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Das Schwein allein bleibt zurück, im Sommer als Dannys Großmutter stirbt und Großvater ins Altersheim muß. Danny beschließt, es zu füttern und zu versorgen und so vor dem Schlachthaus zu retten. Täglich macht er sich zum verlassenen Haus beim stillgelegten Stahlwerk auf, wo er sich heimlich mit seiner indischen Freundin Surinder trifft. Gemeinsam verbringen sie dort lange Tage in ihrer eigenen Welt, lieben sich und versuchen, dem wuchernden Unkraut im bunten Garten Herr zu werden, während ihr Schwein sich zufrieden suhlt.Doch nur kurz bringt das Schwein Farbe ins graue Industriestadtleben.…mehr

Produktbeschreibung
Das Schwein allein bleibt zurück, im Sommer als Dannys Großmutter stirbt und Großvater ins Altersheim muß. Danny beschließt, es zu füttern und zu versorgen und so vor dem Schlachthaus zu retten. Täglich macht er sich zum verlassenen Haus beim stillgelegten Stahlwerk auf, wo er sich heimlich mit seiner indischen Freundin Surinder trifft. Gemeinsam verbringen sie dort lange Tage in ihrer eigenen Welt, lieben sich und versuchen, dem wuchernden Unkraut im bunten Garten Herr zu werden, während ihr Schwein sich zufrieden suhlt.Doch nur kurz bringt das Schwein Farbe ins graue Industriestadtleben. Denn in der Siedlung, wo Danny und Surinder wohnen, mehren sich die fremdenfeindlichen Parolen. Und die Eltern schmieden eifrig Heiratspläne für Surinder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.1997

Summt die Fliege auf dem Mist
Zeigen, was ist: Andrew Cowans schöner Debütroman "Schwein"

Danach befragt, was er mit dem Roman "Madame Bovary" bezweckt habe, soll Flaubert dem etwas irritierten Kulturjournalisten geantwortet haben: Er habe den Eindruck beschreiben wollen, den er beim Anblick abblätternder Farbschichten an einer von Salpeter zerfressenen Pissoirwand hatte. Diese Auskunft ist nur scheinbar kokett. Tatsächlich faßt sie sehr exakt ein poetisches Anliegen zusammen, nach dem Sujet und literarische Intention als voneinander getrennt behandelt werden: Eine Geschichte wird nur erzählt, um Anlässe zur Beschreibung zu liefern und damit zur Stilisierung von Realität: einer Empfindung, eines Geruchs oder einer Temperatur. Gewiß wurden diese Vorstellungen von der Praxis des Schreibens stets - und zum Glück für die Literatur - unterlaufen. Flaubert klagte beharrlich über ein Zuviel an Inhalt und erzählter Geschichte, die er dem Text am liebsten verweigert hätte.

Der junge englische Schriftsteller Andrew Cowan klagt nicht wie Flaubert, aber er könnte ähnlich wie dieser sagen: Ich wollte beschreiben, wie Schweinemist stinkt. Schweinekot zirkuliert hier im ganzen Buch. Er ist der symbolische Ausdruck für eine Gesellschaft, in der Menschen überflüssig werden. Ein Schwein, mit dem Namen der Großmutter Agnes geheißen, ist der vom Enkel Danny liebevoll behandelte Hauptheld der Geschichte. Das Schwein wird zum Wappentier einer in Illusionslosigkeit dahinlebenden Generation, zur Metapher für nicht näher bestimmbare Sehnsüchte.

Danny, die Erzählfigur des Romans, ist Schüler einer heruntergekommenen Schule in einer englischen Provinzstadt. Am Ort herrschen Arbeitslosigkeit, Armut und Tristesse. Die Leute erwarten nichts mehr und reagieren mit Aggressionen, die in stumpfen Rassismus münden. Surinder, Dannys Freundin indischer Abstammung und salopp als "Paki" bezeichnet, wird Opfer von Feindseligkeiten und Ressentiments. Als das Stahlwerk geschlossen und die Betriebsanlage an Spekulanten verkauft wird, spitzen sich die Konflikte zu. Dann stirbt die Großmutter, soll der Großvater in ein Heim, übernimmt Danny die Aufzucht des den Großeltern gehörenden Schweines und plant, die Schule hinzuwerfen und Schweinezucht zu betreiben.

Immer wieder spiegeln sich die kleinen, familiären Geschehnisse in den Augen des Tieres. Daneben wird die anrührende Liebesgeschichte zwischen Danny und Surinder erzählt. Als Surinder Danny verläßt, um in der Ferne einen Beruf zu erlernen, laufen die Erzählstränge zusammen. Danny sticht das Schwein ab, und in Gedanken ist er bei Surinder: "Ich konnte das Blut riechen, das durch meine Jeans gesickert war, spürte, wie es an meinen Beinen trocknete. Das Schwein lag noch im Verschlag, daneben das Messer im Gras. Am Morgen würde ich ein Loch dafür graben, weg vom Kompost, vom Rattennest, vielleicht unter den Bäumen. Ich blickte hinab, zerrte Surinders Reif über meine Hand. Er riß mir meine Haut auf, als er über den Daumen ging, und ich fluchte, biß die Zähne zusammen." Unaufdringlich berühren hier konkrete Szene und metaphorische Bedeutung einander, das Ende einer Freundschaft verschmilzt mit dem Verlust letzter Hoffnungen, ohne daß die Kamera geschwenkt und das Bild verlassen würde.

Cowan hat nicht mehr zu erzählen als das, was ihn umgibt: öde Tagesabläufe, Wiederholungen ohne nennenswerte Höhen und Tiefen, Erwartungen und Enttäuschung. Und ihm gelingt, was literarisch eine Herausforderung ist: Ereignislosigkeit zu beschreiben. Daß sein Debüt keine jener vielen naiven Pennälerschriften geworden ist, wenngleich es deren Tonlage imitiert, verdankt sich noch nicht allein der gelungenen Konstruktion. Beobachtungsgabe und Genauigkeit im Detail lassen die Sprache poetisch werden und halten sie frei von Manierismen und Prätention. Kein Bild, keine Beschreibung, die nicht bis in ihre Einzelheiten hinein atmosphärisch stimmig wäre. Das Summen einer Fliege auf dem abgeworfenen Mist eines Schweines wird zum Ereignis, wo es nichts anderes sonst mehr mitzuteilen gibt. So können nur Talente erzählen. KURT DRAWERT

Andrew Cowan: "Schwein". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Elke Schönfeld. Haffmans Verlag, Zürich 1997. 283 S., geb., 36,- DM.

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