A vivid portrait of how Naval oversight shaped American oceanography, revealing what difference it makes who pays for science. What difference does it make who pays for science? Some might say none. If scientists seek to discover fundamental truths about the world, and they do so in an objective manner using well-established methods, then how could it matter who's footing the bill? History, however, suggests otherwise. In science, as elsewhere, money is power. Tracing the recent history of oceanography, Naomi Oreskes discloses dramatic changes in American ocean science since the Cold War, uncovering how and why it changed. Much of it has to do with who pays. After World War II, the US military turned to a new, uncharted theater of warfare: the deep sea. The earth sciences-particularly physical oceanography and marine geophysics-became essential to the US Navy, which poured unprecedented money and logistical support into their study. Science on a Mission brings to light how this influx of military funding was both enabling and constricting: it resulted in the creation of important domains of knowledge but also significant, lasting, and consequential domains of ignorance. As Oreskes delves into the role of patronage in the history of science, what emerges is a vivid portrait of how naval oversight transformed what we know about the sea. It is a detailed, sweeping history that illuminates the ways funding shapes the subject, scope, and tenor of scientific work, and it raises profound questions about the purpose and character of American science. What difference does it make who pays? The short answer is: a lot.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2021Was wir von den Meeren wissen
Naomi Oreskes präsentiert Fallbeispiele für den Einfluss militärischer Geldgeber auf die Ozeanographie
Die Expansion vieler Wissenschaften in der Nachkriegszeit wurde von Geldern aus militärischen Quellen ermöglicht. Bahnbrechende Entwicklungen in der Physik, Computerwissenschaften und manchen Umweltwissenschaften, insbesondere der Meteorologie und Ozeanographie, wären ohne Unterstützung des Militärs unmöglich gewesen. Wie sich der Einfluss militärischer Interessen in konkreten Forschungsergebnissen widerspiegelt, ist nicht einfach zu beantworten - vor allem, wenn die Interessen der Geldgeber und der Wissenschaftler weitgehend identisch sind.
In ihrem neuen Buch zeigt die an der Harvard University lehrende Wissenschaftshistorikerin und Geologin Naomi Oreskes an neun Beispielen, wie die Patronage der Ozeanographie durch die amerikanische Marine während des Zweiten Weltkriegs und im Kalten Krieg die Entwicklung dieser Wissenschaft beeinflusste. Zu dieser Zeit stellte die Marine beispiellose Geldsummen und logistische Unterstützung für ozeanographische Forschung zur Verfügung, um den neuen Kriegsschauplatz zu erkunden. Dieses Forschungsfeld eignet sich besonders gut für eine Verhandlung der Frage, wie Geldgeber wissenschaftliche Inhalte beeinflussen. Denn bei ihr gab es, anders als in der Physik, keine einfache Trennung zwischen militärischen Geheimnissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Während die Physiker im Manhattan-Projekt behaupten konnten, es existiere eine klare Trennung zwischen, auf der einen Seite, dem Gewinn fundamentaler Erkenntnissen über den Aufbau der Materie und des Universums und, auf der anderen Seite, der Entwicklung von Atomwaffen, waren Ozeanographen nicht in der Lage, sich einen geschützten epistemischen Raum zu schaffen - alle ihre Daten, Analysen und Modelle waren potentiell militärisch bedeutsam.
Oreskes erste Fallstudie behandelt das Scripps-Institut für Ozeanographie im kalifornischen San Diego und seinen Leiter, den Norweger Harald Sverdrup (1888 - 1957), der in einen lang andauernden Konflikt über den Einfluss des Militärs auf die Forschung des Institutes verwickelt war. Sverdrup, ein engagierter Internationalist, der die Türen des Instituts immer für Forscher aus anderen Erdteilen offen hielt, hieß die Unterstützung des Militärs willkommen, doch eine konservative Fraktion von Wissenschaftlern opponierte und griff zu diesem Zweck sogar zu einer Diffamierungskampagne: Sverdrup habe Sympathien für die Nationalsozialisten. Sie führte zwar nicht zum Ziel, doch Sympathien für die Nationalsozialisten beim FBI an, worauf er Sverdrup erhielt zunächst keine genügend hohe Sicherheitsfreigabe erhielt, um als Leiter des Instituts Einblick in alle Forschungsprojekte zu erhalten. Sverdrup war von dieser Erfahrung so desillusioniert, dass er sich nach dem Krieg von der Ozeanographie abwandte. In den folgenden Kapiteln untersucht Oreskes Fragen der wissenschaftlichen Autonomie. Sie zeigt, dass ein revolutionierendes Modell von Strömungen in der Tiefsee (Stommel-Arons Modell) nicht ein Beispiel für vom Militär finanzierte Grundlagenforschung ist, sondern das Ergebnis von Arbeiten an anwendungsorientierten Problemstellungen war.
