Taking readers from the voyages of Columbus to the devastation of Hurricane Katrina, Schwartz looks at the ethical, political, and economic challenges that hurricanes posed to the Caribbean's indigenous populations and the different European peoples who ventured to the New World to exploit its riches. He describes how the United States provided the model for responding to environmental threats when it emerged as a major power and began to exert its influence over the Caribbean in the nineteenth century, and how the region's governments came to assume greater responsibilities for prevention and relief, efforts that by the end of the twentieth century were being questioned by free-market neoliberals. Schwartz sheds light on catastrophes like Katrina by framing them within a long and contentious history of human interaction with the natural world.
"This is a magnificent book. In a breathtaking narrative spanning five centuries of hurricanes and their consequences, Schwartz accomplishes what no one has done before: a transnational history of the Caribbean region through the optic of one of the most widely shared of its historical experiences."--Francisco A. Scarano, coeditor of The Caribbean: A History of the Region and Its Peoples
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2015Naturkatastrophen sind nicht natürlich
Im Zeichen des Sturms: Der Historiker Stuart B. Schwartz erzählt die Geschichte der karibischen Wirbelstürme.
Wenn sie wissen wollten, wann ein Hurrikan drohte, waren die europäischen Eroberer in der Karibik auf die Wetterkenntnisse der indigenen Bevölkerung angewiesen. Die Wirbelstürme gingen über das bisherige Naturverständnis der Europäer hinaus. In Hurrikanen entwickelten Wind, Regen und Flut eine gewaltige Zerstörungskraft, die die frühen europäischen Berichte aus der Karibik voller Schrecken und Staunen beschrieben. Von diesen bis zu den Hurrikankatastrophen unserer Zeit reicht das beeindruckende Buch "Sea of Storms" des in Yale lehrenden Historikers Stuart B. Schwartz, dem es gelingt, im Zeichen des Hurrikans eine mehr als fünf Jahrhunderte umfassende Geschichte der Karibik souverän zu erzählen.
Als mit den Fahrten von Kolumbus die europäische Expansion in die Neue Welt begann, etablierte sich Spanien als erste Kolonialmacht in der Karibik, richtete sein Interesse im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts allerdings verstärkt auf die Silberschätze des Festlands. Durch das Eindringen seiner europäischen Rivalen, die im siebzehnten Jahrhundert ihre Kolonien gründeten, verlor Spanien die Vorherrschaft. Die kolonialen Rivalitäten, die Plantagenwirtschaft und die Sklaverei prägten die Region. Schwartz ergänzt mit den Hurrikanen einen wesentlichen Faktor, durch dessen Betrachtung auf breiter Materialbasis er eine Vielzahl von Fragen - ob politik-, wirtschafts-, sozial- oder umwelthistorischer Art - in ein überzeugendes Gesamtbild integrieren kann.
Wie schreibt man überhaupt Hurrikangeschichte? Wie historisiert man Wind? Bei einer Zahl von vier- bis fünftausend Hurrikanen seit Kolumbus, so Schwartz, sei es weder möglich noch sinnvoll, in seinem Buch jeden einzelnen Sturm zu berücksichtigen. Ihm geht es darum, an Beispielen das Naturverständnis der jeweiligen Zeit sowie gesellschaftliche und politische Reaktionen auf die Hurrikangefahr nachzuzeichnen. Dabei bezieht er sich auf eine zentrale Aussage der historischen Katastrophenforschung: Naturkatastrophen sind nicht "natürlich" - zu Katastrophen werden extreme Naturereignisse durch menschliches Tun und Lassen.
Während die Hurrikane wegen ihrer Zerstörungskraft zunächst als göttliche Zeichen gedeutet wurden, erfuhren die Kolonisten mit der Zeit, dass die Stürme einerseits ein wiederkehrendes Wetterphänomen sind, andererseits bloß in bestimmten Monaten auftreten. Statt als Strafen für Sünden erschienen sie daher als regionales Risiko, das einzugehen sich lohnte, weil durch den Zuckerboom der Wert der Kolonien wuchs. Für die exportorientierte Plantagenwirtschaft entstanden Zuckermühlen und Häfen, die Pflanzer vergrößerten die Anbaufläche und kauften afrikanische Sklaven als Arbeitskräfte. Mit dem Aufschwung stieg aber auch die Gefährdung in der Hurrikansaison. Die Lage am Wasser machte Mühlen und Häfen anfällig, und nachdem der Anbau stark auf Zucker und andere Exportgüter ausgerichtet wurde, fehlte es in den Kolonien an Grundnahrungsmitteln, wenn Hurrikane die Versorgung unterbrachen.
