurgische Kombinat, einst Prestigeobjekt Stalins. Für unbestimmte Zeit besucht sie ihren Vater, der hier als Ingenieur eine Industrieanlage errichtet. Er hat sich verändert, seine Tochter spürt das sofort. Es herrscht lähmender Stillstand auf der Baustelle, die Isolation der kleinen Gruppe deutscher Spezialisten, die vom ewigen Schnee bedeckte Weite und Eintönigkeit der Landschaft nagen an…mehr

Produktbeschreibung
Eine junge Frau reist in den Ural, nach Magnitogorsk, diese auf dem Reißbrett entstandene Stadt der Superlative, die auf zwei Erdteilen liegt. In der ehemals verbotenen Zone steht das weltweit größte metallurgische Kombinat, einst Prestigeobjekt Stalins. Für unbestimmte Zeit besucht sie ihren Vater, der hier als Ingenieur eine Industrieanlage errichtet. Er hat sich verändert, seine Tochter spürt das sofort. Es herrscht lähmender Stillstand auf der Baustelle, die Isolation der kleinen Gruppe deutscher Spezialisten, die vom ewigen Schnee bedeckte Weite und Eintönigkeit der Landschaft nagen an den Nerven. Die gigantischen Fabriken und grauen Wohnanlagen auf verseuchtem Boden kontrastieren mit dem Existenzwillen der Menschen, erzeugen ein permanentes Gefühl von Unwirklichkeit und Machtlosigkeit, das Denken und Fühlen beherrscht. Alte Wunden brechen auf: Am Ort der ehemaligen Waffenproduktion des Zweiten Weltkriegs kann die Vergangenheit nicht ruhen. Die einen betrinken sich oder lenke
n sich mit russischen Frauen ab, andere wiederum verschwinden spurlos. Auch die junge Frau fängt eine Beziehung an, zuerst flüchtig, fast bewußtlos. Rußland ist nicht nur eine emotionelle, sondern eine metaphysische Herausforderung, der sie sich stellen muß. Sie spürt, daß ihr Leben in dieser feindlichen Umgebung eine neue Bedeutung erhält.
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Autorenporträt
Marion Poschmann wurde 1969 in Essen geboren und lebt in Berlin. Sie wurde u.a. mit dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis, dem Förderpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft und dem Literaturpreis Ruhrgebiet ausgezeichnet. Ihr vielbeachteter »Schwarzweißroman« war in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorabgedruckt und für den Deutschen Buchpreis nominiert. In der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen ihre Romane »Baden bei Gewitter« (2002), »Schwarzweißroman« sowie der Gedichtband »Grund zu Schafen« (2004).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2005

Junge Hoffnungen

ES WURDE ZEIT, daß die junge deutsche Literatur sich der sozialen Wirklichkeit zuwendet. Die Leipziger Autorin Claudia Klischat (geboren 1970) hat in diesem Frühjahr mit ihrem Romandebüt auf radikale Weise versucht, die Abgründe der Gesellschaft auszuleuchten. Ihr virtuos komponiertes Triptychon erzählt aus drei verschiedenen Perspektiven eine tragische Geschichte von Mißbrauch und Traumatisierung - ein mitreißender Bewußtseinsstrom aus der Vorstadthölle. In ein ganz anderes Milieu führt das Debüt des 1976 in Pinneberg geborenen Arztes Jens Petersen. Er erzählt, psychologisch überzeugend, eine Vater-Sohn-Geschichte, in der die Leere nach dem Tod der Mutter von einer polnischen Haushaltshilfe etwas zu handgreiflich ausgefüllt wird - ein leiser, melancholischer Adoleszenzroman. In Marion Poschmanns "Schwarzweißroman" reist eine junge Studentin zu ihrem Vater, der im unwirtlichen Magnitogorsk als Ingenieur arbeitet. Der zweite Roman der jungen, vor allem als Lyrikerin bekannt gewordenen Autorin verbindet die Erfahrung der Fremde mit einer Reflexion über Individualität in der Moderne und zeigt, wie der einzelne im Kraftfeld anonymer Strukturen zu verschwinden droht.

