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Nächtliche Ansichten einer riesigen Baustelle zeigen eine unübersichtliche Welt ausMaschinen, Leitungen und Gerüsten, die uns wie eine moderne Entsprechung vonPiranesis Carceri vorkommen. Erst bei genauerem Hinsehen werden die zukünftigenStrukturen erkennbar.Hinter den Rastern transparenter Fassaden sehen wir Büroangestellte, Politiker undHotelgäste. Arbeit und Freizeit finden auf offener Bühne statt. Nichts bleibt den Blickender Passanten verborgen.Wie die Propagandabilder totalitärer Systeme stellen riesige Werbeflächen die gewohntenMaßstäbe auf den Kopf. Monumentale, meist weibliche Körper…mehr

Produktbeschreibung
Nächtliche Ansichten einer riesigen Baustelle zeigen eine unübersichtliche Welt ausMaschinen, Leitungen und Gerüsten, die uns wie eine moderne Entsprechung vonPiranesis Carceri vorkommen. Erst bei genauerem Hinsehen werden die zukünftigenStrukturen erkennbar.Hinter den Rastern transparenter Fassaden sehen wir Büroangestellte, Politiker undHotelgäste. Arbeit und Freizeit finden auf offener Bühne statt. Nichts bleibt den Blickender Passanten verborgen.Wie die Propagandabilder totalitärer Systeme stellen riesige Werbeflächen die gewohntenMaßstäbe auf den Kopf. Monumentale, meist weibliche Körper lassen die Häuser und dieMenschen klein erscheinen. Von oben herab nehmen sie Blickkontakt mit den Passantenauf.Die Fotografien dieses Buchs sind ein visueller Kommentar zu unserem urbanen Lebensstil.Entstanden sind sie in Berlin - ähnliche Bilder lassen sich jedoch überall finden: DieGebäude sind ebenso austauschbar wie die monumentalen Bilder von Sex und Konsum, dieweltweit die Städte dominieren.Monologe aus Roland Schimmelpfennigs Theaterstück Push Up 1- 3 ergänzen die Fotogra-fien von Stefan Koppelkamm. Hier kommen die Bewohner dieser Welt zu Wort: Menschen,die sich den Leitbildern von Erfolg und Schönheit bedingungslos unterworfen haben.
Autorenporträt
Roland Schimmelpfennig, geboren 1967 in Göttingen, Autor, Übersetzer und Regisseur. Von 1999 bis 2001 Dramaturg an der Schaubühne Berlin. Seit 2001 Auftragsarbeiten für Hannover, Wien, Zürich u.a. "Mit 35 Jahren ist er einer der meistgespielten deutschen Dramatiker der Gegenwart. Von Hamburg bis Paris steht sein Name auf den Spielplänen international renommierter Theater Roland Schimmelpfennig. Ein Name, der inzwischen zu so etwas wie einer Trademark des zeitgenössischen Theaters geworden ist." (Bühne)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2010

Fenster öffnen sich zur Stadt
Ein Mann blickt durch die Wand: Der neue Bildband des Fotografen Stefan Koppelkamm

Arbeiten die, oder trinken die nur Kaffee? Steht auf dem Flipchart überhaupt etwas drauf? Mit wem telefoniert der Mann? Und wieso im Stehen? Wieso hat der eigentlich kein größeres Büro abgekriegt? Das ist ja exakt halb so groß wie das Büro von dem Chef eine Etage höher. Ist doch der Chef, wahrscheinlich? Oder ist die Frau der Chef? Und kann die Person in dem Zimmer rechts daneben mal bitte die Jalousie hochleiern, man sieht ja gar nicht, wie die aussieht. Und das würde man ja nun schon auch noch sehr gerne wissen. Obwohl es einen natürlich absolut nichts angeht. Aber wozu haben die Architekten das geschosshohe Fenster denn erfunden, wenn nicht für Voyeure?

Dass Bahnfahren wie Kino ist, das weiß man als Kind und vergisst es dann, weil man immer irgendwie Wichtigeres zu tun hat, als aus dem Fenster zu schauen. Wenn man es dann als Erwachsener mal wieder tut, und zwar rechtzeitig bevor der Zug das offene Land erreicht und das Programm ein bisschen eintönig wird: Dann ist der Film plötzlich von Hitchcock. Dann kommt der Thrill aus "Fenster zum Hof" dazu, eine Mischung aus Schaulust und schlechtem Gewissen. Beides zusammen ergibt auch eine schöne Definition von "Großstadt". Eine andere lautet, dass, wer aus dem Fenster schaut, in ein anderes hineinschaut, ob man das will oder nicht, denn Gardinen gibt es nicht mehr.

Der Berliner Fotograf Stefan Koppelkamm saß also im Zug und schaute aus dem Fenster, es war der Moment, in dem die untergehende Sonne tief in die hintersten Winkel der Räume leuchtete, es war der Moment, als gleichzeitig drinnen die ersten Lampen angeschaltet wurden; es war der perfekte Moment, dachte da der Fotograf, für Bilder, die als Bühnenbilder unseres Lebens in der Stadt durchgehen können. Wenn nur der Zug nicht dauernd weitermüsste. Das Problem der Zeitlichkeit ist das eine. Das andere ist das der Augenhöhe.

Koppelkamms Bilder beschreiben am Ende nicht nur ein Eindringen des Blicks in fremde Zimmer, sie verdanken sich zunächst einmal dem Eindringen des Fotografen in fremde Wohnungen. Man muss ins Haus gegenüber, um Fassaden dermaßen frontal fotografieren zu können. Es ist ein Gruß an Edward Hopper und eine Aktualisierung des alten Typus des Fensterbildes. Koppelkamm hat jetzt in der Edition Axel Menges einen ganzen Bildband davon herausgebracht, der das Filmische dieser Stadterfahrung noch weiter treibt. Baustellen und Gerüste werden zu piranesihaften Carceri, und von den Riesenpostern, mit denen die Gerüste nach außen verhängt werden, schauen Werbemodels durch das Fenster hinein, die an ein Remake von "King Kong" denken lassen, als Dior-Reklame.

ripe.

Stefan Koppelkamm: "Screening". Mit einem Monolog aus Roland Schimmelpfennigs Theaterstück "Push Up 1-3". Edition Axel Menges, Stuttgart/London, 96 Seiten, Text deutsch/englisch, 39,90 Euro

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