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Helga Hirsch arbeitet als Filmemacherin, Buchautorin und seit 1985 als freie Journalistin. Nach ihrem Studium der Germanistik und Politologie an der FU Berlin promovierte Helga Hirsch (Jg. 1948) über die polnische Opposition der Jahre 1976 bis 1980. Von 1988 bis 1994 war sie Korrespondentin der ZEIT in Warschau.2001 wurde sie mit dem Deutsch-Polnischen Journalistenpreis ausgezeichnet; 2005 erhielt sie den Latücht-Preis für ihren Dokumentarfilm 'Coffee Beans For a Life'. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher und Filme zu deutsch-polnischen Themen.

Produktbeschreibung
Helga Hirsch arbeitet als Filmemacherin, Buchautorin und seit 1985 als freie Journalistin. Nach ihrem Studium der Germanistik und Politologie an der FU Berlin promovierte Helga Hirsch (Jg. 1948) über die polnische Opposition der Jahre 1976 bis 1980. Von 1988 bis 1994 war sie Korrespondentin der ZEIT in Warschau.2001 wurde sie mit dem Deutsch-Polnischen Journalistenpreis ausgezeichnet; 2005 erhielt sie den Latücht-Preis für ihren Dokumentarfilm 'Coffee Beans For a Life'. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher und Filme zu deutsch-polnischen Themen.
Autorenporträt
Helga Hirsch arbeitet als Filmemacherin, Buchautorin und seit 1985 als freie Journalistin. Nach ihrem Studium der Germanistik und Politologie an der FU Berlin promovierte Helga Hirsch (Jg. 1948) über die polnische Opposition der Jahre 1976 bis 1980. Von 1988 bis 1994 war sie Korrespondentin der ZEIT in Warschau. 2001 wurde sie mit dem Deutsch-Polnischen Journalistenpreis ausgezeichnet; 2005 erhielt sie den Latücht-Preis für ihren Dokumentarfilm 'Coffee Beans For a Life'. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher und Filme zu deutsch-polnischen Themen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2005

"Mädchen, sei still"
Kriegskinder mit schwerem Erinnerungsgepäck

Helga Hirsch: Schweres Gepäck. Flucht und Vertreibung als Lebensthema. Edition Koerber-Stiftung. Hamburg 2004. 257 Seiten, 14,- [Euro].

Auf Seite 21 sehen wir in die ausdrucksvollen Gesichter dreier Frauen jenseits der Fünfzig: Christel und Dagmar, die beiden älteren, sind Töchter eines kurz vor Kriegsende gefallenen Vaters und einer Mutter, die ihre ganze Kraft verzehrte, als sie sich und ihre Kinder aus der Lodscher Gegend nach Niedersachsen rettete. Astrid ist die Frucht einer neuen Beziehung der Mutter, die schon zerbrochen war, als sie zur Welt kam. In Erinnerungen an ihre inzwischen verstorbene Mutter reflektieren die drei Frauen, wie die körperliche und seelische Überforderung einer alleinstehenden Frau mit drei Kindern auch ihr Leben verformt hat. Helga Hirsch hat ihre Gespräche mit den drei Frauen zu einer eindringlichen Familiensaga verdichtet, die ganz ohne Dramatik auskommt und dennoch deutlich macht, daß sich das Drama der Vertreibung nicht "biologisch erledigt", sondern fortwirkt in Kindern und Kindeskindern, die auf ganz unterschiedliche Weise in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Die Autorin versammelt in ihrem Buch sechs Familiengeschichen. Im Zeitraffer läßt sie die lebenslange Auseinandersetzung eines in der DDR aufwachsenden Lodscher Fabrikantensohns mit seinem Vater vorbeiziehen: wie seine eigene Annäherung an die nun polnische Heimat ihn zuerst vom Vater entfremdete und die späte Wiederannäherung an den Vater ihn zum Einzelgänger in der DDR werden ließ. Die Tochter eines Baltendeutschen war noch kaum zwei Jahre alt, als ihre Eltern Hitlers Umsiedlungsbefehl folgen und Reval verlassen mußten. Noch heute träumt sie bisweilen von Zwangsräumungen. Anhand alter Fotos und Tagebuchnotizen ihres Vaters erzählt sie in einem Briefwechsel mit der Autorin, seltsam distanziert, die Stationen der zehn Jahre dauernden Odyssee, die dem ersten Abschied folgte. Während ihre Familie immerhin vollzählig die Wirren überstand, wurde die siebenköpfige pommersche Bauernfamilie Klawitter am Ende des Kriegs auseinandergerissen. Von den fünf Kindern fanden nur zwei Brüder wieder in Deutschland zueinander, den dritten machte die Autorin bei Posen ausfindig. Alle drei sind von den Erlebnissen beim Einmarsch der Russen so traumatisiert, daß sie jegliche Erinnerung an ihre Kindheit verloren haben und sich bis heute nicht einmal einig darüber sind, ob ihre Mutter Deutsche oder Polin war und ob sie 1945 an Krebs gestorben ist oder von russischen Soldaten umgebracht wurde.