Ab Mitte des achtzehnten Jahrhunderts finden sich in den Archiven zunehmend detaillierte Statistiken, die nach Hurrikanen die Opferzahlen und die Schäden verzeichneten. Der lange Zeitraum von Schwartz' Studie erlaubt epochen- und systemübergreifende Vergleiche der Bewältigung von Hurrikanschäden. Deutliche Kontinuitäten zeigen sich etwa im Einsatz der Katastrophenhilfe als Instrument der Loyalitätssicherung. Nachdem zwei Hurrikane im Oktober 1780 gewaltige Schäden auf Jamaika und Barbados verursacht hatten, gewährte das britische Parlament beiden Kolonien 120 000 Pfund, was wohl auch ihre Treue zum Mutterland belohnen und bewahren sollte zu einer Zeit, als der Aufstand der nordamerikanischen Festlandskolonien zu einem Krieg geworden war, der 1783 mit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten endete. Wie der Diktator Rafael Trujillo seine Herrschaft in der Dominikanischen Republik durch die Bewältigung des San-Zenón-Hurrikans von 1930 festigte, so ging 1963 in Kuba der Hurrikan Flora in die Mythologie des kommunistischen Regimes ein. Eine Revolution sei eine stärkere Macht als die Natur, lobte Fidel Castro Kubas Reaktion auf die Katastrophe.
Zur "größeren Karibik" gehört auch der Südosten der Vereinigten Staaten. Hurrikan Katrina, der New Orleans im August 2005 traf, war die teuerste Naturkatastrophe der amerikanischen Geschichte. Schwartz schildert den Streit über den Einfluss des Klimawandels auf Hurrikane und über die Rolle des Staats in der Katastrophenhilfe. Mit diesem Werk liefert er ein großes Beispiel für Geschichtsschreibung jenseits nationaler Grenzen.
THORSTEN GRÄBE
Stuart B. Schwartz:
"Sea of Storms". A History of Hurricanes in the Greater Caribbean from Columbus to Katrina.
Princeton University Press, Princeton 2015. 466 S., Abb., geb., 30,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Zeichen des Sturms: Der Historiker Stuart B. Schwartz erzählt die Geschichte der karibischen Wirbelstürme.
Wenn sie wissen wollten, wann ein Hurrikan drohte, waren die europäischen Eroberer in der Karibik auf die Wetterkenntnisse der indigenen Bevölkerung angewiesen. Die Wirbelstürme gingen über das bisherige Naturverständnis der Europäer hinaus. In Hurrikanen entwickelten Wind, Regen und Flut eine gewaltige Zerstörungskraft, die die frühen europäischen Berichte aus der Karibik voller Schrecken und Staunen beschrieben. Von diesen bis zu den Hurrikankatastrophen unserer Zeit reicht das beeindruckende Buch "Sea of Storms" des in Yale lehrenden Historikers Stuart B. Schwartz, dem es gelingt, im Zeichen des Hurrikans eine mehr als fünf Jahrhunderte umfassende Geschichte der Karibik souverän zu erzählen.
Als mit den Fahrten von Kolumbus die europäische Expansion in die Neue Welt begann, etablierte sich Spanien als erste Kolonialmacht in der Karibik, richtete sein Interesse im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts allerdings verstärkt auf die Silberschätze des Festlands. Durch das Eindringen seiner europäischen Rivalen, die im siebzehnten Jahrhundert ihre Kolonien gründeten, verlor Spanien die Vorherrschaft. Die kolonialen Rivalitäten, die Plantagenwirtschaft und die Sklaverei prägten die Region. Schwartz ergänzt mit den Hurrikanen einen wesentlichen Faktor, durch dessen Betrachtung auf breiter Materialbasis er eine Vielzahl von Fragen - ob politik-, wirtschafts-, sozial- oder umwelthistorischer Art - in ein überzeugendes Gesamtbild integrieren kann.