Eine Fallstudie fokussiert dann auf die institutionellen Aspekte des militärischen Einflusses. Oreskes schildert das Scheitern einer "Palastrevolte" in den frühen Sechzigerjahren gegen den Direktor eines ozeanographischen Instituts, der der Marine nahezu freie Hand gab, die Forschungsprioritäten zu setzen; die aufständischen Wissenschaftler mussten das Institut verlassen. Oreskes zeigt dann in weiteren Fallstudien die Folgen der Geheimhaltung von Daten und wie die Patronage der Marine Untersuchungen behinderte, die als irrelevant für die Belange der Marine angesehen wurden.
In den letzten beiden Kapiteln untersucht Oreskes das Schicksal der Ozeanographie, nachdem die militärische Finanzierung drastisch zurückgegangen war. Sie schildert den Fall des Meeresgeologen Charles Hollister, der sich vehement für die Lagerung atomarer Abfälle in der Tiefsee einsetzte und gleichzeitig immer weiter ins rechte politische Spektrum abdriftete. Das Buch schließt mit der traurigen Geschichte über den Versuch von Ozeanographen, in den Neunzigerjahren mit sogenannter akustischer Tomographie die Erwärmung der Ozeane zu messen. Leider ignorierten die Wissenschaftler dabei, dass dieses Verfahren viele Meerestiere, vor allem einige gefährdete Walarten, Risiken aussetzte. Die Ozeanographen setzten sich über diese Bedenken hinweg und machten sich damit keine Freunde in Kreisen, die ihnen ohnehin wegen ihrer Nähe zum Militär schon lange misstrauten.
Naomi Oreskes demonstriert in diesem Buch einmal mehr, dass Wissenschaftsgeschichte keine Disziplin für den Elfenbeinturm ist. In ihren Arbeiten über die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und über die Verfahren, welche die Vertrauenswürdigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse verbürgen, verknüpfte sie immer auf vorbildliche Weise historische Analyse mit Themen von aktueller politischer Bedeutung.
Wichtig ist insbesondere ihre Betonung des Befunds, dass Patronage in der Wissenschaft neue und ungemein wichtige Erkenntnisse ermöglichen kann, aber dass gleichzeitig auch bedeutsame und lang erhaltene Bereiche der Ignoranz geschaffen werden: Was nicht im direkten Interesse des Geldgebers ist, wie etwa die Erforschung des Meeres als Lebensraum einer unfassbaren Vielfalt von Organismen und die Rolle der Ozeane für den Klimawandel, wird vernachlässigt. Die Folge ist, dass die Ozeane sehr gut bekannt sind als ein Medium, durch das Schallwellen propagiert werden, während es beispielsweise immer noch keine Einigkeit über die Methoden gibt, wie Fischbestände zu bestimmen sind - ganz zu schweigen von dem eklatanten Nichtwissen über die Artenvielfalt in den Ozeanen.
Zwar hat die Ozeanographie inzwischen Biodiversität und Klimawandel als Themen entdeckt, doch sie führt diese Forschungen in einem schon außerordentlich degradierten Ökosystem durch - was auch eine Folge ihres jahrzehntelangen Ignorierens dieser Probleme ist. THOMAS WEBER.
Naomi Oreskes: "Science on a Mission". How Military Funding Shaped What We Do and Don't Know about the Ocean. University of Chicago Press, Chicago 2021. 744 S., Abb., geb., 46,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Naomi Oreskes präsentiert Fallbeispiele für den Einfluss militärischer Geldgeber auf die Ozeanographie
Die Expansion vieler Wissenschaften in der Nachkriegszeit wurde von Geldern aus militärischen Quellen ermöglicht. Bahnbrechende Entwicklungen in der Physik, Computerwissenschaften und manchen Umweltwissenschaften, insbesondere der Meteorologie und Ozeanographie, wären ohne Unterstützung des Militärs unmöglich gewesen. Wie sich der Einfluss militärischer Interessen in konkreten Forschungsergebnissen widerspiegelt, ist nicht einfach zu beantworten - vor allem, wenn die Interessen der Geldgeber und der Wissenschaftler weitgehend identisch sind.
In ihrem neuen Buch zeigt die an der Harvard University lehrende Wissenschaftshistorikerin und Geologin Naomi Oreskes an neun Beispielen, wie die Patronage der Ozeanographie durch die amerikanische Marine während des Zweiten Weltkriegs und im Kalten Krieg die Entwicklung dieser Wissenschaft beeinflusste. Zu dieser Zeit stellte die Marine beispiellose Geldsummen und logistische Unterstützung für ozeanographische Forschung zur Verfügung, um den neuen Kriegsschauplatz zu erkunden. Dieses Forschungsfeld eignet sich besonders gut für eine Verhandlung der Frage, wie Geldgeber wissenschaftliche Inhalte beeinflussen. Denn bei ihr gab es, anders als in der Physik, keine einfache Trennung zwischen militärischen Geheimnissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Während die Physiker im Manhattan-Projekt behaupten konnten, es existiere eine klare Trennung zwischen, auf der einen Seite, dem Gewinn fundamentaler Erkenntnissen über den Aufbau der Materie und des Universums und, auf der anderen Seite, der Entwicklung von Atomwaffen, waren Ozeanographen nicht in der Lage, sich einen geschützten epistemischen Raum zu schaffen - alle ihre Daten, Analysen und Modelle waren potentiell militärisch bedeutsam.
