Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.1996Die Welt und all ihr Tun verdirbet - Stilleben von Sebastian Stoskopff
Die Stillebenmalerei war in ihrer Wertschätzung durch das Publikum kräftigen Schwankungen unterworfen. Was den einen als ihr besonderer Reiz erschien, der offensichtliche Gegensatz zwischen der aufwendigen Darstellung und der seelenlosen Materialität des Dargestellten, galt anderen als Zeichen für die Minderwertigkeit des ganzen Genres. Wer auf die Stimme der Akademien hörte, mußte ohnehin der Ansicht sein, daß es so etwas wie eine gottgewollte Reihenfolge auch in der Kunst gebe, nach der die Historienmalerei den ersten und das Stilleben den letzten Platz beanspruchen dürfe.
Dies Urteil war natürlich ungerecht, denn der Blick des Stillebenmalers suchte die Oberfläche der Dinge in aller Regel ja nur deshalb auf, weil er dahinter etwas ganz anderes entdeckt zu haben glaubte, die Botschaft nämlich von der Eitelkeit alles Irdischen, von der Vergänglichkeit der Pracht. Bei wenigen tritt dies Motiv so durchgängig hervor wie bei Sebastian Stoskopff, dem neben Georg Flegel wohl bedeutendsten deutschen Stillebenmaler aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Sein Werk, weit verstreut, bisher schlecht dokumentiert und deshalb größtenteils vergessen, liegt jetzt in einer neuen, mustergültigen Monographie von Birgit Hahn-Woernle vor.
Der Totenschädel und die Sanduhr, die zerborstene Mandoline und die niedergebrannte Kerze: das alles sind Gegenstände, die seinen Zeitgenossen als Symbole für die Hinfälligkeit der Dinge geläufig waren und ohne große Worte auch verstanden wurden. Sie sprechen aus, was die Glanzlichter auf Gold und Glas, die Stoskopff besonders gern und gut gemalt hat, nur andeuten: Vanitas vanitatum vanitas. "Kunst, Reichtum, Macht und Kühnheit stirbet, /Die Welt und all ihr Tun verdirbet, / Ein ewiges kommt nach dieser Zeit, / Ihr Thoren flieht die Eitelkeit" hat der Maler auf dem oben abgebildeten Stilleben vermerkt. Wie auch sonst auf seinen Bildern, sind die Gegenstände sorgfältig arrangiert, es herrscht eine bewußte, fast schon pedantische Ordnung. Bei Stoskopff sind die Tischdecken gebügelt, die Zitrone ist sorgfältig in Hälften geschnitten und so gelegt, daß sie nicht tropft und nicht flecken kann. Von der raffinierten Nachlässigkeit, mit der die zeitgenössischen Niederländer ihre Gegenstände so anordneten, daß trotz aller Künstlichkeit der Eindruck des Natürlichen niemals verlorenging, findet sich bei Stoskopff nicht viel. Lange Zeit war er halb vergessen, "schon im 18. Jahrhundert war der Name Sebastian Stoskopff so gut wie unbekannt", heißt es in dem Buch. Es wird seinen Beitrag dazu leisten, daß diese Zeit zu Ende geht. (Birgit Hahn-Woernle: "Sebastian Stoskopff". Mit einem kritischen Werkverzeichnis der Gemälde. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1996. 304 S., 166 Abb., geb., 198,- DM.) K.A.
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Die Stillebenmalerei war in ihrer Wertschätzung durch das Publikum kräftigen Schwankungen unterworfen. Was den einen als ihr besonderer Reiz erschien, der offensichtliche Gegensatz zwischen der aufwendigen Darstellung und der seelenlosen Materialität des Dargestellten, galt anderen als Zeichen für die Minderwertigkeit des ganzen Genres. Wer auf die Stimme der Akademien hörte, mußte ohnehin der Ansicht sein, daß es so etwas wie eine gottgewollte Reihenfolge auch in der Kunst gebe, nach der die Historienmalerei den ersten und das Stilleben den letzten Platz beanspruchen dürfe.
Dies Urteil war natürlich ungerecht, denn der Blick des Stillebenmalers suchte die Oberfläche der Dinge in aller Regel ja nur deshalb auf, weil er dahinter etwas ganz anderes entdeckt zu haben glaubte, die Botschaft nämlich von der Eitelkeit alles Irdischen, von der Vergänglichkeit der Pracht. Bei wenigen tritt dies Motiv so durchgängig hervor wie bei Sebastian Stoskopff, dem neben Georg Flegel wohl bedeutendsten deutschen Stillebenmaler aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Sein Werk, weit verstreut, bisher schlecht dokumentiert und deshalb größtenteils vergessen, liegt jetzt in einer neuen, mustergültigen Monographie von Birgit Hahn-Woernle vor.
Der Totenschädel und die Sanduhr, die zerborstene Mandoline und die niedergebrannte Kerze: das alles sind Gegenstände, die seinen Zeitgenossen als Symbole für die Hinfälligkeit der Dinge geläufig waren und ohne große Worte auch verstanden wurden. Sie sprechen aus, was die Glanzlichter auf Gold und Glas, die Stoskopff besonders gern und gut gemalt hat, nur andeuten: Vanitas vanitatum vanitas. "Kunst, Reichtum, Macht und Kühnheit stirbet, /Die Welt und all ihr Tun verdirbet, / Ein ewiges kommt nach dieser Zeit, / Ihr Thoren flieht die Eitelkeit" hat der Maler auf dem oben abgebildeten Stilleben vermerkt. Wie auch sonst auf seinen Bildern, sind die Gegenstände sorgfältig arrangiert, es herrscht eine bewußte, fast schon pedantische Ordnung. Bei Stoskopff sind die Tischdecken gebügelt, die Zitrone ist sorgfältig in Hälften geschnitten und so gelegt, daß sie nicht tropft und nicht flecken kann. Von der raffinierten Nachlässigkeit, mit der die zeitgenössischen Niederländer ihre Gegenstände so anordneten, daß trotz aller Künstlichkeit der Eindruck des Natürlichen niemals verlorenging, findet sich bei Stoskopff nicht viel. Lange Zeit war er halb vergessen, "schon im 18. Jahrhundert war der Name Sebastian Stoskopff so gut wie unbekannt", heißt es in dem Buch. Es wird seinen Beitrag dazu leisten, daß diese Zeit zu Ende geht. (Birgit Hahn-Woernle: "Sebastian Stoskopff". Mit einem kritischen Werkverzeichnis der Gemälde. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1996. 304 S., 166 Abb., geb., 198,- DM.) K.A.
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