Wie schreibt man überhaupt Hurrikangeschichte? Wie historisiert man Wind? Bei einer Zahl von vier- bis fünftausend Hurrikanen seit Kolumbus, so Schwartz, sei es weder möglich noch sinnvoll, in seinem Buch jeden einzelnen Sturm zu berücksichtigen. Ihm geht es darum, an Beispielen das Naturverständnis der jeweiligen Zeit sowie gesellschaftliche und politische Reaktionen auf die Hurrikangefahr nachzuzeichnen. Dabei bezieht er sich auf eine zentrale Aussage der historischen Katastrophenforschung: Naturkatastrophen sind nicht "natürlich" - zu Katastrophen werden extreme Naturereignisse durch menschliches Tun und Lassen.
Während die Hurrikane wegen ihrer Zerstörungskraft zunächst als göttliche Zeichen gedeutet wurden, erfuhren die Kolonisten mit der Zeit, dass die Stürme einerseits ein wiederkehrendes Wetterphänomen sind, andererseits bloß in bestimmten Monaten auftreten. Statt als Strafen für Sünden erschienen sie daher als regionales Risiko, das einzugehen sich lohnte, weil durch den Zuckerboom der Wert der Kolonien wuchs. Für die exportorientierte Plantagenwirtschaft entstanden Zuckermühlen und Häfen, die Pflanzer vergrößerten die Anbaufläche und kauften afrikanische Sklaven als Arbeitskräfte. Mit dem Aufschwung stieg aber auch die Gefährdung in der Hurrikansaison. Die Lage am Wasser machte Mühlen und Häfen anfällig, und nachdem der Anbau stark auf Zucker und andere Exportgüter ausgerichtet wurde, fehlte es in den Kolonien an Grundnahrungsmitteln, wenn Hurrikane die Versorgung unterbrachen.
Ab Mitte des achtzehnten Jahrhunderts finden sich in den Archiven zunehmend detaillierte Statistiken, die nach Hurrikanen die Opferzahlen und die Schäden verzeichneten. Der lange Zeitraum von Schwartz' Studie erlaubt epochen- und systemübergreifende Vergleiche der Bewältigung von Hurrikanschäden. Deutliche Kontinuitäten zeigen sich etwa im Einsatz der Katastrophenhilfe als Instrument der Loyalitätssicherung. Nachdem zwei Hurrikane im Oktober 1780 gewaltige Schäden auf Jamaika und Barbados verursacht hatten, gewährte das britische Parlament beiden Kolonien 120 000 Pfund, was wohl auch ihre Treue zum Mutterland belohnen und bewahren sollte zu einer Zeit, als der Aufstand der nordamerikanischen Festlandskolonien zu einem Krieg geworden war, der 1783 mit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten endete. Wie der Diktator Rafael Trujillo seine Herrschaft in der Dominikanischen Republik durch die Bewältigung des San-Zenón-Hurrikans von 1930 festigte, so ging 1963 in Kuba der Hurrikan Flora in die Mythologie des kommunistischen Regimes ein. Eine Revolution sei eine stärkere Macht als die Natur, lobte Fidel Castro Kubas Reaktion auf die Katastrophe.
Zur "größeren Karibik" gehört auch der Südosten der Vereinigten Staaten. Hurrikan Katrina, der New Orleans im August 2005 traf, war die teuerste Naturkatastrophe der amerikanischen Geschichte. Schwartz schildert den Streit über den Einfluss des Klimawandels auf Hurrikane und über die Rolle des Staats in der Katastrophenhilfe. Mit diesem Werk liefert er ein großes Beispiel für Geschichtsschreibung jenseits nationaler Grenzen.
THORSTEN GRÄBE
Stuart B. Schwartz:
"Sea of Storms". A History of Hurricanes in the Greater Caribbean from Columbus to Katrina.
Princeton University Press, Princeton 2015. 466 S., Abb., geb., 30,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main