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Ein Sturm ist aufgezogen über dem Ligurischen Meer, keine Fähre verlässt mehr den Hafen von Genua. Die Schwestern Elena und Anthea, Elenas schon erwachsene Tochter Judith und Antheas Lebensgefährte Max müssen ihre Reise unterbrechen und mieten sich in einem kleinen Ort an der Küste ein, in dessen Nachbarstadt an diesem Morgen ein junges Mädchen brutal umgebracht wurde. Judith gerät in den Bann des Mordfalls, über den in den Zeitungen und im Fernsehen ausführlich berichtet wird: Sie beginnt sich mit dem Schicksal der gleichaltrigen Toten zu beschäftigen, deren Leben zu verstehen.

Produktbeschreibung
Ein Sturm ist aufgezogen über dem Ligurischen Meer, keine Fähre verlässt mehr den Hafen von Genua. Die Schwestern Elena und Anthea, Elenas schon erwachsene Tochter Judith und Antheas Lebensgefährte Max müssen ihre Reise unterbrechen und mieten sich in einem kleinen Ort an der Küste ein, in dessen Nachbarstadt an diesem Morgen ein junges Mädchen brutal umgebracht wurde. Judith gerät in den Bann des Mordfalls, über den in den Zeitungen und im Fernsehen ausführlich berichtet wird: Sie beginnt sich mit dem Schicksal der gleichaltrigen Toten zu beschäftigen, deren Leben zu verstehen.
Autorenporträt
Christa Hein, geboren 1955 in Cuxhaven, veröffentlicht in deutscher und englischer Sprache. Sie lebt heute als freie Schriftstellerin und Dozentin in Berlin. Ihr erfolgreiches Debüt »Der Blick durch den Spiegel« erschien 1998 in der Frankfurter Verlagsanstalt, es folgten die Romane »Scirocco« (FVA 2000) und »Vom Rand der Welt« (FVA 2003). Im Herbst 2015 erschien ihr lange erwarteter vierter Roman »Der Glasgarten«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2000

Mies ist Max, der Himmel blau
Fein lasiert: Christa Hein zeigt Morde von der schmackhaften Seite

Für fröstelnde Deutsche ist Italien vielleicht nicht mehr das Sehnsuchtsziel von einst, als die Zitrone noch eine Frucht mit Fernweh war. Aber die Schlüsselreize des Landes sprechen nach wie vor an: die melodiöse Sprache, das malerische Licht, die mediterrane Lebenskunst, junge Männer, die Mario heißen, das fröhliche Stimmengewirr in den Straßen ("Lachen, Zurufe überall"), die südliche Küche ("Gerüche von Knoblauch und Rosmarin überall"), Abende unter Pinien und Blicke übers Meer, das in der Dämmerstunde nicht mehr tiefblau ist, sondern Perlmutt gleicht, "hauchdünn lasiert". Dorthin, wo der Oregano duftet und die Vespa knattert, laß uns ziehen, sehr gerne auch mittels Lektüre. So erklärt sich der hierzulande große Erfolg gewisser Toskana- oder Venedig-Krimis mit viel Ambiente und wenig Schußwaffengebrauch.

Für deren Leserkreis hat Christa Hein, die vor zwei Jahren mit "Der Blick durch den Spiegel" erfolgreich im Bereich des gehobenen Unterhaltungsromans debütierte, nun einen weiteren geschrieben, hauchdünn lasiert mit Beschreibungskunst. "Scirocco" spielt in einem kleinen Ferienort am Ligurischen Meer, wo "Bäckerjungen große Körbe mit Panini und Brioches vorbeitragen". Aber ist es auch ein Krimi? Zwar hat hier soeben ein Verbrechen stattgefunden; eine junge Frau wurde ermordet. Mit der freundlichen italienischen Kriminalpolizei und den zumeist kunstsinnigen Staatsanwälten des Genres bekommt der Leser es jedoch nicht zu tun, dafür um so mehr mit einem touristischen Vierergrüppchen aus Deutschland. Es handelt sich um zwei streitbare Schwestern, dazu den Lebensgefährten der einen und Judith, die Tochter der anderen. Judith ist dreiundzwanzig, hübsch und die Hauptfigur. Sie wird von dem brutalen Verbrechen an der gleichaltrigen jungen Frau in den Bann gezogen, sie verfolgt sämtliche Zeitungsmeldungen und agiert bald als Hobbydetektivin, die sogar eine heimliche Tatortbesichtigung wagt. Dabei verbindet sich der Charme eines verspäteten Fünf-Freunde-Abenteuers mit der Kunst derrickscher Kombinatorik: "Irgendwo im Leben dieses Mächens muß es ein Spannungsfeld gegeben haben. Ein verborgenes Zusammenspiel von Haß und Leidenschaft." Hier wird deutlich, daß es um mehr geht als nur die Lösung eines Mordfalls. Auch das Vierergrüppchen ist nämlich ein einziges Spannungsfeld, wo es sich im verborgenen zu stochern lohnt. Judith, einmal angetreten als Aufklärerin, betreibt deshalb im gleichen Zug auch Familienforschung und lüftet zum Schrecken von Mutter und Tante manches intime Geheimnis.

