SCUM Manifesto was considered one of the most outrageous, violent and certifiably crazy tracts when it first appeared in 1968. Valerie Solanas, the woman who shot Andy Warhol, self-published this work just before her rampage against the king of Pop Art made her a household name and resulted in her confinement to a mental institution. But the Manifesto, for all its vitriol, is impossible to dismiss as just the rantings of a lesbian lunatic. In fact, the work has indisputable prescience, not only as a radical feminist analysis light-years ahead of its time predicting artificial insemination, ATMs, a feminist uprising against under-representation in the arts but also as a stunning testament to the rage of an abused and destitute woman.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2018DADDYS TÖCHTER SIND DIE SCHLIMMSTEN
Erst Valerie Solanas' Anschlag auf Andy Warhol machte ihr "Scum-Manifest" bekannt. Lange wurde der Text vor allem als Gründungstext eines männerhassenden Radikalfeminismus gelesen. Dabei hatte er auch für die meisten Frauen nicht viel übrig
Nicht viele Menschen hatten diesen Text gelesen, bevor der Name seiner Autorin auf den Titelseiten fast jeder Zeitung in New York stand. 1967 hatte Valerie Solanas ihr "Scum Manifest" im Selbstverlag herausgebracht und verkaufte es in den Cafés des Greenwich Village, ein Dollar für Frauen, zwei Dollar für Männer. Aber kaum jemand würde den Text kennen, hätte Solanas nicht am 3. Juni 1968 drei Ausrufezeichen dahinter gesetzt. Ausgerechnet der androgyne Andy Warhol wurde zum Opfer ihres phänomenalen Männerhasses. Von den Schüssen erholte er sich nie ganz - genauso wenig wie Solanas Text.
Als "Scum" 1968 als Buch erschien, konnte Solanas' Verleger Maurice Girodias schon schaurige Zitate aus "Time" und "Newsweek" über seine plötzlich berühmte Autorin aufs Cover schreiben. Und wer wissen wollte, warum diese Verrückte auf Warhol geschossen hatte, der musste nicht lange lesen, bis ihr Wahnsinn deutlich wurde, die Wut und die Skrupellosigkeit. Der Mann sei eine biologische Katstrophe, schreibt Solanas, unfähig, für andere irgendetwas zu empfinden und überhaupt schuld an allen Problemen, dem Krieg, dem Geld, der Dummheit. Und auch, wenn sich die Frauen eigentlich darauf verlassen könnten, dass sich die Männer früher oder später selbst "eliminieren", sollten sie so lange nicht warten und, bis auf ein paar Ausnahmen, alle Männer töten.
Die satirischen Qualitäten des Manifests blieben lange verborgen: Wie ernst sie ihre Sätze meint, das hat Solanas ja offensichtlich unmissverständlich bewiesen: "Lesen Sie mein Manifest und Sie wissen, wer ich bin", erklärte Solanas den Journalisten nach ihrer Festnahme. Was sollten sie schon anderes darin finden als das Psychogramm einer Kranken. Ein psychiatrisches Gutachten diagnostizierte eine paranoide Schizophrenie, und sogar ihr Verleger unterstrich die quasi-terroristische Intention des Manifests, indem er "Scum" zum Akronym einer politischen Organisation machte, zu "S.C.U.M.", der "Society for Cutting Up Men".
Erst mit der Zeit wurde die literarische Kraft des Textes wieder sichtbar, seine Radikalität, die weniger in den kompromisslosen Vernichtungsplänen für das Patriarchat liegt, die Solanas darin formuliert, sondern mindestens so sehr in jenem beißenden Ton, der schon im berühmten ersten Satz anklingt: "Das Leben in dieser Gesellschaft ist ein einziger Stumpfsinn, kein Aspekt der Gesellschaft vermag die Frau zu interessieren, daher bleibt den aufgeklärten, verantwortungsbewussten und sensationsgierigen Frauen nichts anderes übrig, als die Regierung zu stürzen, das Geldsystem abzuschaffen, die umfassende Automation einzuführen und das männliche Geschlecht zu vernichten."
Der Stil des Textes, seine Härte, seine Schärfe, seine Coolness, würde, in den traurigen Kategorien des Kulturmarketings, auch heute noch eher als männlich gelten. Die wichtigste Emanzipation Solanas' besteht daher in der Aneignung eines abgeklärten und entschiedenen Sounds, dessen vermeintliche Maskulinität sie ihren Leserinnen und Lesern gleich noch um die Ohren haut. "Gefühlsstärke und Unabhängigkeit, Energie, Dynamik, Entscheidungskraft, Coolness, Objektivität, anspruchsvolle Haltung, Mut, Integrität, Vitalität, Intensität, Charakter, Up-to-date sein usw." - all das sind für sie weibliche Eigenschaften, die die Männer zu Unrecht für sich in Anspruch nehmen. "Der wirkliche Gegensatz", schreibt Solanas, "besteht daher nicht zwischen Frauen und Männern, sondern zwischen SCUM auf der einen Seite - dominierenden, sicheren, selbstvertrauenden, widerlichen, gewalttätigen, eigensüchtigen, unabhängigen, stolzen, sensationshungrigen, frei rotierenden, arroganten Frauen, die sich imstande fühlen, das Universum zu regieren" und den "verschreckten . . . Daddy-Töchtern", die sich nur sicher fühlen, "wenn im Weißen Haus ein großer, starker Mann mit einem fetten, haarigen Gesicht sitzt".
Es ist schon auch die Energie der expliziten Gewalt, der das "Scum-Manifest" seine Kraft verdankt, der Aufruf zur Zerstörung, die unverschämte Glorifizierung der Gewalt. Doch seine wahre Kraft entfaltet Solanas' Text nicht, wenn man ihn einfach als Anleitung zur Gründung einer feministischen Terrororganisation liest. Es ist der Anschlag auf die Ordnung der Geschlechter, der zählt.
