Waltraut Becktepe war 84 und topfit, als ein Auto sie totfuhr. Ursula, ihre Schwester, ahnt: Das wollte Walli so. An Wallis Grab glaubt Uschi noch, dass die Schwestern alles voneinander wussten, alles miteinander teilten, ihr Leben lang. Sie flohen als junge Frauen aus Hinterpommern und landeten in einer Universitätsstadt an der Ostsee. Das Leben in der DDR machte sie zu gestandenen Persönlichkeiten. Waltraut errang den Ruf einer mitunter aufmüpfigen Lokalreporterin der Zeitung einer Blockpartei. Ursula brachte es zur Hauptbuchhalterin und trat der SED bei. Ihr Chef ließ sich eilig versetzen, als sie schwanger von ihm wurde. Uschi zog den Sohn mit Waltrauts Hilfe auf. Wallis Status als Tommis "Papatante" war ein schwelender Dissens zwischen den Schwestern. Auch Walli war einmal schwanger, ein Russe, hieß es. Im Mai 1945, kurz nach ihrer Ankunft im ostdeutschen Habichtsburg, unterzog sie sich einem Abbruch. Eine junge Journalistin will Anfang der 1990-er Jahre Waltraut als Zeugin der Massenabtreibungen nach dem Krieg gewinnen - aber Walli beschließt: "Diese Geschichte erzähle ich!" Sie hinterlässt Berge von Papier, durch die sich Uschi arbeitet. Sie erkennt, dass ihre Schwester einen Roman geschrieben hat, dessen Dreh- und Angelpunkt ein Satz ist: "Der Russe war es nicht!" Der Russe war nicht der Vater des getöteten Fötus`? Wer war es dann? Uschi muss Wallis Geheimnis finden, ihren Roman. Als sie das Manuskript in den Händen hält, verbrennt sie es. Aber der Stoff ist schon in der Welt. Tommi begegnet seiner jungen Tante Waltraut im Kino. Uschi erlebt diese Schmach nicht mehr; und der Verleger, der Waltrauts Roman einst als Plagiat abwies, hat das NachsehenEine Geschichte über Feministinnen wider Willen und eine deutsche Geschichte.