Oreskes erste Fallstudie behandelt das Scripps-Institut für Ozeanographie im kalifornischen San Diego und seinen Leiter, den Norweger Harald Sverdrup (1888 - 1957), der in einen lang andauernden Konflikt über den Einfluss des Militärs auf die Forschung des Institutes verwickelt war. Sverdrup, ein engagierter Internationalist, der die Türen des Instituts immer für Forscher aus anderen Erdteilen offen hielt, hieß die Unterstützung des Militärs willkommen, doch eine konservative Fraktion von Wissenschaftlern opponierte und griff zu diesem Zweck sogar zu einer Diffamierungskampagne: Sverdrup habe Sympathien für die Nationalsozialisten. Sie führte zwar nicht zum Ziel, doch Sympathien für die Nationalsozialisten beim FBI an, worauf er Sverdrup erhielt zunächst keine genügend hohe Sicherheitsfreigabe erhielt, um als Leiter des Instituts Einblick in alle Forschungsprojekte zu erhalten. Sverdrup war von dieser Erfahrung so desillusioniert, dass er sich nach dem Krieg von der Ozeanographie abwandte. In den folgenden Kapiteln untersucht Oreskes Fragen der wissenschaftlichen Autonomie. Sie zeigt, dass ein revolutionierendes Modell von Strömungen in der Tiefsee (Stommel-Arons Modell) nicht ein Beispiel für vom Militär finanzierte Grundlagenforschung ist, sondern das Ergebnis von Arbeiten an anwendungsorientierten Problemstellungen war.
Eine Fallstudie fokussiert dann auf die institutionellen Aspekte des militärischen Einflusses. Oreskes schildert das Scheitern einer "Palastrevolte" in den frühen Sechzigerjahren gegen den Direktor eines ozeanographischen Instituts, der der Marine nahezu freie Hand gab, die Forschungsprioritäten zu setzen; die aufständischen Wissenschaftler mussten das Institut verlassen. Oreskes zeigt dann in weiteren Fallstudien die Folgen der Geheimhaltung von Daten und wie die Patronage der Marine Untersuchungen behinderte, die als irrelevant für die Belange der Marine angesehen wurden.
In den letzten beiden Kapiteln untersucht Oreskes das Schicksal der Ozeanographie, nachdem die militärische Finanzierung drastisch zurückgegangen war. Sie schildert den Fall des Meeresgeologen Charles Hollister, der sich vehement für die Lagerung atomarer Abfälle in der Tiefsee einsetzte und gleichzeitig immer weiter ins rechte politische Spektrum abdriftete. Das Buch schließt mit der traurigen Geschichte über den Versuch von Ozeanographen, in den Neunzigerjahren mit sogenannter akustischer Tomographie die Erwärmung der Ozeane zu messen. Leider ignorierten die Wissenschaftler dabei, dass dieses Verfahren viele Meerestiere, vor allem einige gefährdete Walarten, Risiken aussetzte. Die Ozeanographen setzten sich über diese Bedenken hinweg und machten sich damit keine Freunde in Kreisen, die ihnen ohnehin wegen ihrer Nähe zum Militär schon lange misstrauten.
Naomi Oreskes demonstriert in diesem Buch einmal mehr, dass Wissenschaftsgeschichte keine Disziplin für den Elfenbeinturm ist. In ihren Arbeiten über die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und über die Verfahren, welche die Vertrauenswürdigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse verbürgen, verknüpfte sie immer auf vorbildliche Weise historische Analyse mit Themen von aktueller politischer Bedeutung.
Wichtig ist insbesondere ihre Betonung des Befunds, dass Patronage in der Wissenschaft neue und ungemein wichtige Erkenntnisse ermöglichen kann, aber dass gleichzeitig auch bedeutsame und lang erhaltene Bereiche der Ignoranz geschaffen werden: Was nicht im direkten Interesse des Geldgebers ist, wie etwa die Erforschung des Meeres als Lebensraum einer unfassbaren Vielfalt von Organismen und die Rolle der Ozeane für den Klimawandel, wird vernachlässigt. Die Folge ist, dass die Ozeane sehr gut bekannt sind als ein Medium, durch das Schallwellen propagiert werden, während es beispielsweise immer noch keine Einigkeit über die Methoden gibt, wie Fischbestände zu bestimmen sind - ganz zu schweigen von dem eklatanten Nichtwissen über die Artenvielfalt in den Ozeanen.
Zwar hat die Ozeanographie inzwischen Biodiversität und Klimawandel als Themen entdeckt, doch sie führt diese Forschungen in einem schon außerordentlich degradierten Ökosystem durch - was auch eine Folge ihres jahrzehntelangen Ignorierens dieser Probleme ist. THOMAS WEBER.
Naomi Oreskes: "Science on a Mission". How Military Funding Shaped What We Do and Don't Know about the Ocean. University of Chicago Press, Chicago 2021. 744 S., Abb., geb., 46,- Euro.
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