Diese und weitere Geschichten breitet Frau Hirsch nicht aus, um der Dokumentation der Vertreibung aus den fünfziger Jahren ein paar weitere Kapitel hinzuzufügen. Dazu eignen sie sich schon deshalb nicht, weil es in ihnen weniger um das Vertreibungsgeschehen selbst als um dessen Nachwirkungen geht. Sie sind vielmehr Fallbeispiele, mit denen die Autorin ihre eigenen Erfahrungen in einen breiteren Zusammenhang stellt. "Mädchen, sei still", pflegte ihr Vater zu sagen, wenn sie ihn als Kind nach seiner Heimat Breslau fragte. Bis zu seinem Tod hat er nicht darüber sprechen können. Die typische Reaktion ihrer Generation - Nachkriegskinder und spätere Achtundsechziger - war die, das Schweigen der Eltern als Eingeständnis von Schuld zu werten und sich durch eine abstrakte Identifikation mit den Opfern davon abzusetzen. Doch der Wechsel "auf die Seite der Guten" befreite diese Alterskohorte nicht von dem Erbe, das sie ausgeschlagen hatte. Es stand unausgepackt in der Ecke und wartete darauf, einer Musterung unterzogen zu werden.

Es gab viele Gründe, dieses "schwere Gepäck" nicht anzurühren: Scham, der Wunsch zu vergessen und ein gesellschaftliches Umfeld, das so sehr davon absorbiert war, sich der Verantwortung für nationalsozialistisches Unrecht zu stellen, daß es nicht länger mit eigenen Leidensgeschichten behelligt werden wollte. Viele der zwölf Millionen Vertriebenen bezahlten ihre "Integration" mit Verdrängung. An ihren Kindern, die den Verlust von Heimat nur unbewußt erlebten, ging diese Erfahrung nicht spurlos vorbei.

Die Scheu davor, in die Nähe eines Geschichtsrevisionismus zu geraten, habe die Deutschen zu lang daran gehindert, sich mit dem Leid der eigenen Nation ebenso mitfühlend auseinanderzusetzen wie mit dem, das ihre Vorfahren anderen angetan hatten. Für die Nachlebenden sei es bequem gewesen, sich im gängigen Schema von Verbrechen und Strafe einzurichten und widerstreitende Gefühle nicht an sich heranzulassen. Die einen habe das krank gemacht, die anderen gleichgültig. Dieser geistigen Bequemlichkeit setzt die Autorin Lebensgeschichten entgegen, die uns "die Begrenztheit eindimensionaler Geschichtsbilder zeigen". Weniger überzeugend ist ihr Versuch, diese völlig disparaten Einzelschicksale wiederum zu einer Opfergruppe der Kriegskinder zusammenzubinden. Doch auch wer Hirschs Ausführungen über kollektive psychische Spätfolgen von Vertreibung nicht folgen mag, kommt nicht an der Einsicht vorbei, daß Geschichte nicht einfach vergeht, sondern sogar in denen weiterwirkt, die sie nicht bewußt erlebt haben.

STEFAN DIETRICH

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Trotz einiger kritischer Anmerkungen nimmt der "Jdl" zeichnende Rezensent diesen Band von Helga Hirsch äußerst positiv auf. Die Autorin habe sich des Schicksals von sechs deutschen Familien angenommen und beschäftige sich mit den Problemen und Nachwirkungen von Flucht und Vertreibung, in ihrem "äußerst instruktiven Nachwort" auch mit den psychologischen und politischen Aspekten dieser Schicksale. Obwohl Hirsch bei den Familienbiografien derart viel Einfühlung an den Tag lege, dass es teilweise zulasten der notwendigen Distanz gehe, schaffe sie es, ihr Anliegen klar zu vermitteln: dass nämlich das "Recht auf Erinnerung" ungeteilt gelten müsse.

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