rik.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2005

Die Erlösung durch das schwarze Quadrat
Ein Russland aus Rechtecken, Würfeln und Platten: Marion Poschmanns düsterer „Schwarzweißroman”
Wer um die Mitte der neunziger Jahre eine Reise nach Russland unternahm, der musste sich offenbar warm anziehen, und zwar nicht nur aus klimatischen Gründen. Schon auf den Inlandsflügen fing das Elend an, mit grauem Plastikgeschirr, salzigem Mineralwasser, synthetischen Kopfstützenbezügen und Sitznachbarn, die einem viel zu dicht auf die Pelle rückten. „Ich erinnerte mich an die Betonung der Gemeinschaft in den sozialistischen Ländern, an die Abkehr vom Individuellen”, notiert die Reisende so angeekelt wie altklug. Marion Poschmann, 1969 in Essen geboren und eine der Hoffnungsträgerinnen jüngerer deutschsprachiger Lyrik, war damals im wirklichen Leben unterwegs zu ihrem Vater, der in Magnitogorsk am Uralfluss als Ingenieur im größten Stahlwerk der Welt arbeitete. Der aus jener Expedition hervorgegangene „Schwarzweißroman”, eine Mischung aus Reisereportage und poetischer Fantasie, malt die russische Alltagswelt in den düstersten Farben, wirkt aber in seiner großen Geste, seinem hochfahrenden Kunstwillen wie infiziert von den Dimensionen der beschriebenen Landschaft und vom Gigantismus der noch allgegenwärtigen kommunistischen Utopie.
Eine junge Dame aus dem Ruhrgebiet, im Niemandsland zwischen Studium und Beruf gestrandet und mit der vagen Vorstellung im Kopf, sich durch Auslandsaufenthalte so etwas wie eine „Intellektuellenbiographie” zu verschaffen, gerät zur Winterzeit in ein metallurgisches Kombinat aus der Stalin-Ära und erlebt dort nicht etwa Überraschendes, sondern die Erfüllung sämtlicher Klischees von den Schrecken des Ostblocks. Monströse Industriearchitektur, qualmende Schlote, stockende Produktionsabläufe. Monotone Plattenbauten, unregulierbare Heizkörper, radioaktiv verseuchte Milch. Warteschlangen vor den Läden, fellbemützte Menschen, die sich „mechanisch” über den Bürgersteig bewegen, Geruch nach Desinfektionsmitteln, „aus den Kehlen Knoblauch und Menthol”.
Die Besucherin aus dem Westen trägt einen roten Wollmantel mit Pelzkragen, „ein hochwertiges Stück”, und beobachtet sich selbst bei ihren dekorativen Streifzügen durch das winterliche Weiß: „Ein roter Mantel wanderte durch den Schnee. Er wanderte die Magistrale entlang, er bewegte sich vorwärts wie ein Blutstropfen.” Die Trägerin des roten Mantels zieht sternförmige Spuren über einen riesigen Platz, „in Russland sind die Plätze ungeheuer”, und setzt sich nicht ohne Koketterie den misstrauischen Blicken der Passanten aus: „Heimliche Landstreicherin, Kindsmörderin, Kennerin der schwarzen Künste, dieser Person traute man zu, dass sie sich am Rand des Platzes in die Luft erhob.”
Der Hang zum modischen Märchen- und Hexenton ist unverkennbar, ebenso wie eine Egomanie, die einer gerechteren Wahrnehmung des Anderen, Fremden den Weg verstellt. Leider wird nicht deutlich, ob Marion Poschmann mit dieser Selbstbezogenheit ein ironisches Spiel treiben möchte oder ob sie aus ihr einfach nicht heraus kann. So wie die Crux des Romans überhaupt darin besteht, dass die Trennung zwischen autobiographischem Erlebnisbericht und literarischer Erzählung nicht klar vollzogen wird, dass die Autorin von der Heldin letztlich nicht zu unterscheiden ist - trotz etwas unbeholfener Objektivierungsversuche, die mit „Es war einmal” beginnen, und trotz jener sprachlich ehrgeizigen Höhenflüge, bei denen das Ich aus seinen Grenzen tritt und sich in die kosmische Perspektive aufschwingt.
In einer dieser Traumvisionen fliegt die Erzählerin in großer Höhe über ein Russland, das nur aus Rechtecken, Würfeln und Platten besteht: „Ich selbst schwebte auf einem Quadrat, das sich unter meinen Füßen in der Luft hielt und sich dann wie ein Fahrstuhl senkte. Weitere Quadrate bauten sich scheppernd um mich herum, bis ich in einem eisernen Container stand. Der Fußboden dieses Containers war schachbrettartig mit schwarzen und weißen Fliesen belegt. Diese Fliesen verschoben sich zu gleichfarbigen Reihen, bis die Fläche in eine schwarze und eine weiße Hälfte geteilt war. Nur das Stück, auf dem ich mich befand, war ausgespart geblieben, hier öffnete sich eine quadratische Lücke, in die ich langsam hineinsank, ich, ein schwarzer Vierkantbalken, der an der Stelle, wo meine Schädeldecke sein musste, einrastete und die Lücke nahtlos schloss.”