Die Parallelaktion von Krimi und Familienfall verdoppelt eine Schwäche, an der Kriminalromane manchmal kranken: Kommissar Zufall leitet die Ermittlungen. Zufällig schon ist man hierher verschlagen worden: Eigentlich wollte man von Genua weiter mit der Fähre, dann aber kam ein Sturm auf, der symbolisch bläst. Das Verbrechen passierte zufällig in jenem kleinen Nachbarort, in dem vor zwanzig Jahren Judiths Familie zerbrochen ist; ihr Vater hatte dort die Mutter mit dem Kindermädchen betrogen, wobei die kleine Judith, wie es sich für solche Urszenen gehört, zufällig ins Zimmer kam. Aber damit beginnen die wundersamen Zufälle eigentlich erst. Immer entriegelt sich in diesem Roman zur echten Zeit eine verdrängte Kindheitserinnerung, immer taucht am rechten Ort ein vielsagendes Foto, eine ominöse Hoteladresse oder irgendein anderes weiterführendes Requisit auf, das ein gutmütiges Drehbuch für die kluge Judith als nächste Rätselaufgabe hinterlegt hat. Ein solcher Weltzusammenhang, wo sich ununterbrochen das eine ins andere fügt, mag ebenso ein Merkmal des Unterhaltungsromans sein wie die säuberliche Aufteilung des Personals in die Miesen und die wahrhaft Menschlichen.

Mies ist Max, der Lebensgefährte der Tante, denn viel lieber begehrt er Judiths junges Fleisch. Mit klebriger Zudringlichkeit umschmeichelt er sie, bis er in einem Luxushotel, wo bereits manches Mädchenschicksal besiegelt wurde, seiner bösen Lust frönen kann. Aber schnell kommt Judith zur Besinnung und wendet ihre Liebe dem wahrhaft Menschlichen zu. Das ist Mario, der zunächst unscheinbare, einfache Junge aus dem Zeitungskiosk, Abkömmling eines alten Fischergeschlechts, der denn auch zum absolut richtigen Zeitpunkt in der Sturmesnacht mit seiner rettenden Barke zur Stelle ist.

Oft kommt es vor, daß ein Autor seiner Romanidee nicht gewachsen ist. Hier liegt der seltenere Fall vor, daß das künstlerische Vermögen die triviale Konzeption übertrifft. Womit wir bei der hauchdünnen Lasur sind, der gehobenen Beschreibungskunst, die beispielsweise zum Zuge kommt, wenn Christa Hein auf zwei Seiten einen Mittagsspaziergang durch die Gassen Genuas schildert. Nach solchen Passagen, die nicht nur die üblichen Italien-Klischees bedienen, erwartet man von der Autorin mehr als einen mäßig unterhaltsamen Unterhaltungsroman.

WOLFGANG SCHNEIDER

Christa Hein: "Scirocco". Roman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2000. 215 S., geb., 38,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Wohl gesonnen zeigt sich Christiane Schott dem zweiten Roman von Christa Hein. Wie schon in ihrem Erstling "Der Blick durch den Spiegel" begleitet die Autorin den Prozess der Identitätssuche einer jungen Frau, lässt uns die Rezensentin wissen, diesmal als Familienbild vor italienischer Küste, wobei auch in diesem Roman das Spiegel-Motiv und die Fotografie als probates Mittel der Spurensuche in der Vergangenheit und Gegenwart herhalten müssen. Schott ist angetan von der "stimmigen Dramaturgie" des Romans, der zwar konventionell gebaut sei, aber atmosphärisch dicht erzählt werde. Sprachlich ist ihr Hein nicht ambitioniert genug: da fehlen der Rezensentin "Pfiff und Mut" zu mehr Experiment und Unverwechselbarkeit, die Dialoge erscheinen ihr gekünstelt. Die Frankfurter Autorin, 45 Jahre alt, hat in Amerika "creative writing" unterrichtet, teilt Schott zwischendurch mit und bestätigt indirekt den von ihr vermittelten Eindruck, dass es sich bei Christa Heins "Scirocco" um ein wenig originelles, aber solide gearbeitetes Buch handelt.

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