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  • Verlag: Schulthess
  • ISBN-13: 9783725538102
  • Artikelnr.: 27180558
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2012

Beständige Aufwertung
Ernst Baltensperger beleuchtet die Geschichte des Frankens

Kleines Land, hohe Berge, starke Währung - so lautet die Kürzestbeschreibung der Schweiz. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der amerikanische Dollar noch vier Franken wert. Heute ist es weniger als ein Viertel. Seit langem gilt der Franken als "sicherer Hafen" und in diesen stürmischen Zeiten in Europa mehr denn je. Aber der Anfang dieser Währungsgeschichte war weit weniger spektakulär, ja von vielen Unsicherheiten überschattet.

Das napoleonische Frankreich verordnete den Eidgenossen 1798 erstmals eine nationale Währung. Diese zerfiel bald wieder und feierte erst 1850 als "neuer Schweizer Franken" ihre Wiedergeburt. Von Feierlaune konnte indes nicht die Rede sein. Die Währung blieb in den ersten 50 Jahren ein Anhängsel des französischen Franc mit ausgeprägten Schwächetendenzen.

Welch ein Unterschied zum Franken von heute, der gegenüber dem Euro mit hoheitlichen Eingriffen bei einem Mindestkurs gehalten werden muss. All dies ist nachzulesen in dem verdienstvollen Buch des emeritierten Professors und bekannten Schweizer Geldtheoretikers Ernst Baltensperger. Die von ihm ausgebreitete "Erfolgsgeschichte" liest auch der Laie mit Gewinn, zusätzlich erleichtert durch ein Glossar wichtiger Begriffe in der Währungspolitik. Wer will, kann sogar in verschiedene Währungsordnungen einschließlich Friedrich von Hayeks Kritik am Notenbankmonopol eintauchen. Im Zentrum steht aber die Entwicklung einer der härtesten Währungen der Welt.

Die Etablierung des Frankens blieb lange Stückwerk. Erst im Jahre 1881 schlug das Banknotengesetz die entscheidenden Schneisen in den Wirrwarr der 50 Banken im Land, die Banknoten emittieren durften, und es sollte nach der Gründung des Bundesstaates nahezu 60 Jahre dauern, ehe 1907 die Schweizerische Nationalbank (SNB) als zentraler Geldversorger entstand. In den nachfolgenden Jahrzehnten musste sich die Nationalbank immer wieder mit Aufwertungstendenzen des Frankens auseinandersetzen. Länger als andere Notenbanken hielt sie in der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre an ihrem Goldstandard eisern fest und verschlimmerte die Arbeitslosigkeit im Land.

Umso aufsehenerregender war daher im Jahre 1936 die Abwertung gegenüber dem Gold um 30 Prozent. Im System fester Wechselkurse von Bretton Woods (1944) musste die Nationalbank von 1971 an kräftig Dollar kaufen, um das Austauschverhältnis zu halten. Geldmengenausweitung und Inflationsbeschleunigung waren die zwangsläufigen Folgen, bis 1973 das System fester Wechselkurse zusammenbrach. Wenige Jahre später zog der Franken gegenüber der D-Mark davon. Die Reaktion klingt bekannt: Wegen der Rezession im Land zog die Nationalbank 1978 eine Mindestgrenze von 80 Franken je 100 D-Mark - mit nicht nur positiven Folgen. Als sich die Lage beruhigte, schöpfte die SNB die entstandene Überschussliquidität zu zögerlich ab, so dass die Inflation bis 1981 auf gut sieben Prozent schoss.

Und heute? Im Sog der Schuldenkrise ist der Franken "unter einen immensen Aufwertungsdruck gekommen", konstatiert Baltensperger. Im September 2011 zog die Nationalbank die Kursgrenze zum Euro bei 1,20; umfangreiche Devisenkäufe folgten im Jahr danach. Der Autor äußert sich nicht im Detail zu dem Beschluss, sondern stellt ihn in den allgemeinen Rahmen der aktuell leichten Geldpolitik von Notenbanken rund um die Welt mit ihrem hohen Inflationspotential.

In zwei anderen Punkten äußert er sich aber klar. Notenbanken müssen das allgemeine Preisniveau kontrollieren. "Vermögenspreise, gemessen etwa an einem Index der Aktienpreise oder der Immobilienbewertungen, gehören nicht zu den finalen Zielen der Geldpolitik", schreibt Baltensperger. Zugleich warnt er vor einer Überforderung der Zentralbanken in der Bankenaufsicht. Er hält das Doppelmandat aus Sicherung der Geldwertstabilität und Bankenregulierung grundsätzlich für gefährlich, da Letztere politischer Einflussnahme Tür und Tor öffne. Noch mehr gilt dies nach Baltenspergers Ansicht, wenn Notenbanken bei der Staatsfinanzierung helfen. Nicht nur die Schweizer Notenbank, auch deutsche Bundesbanker würden solche Sätze ohne Zögern unterschreiben.

JÜRGEN DUNSCH.

Ernst Baltensperger: Der Schweizer Franken. Eine Erfolgsgeschichte.

Verlag NZZ Libro, Zürich 2012, 320 Seiten, 42 Euro.

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