An dieser Stelle tritt die höhere Ambition des „Schwarzweißromans” zutage, seine kunstphilosophische Verankerung. Die Anspielung auf Kasimir Malewitschs „Schwarzes Quadrat” soll, im Verein mit dem als Motto vorangestellten Zitat von El Lissitzky über die „Reinheit der kollektiven Kraft” im Schwarz und im Weiß, die Utopien der konstruktivistischen Avantgarde ins Gedächtnis rufen und die russischen Szenerien der Neuzeit in den Zusammenhang jenes monochromen, gegen alle subjektivistischen Farbschattierungen gerichteten Erlösungswillens stellen. Das Motiv der Auflösung des Subjekts, des Ichverlusts im Schwarz der Nacht oder im Weiß endloser Schneelandschaften durchzieht den Roman nach einem ausgeklügelten geometrischen Arrangement. Was fehlt, ist freilich die Stille, die Leere, die Reduktion auf das Äußerste und Wesentliche, die jener Kunstrichtung eignete. Hier ist jede Lücke redselig ausgefüllt mit mal mehr, mal weniger originellen Beschreibungen und Reflexionen, symbolistisch aufgeladenen Naturschilderungen, lyrischen Einschüben und erotischen Szenen von unfreiwillig groteskem Pathos: Der Brutalo-Sex in der Besenkammer, bei dem die Heldin ihrem herrischen Geliebten einen Putzeimer über den Kopf stülpt, ist offenkundig nicht zum Lachen gedacht - wie ohnehin jede potentielle Komik von Ostblock-Depressivität erstickt wird.
So kommt es, dass auch das an sich gelungene Porträt eines deutschen Biedermanns in russischer Verbannung, die Geschichte von Theo Cziczinski und seiner Frau Erika, im dumpfigen Gesamtmilieu untergeht. Wie andererseits die Geschichte des krebskranken Pianisten Konstantin und seiner kräutersammelnden Großmutter kaum zu rühren vermag, da alles wie kontaminiert scheint vom feindseligen Blick der Erzählerin. Bis es dann mitten hineingeht in die Todeszone: Vater und Tochter machen einen Ausflug in den Sperrbezirk eines stillgelegten Atomkraftwerks. Im Schlusskapitel immerhin erreicht Marion Poschmann das Niveau, dem sie ihren Ruf als Lyrikerin verdankt. Ansonsten bleibt als Grundfarbe des Romans weder Schwarz noch Weiß in Erinnerung, sondern ein tristes Grau.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
MARION POSCHMANN: Schwarzweißroman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2005. 320 Seiten, 19,90 Euro.
Stalins Stolz: Das Stahlwerk in Magnitogorsk
Foto: Gerd Ludwig / Visum
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Friedmar Apel ist sichtlich beeindruckt von der überlegenen Sprachkraft und dem eigenartigen Humor der Autorin. Statt wie die älteren russischen Autoren die Weite des Raums zu betonen, unterwirft sie ihn mit Malewitsch und El Lissitzky im Kopf zu einer "geometrischen Ordnung". Worum gehts? Die deutsche Erzählerin des Romans reist in eine entlegene russische Industriestadt, wo ihr Vater als Elektroingenieur am Bau eines Industriekomplexes mitarbeitet. Mit einem an der suprematistischen Malerei geschulten Blick beschreibe Marion Poschmann nun die Arbeiten und eine zunehmende "Diktatur der Dinge" auf dem Bau, die Apel zu einer wachsenden Selbstentfremdung und schließlich zur "Depersonalisierung" der Erzählerin führen sieht. Seltsamerweise schärft dieser Zustand ihre Beobachtungsgabe, wenn auch eher ins Surrealistische, etwa wenn sich "ein roter Mantel durch Magnitogorsk" bewegt. Poschmanns Roman mag großartig sein, aber Apel verhebt sich in seiner Rezension ein wenig: Wenn der Roman "die menschliche Ohnmacht den Dingen gegenüber an ihnen selbst erscheinen" lässt, steigt der Leser aus. Dennoch wirkt die Begeisterung von Apels Rezension ansteckend.


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