HARALD STAUN.
Valerie Solanas: "Scum", auf Deutsch z. B. bei Philo Fine Arts erschienen, 109 Seiten, 10 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erst Valerie Solanas' Anschlag auf Andy Warhol machte ihr "Scum-Manifest" bekannt. Lange wurde der Text vor allem als Gründungstext eines männerhassenden Radikalfeminismus gelesen. Dabei hatte er auch für die meisten Frauen nicht viel übrig
Nicht viele Menschen hatten diesen Text gelesen, bevor der Name seiner Autorin auf den Titelseiten fast jeder Zeitung in New York stand. 1967 hatte Valerie Solanas ihr "Scum Manifest" im Selbstverlag herausgebracht und verkaufte es in den Cafés des Greenwich Village, ein Dollar für Frauen, zwei Dollar für Männer. Aber kaum jemand würde den Text kennen, hätte Solanas nicht am 3. Juni 1968 drei Ausrufezeichen dahinter gesetzt. Ausgerechnet der androgyne Andy Warhol wurde zum Opfer ihres phänomenalen Männerhasses. Von den Schüssen erholte er sich nie ganz - genauso wenig wie Solanas Text.
Als "Scum" 1968 als Buch erschien, konnte Solanas' Verleger Maurice Girodias schon schaurige Zitate aus "Time" und "Newsweek" über seine plötzlich berühmte Autorin aufs Cover schreiben. Und wer wissen wollte, warum diese Verrückte auf Warhol geschossen hatte, der musste nicht lange lesen, bis ihr Wahnsinn deutlich wurde, die Wut und die Skrupellosigkeit. Der Mann sei eine biologische Katstrophe, schreibt Solanas, unfähig, für andere irgendetwas zu empfinden und überhaupt schuld an allen Problemen, dem Krieg, dem Geld, der Dummheit. Und auch, wenn sich die Frauen eigentlich darauf verlassen könnten, dass sich die Männer früher oder später selbst "eliminieren", sollten sie so lange nicht warten und, bis auf ein paar Ausnahmen, alle Männer töten.
Die satirischen Qualitäten des Manifests blieben lange verborgen: Wie ernst sie ihre Sätze meint, das hat Solanas ja offensichtlich unmissverständlich bewiesen: "Lesen Sie mein Manifest und Sie wissen, wer ich bin", erklärte Solanas den Journalisten nach ihrer Festnahme. Was sollten sie schon anderes darin finden als das Psychogramm einer Kranken. Ein psychiatrisches Gutachten diagnostizierte eine paranoide Schizophrenie, und sogar ihr Verleger unterstrich die quasi-terroristische Intention des Manifests, indem er "Scum" zum Akronym einer politischen Organisation machte, zu "S.C.U.M.", der "Society for Cutting Up Men".
Erst mit der Zeit wurde die literarische Kraft des Textes wieder sichtbar, seine Radikalität, die weniger in den kompromisslosen Vernichtungsplänen für das Patriarchat liegt, die Solanas darin formuliert, sondern mindestens so sehr in jenem beißenden Ton, der schon im berühmten ersten Satz anklingt: "Das Leben in dieser Gesellschaft ist ein einziger Stumpfsinn, kein Aspekt der Gesellschaft vermag die Frau zu interessieren, daher bleibt den aufgeklärten, verantwortungsbewussten und sensationsgierigen Frauen nichts anderes übrig, als die Regierung zu stürzen, das Geldsystem abzuschaffen, die umfassende Automation einzuführen und das männliche Geschlecht zu vernichten."
Der Stil des Textes, seine Härte, seine Schärfe, seine Coolness, würde, in den traurigen Kategorien des Kulturmarketings, auch heute noch eher als männlich gelten. Die wichtigste Emanzipation Solanas' besteht daher in der Aneignung eines abgeklärten und entschiedenen Sounds, dessen vermeintliche Maskulinität sie ihren Leserinnen und Lesern gleich noch um die Ohren haut. "Gefühlsstärke und Unabhängigkeit, Energie, Dynamik, Entscheidungskraft, Coolness, Objektivität, anspruchsvolle Haltung, Mut, Integrität, Vitalität, Intensität, Charakter, Up-to-date sein usw." - all das sind für sie weibliche Eigenschaften, die die Männer zu Unrecht für sich in Anspruch nehmen. "Der wirkliche Gegensatz", schreibt Solanas, "besteht daher nicht zwischen Frauen und Männern, sondern zwischen SCUM auf der einen Seite - dominierenden, sicheren, selbstvertrauenden, widerlichen, gewalttätigen, eigensüchtigen, unabhängigen, stolzen, sensationshungrigen, frei rotierenden, arroganten Frauen, die sich imstande fühlen, das Universum zu regieren" und den "verschreckten . . . Daddy-Töchtern", die sich nur sicher fühlen, "wenn im Weißen Haus ein großer, starker Mann mit einem fetten, haarigen Gesicht sitzt".
Es ist schon auch die Energie der expliziten Gewalt, der das "Scum-Manifest" seine Kraft verdankt, der Aufruf zur Zerstörung, die unverschämte Glorifizierung der Gewalt. Doch seine wahre Kraft entfaltet Solanas' Text nicht, wenn man ihn einfach als Anleitung zur Gründung einer feministischen Terrororganisation liest. Es ist der Anschlag auf die Ordnung der Geschlechter, der zählt.
HARALD STAUN.
Valerie Solanas: "Scum", auf Deutsch z. B. bei Philo Fine Arts erschienen, 109 Seiten, 10 Euro
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