Sebastião Salgado hat seit Anbeginn seiner Laufbahn in Afrika gearbeitet. Seine erste Reportage in Niger entstand in den 1970er Jahren, damals berichtete er von den Unabhängigkeitskriegen in Angola, Mosambik und Spanisch-Sahara. Seither hat er Katastrophen fotografiert, die Afrikas Bevölkerungen ereilten, die Dürre in Äthiopien, Sudan und Tschad, den Völkermord in Ruanda, Tausende von Flüchtlingen zusammengepfercht in notdürftigen Lagern, auf den Straßen verhungernd, verdurstend oder dahingerafft von Epidemien. Er fotografierte die Afrikaner aber auch bei Ackerbau und Fischerei und porträtierte jene, die nach langen Jahren des Exils in ihre Heimat zurückkamen.
In jüngerer Zeit ist Sebastião Salgado nach Afrika zurückgekehrt, um den Stolz und die Schönheit dieses Kontinents in Bildern festzuhalten: die Dünen und das Volk der Himba in Namibia, die Dinka im Süden Sudans, die in den Bergen lebenden Gorillas und das Virunga-Gebiet mit seinen Vulkanen in Ruanda, der demokratischen Republik Kongo und Uganda. Die Aufnahmen sind Teil des laufenden Projekts Genesis - fotografische Serien in Schwarzweiß von Landschaften, Fauna, Flora und menschlichen Gemeinschaften. Diese Arbeit ist angelegt als eine Erforschung der noch im Urzustand befindlichen Natur.
In jüngerer Zeit ist Sebastião Salgado nach Afrika zurückgekehrt, um den Stolz und die Schönheit dieses Kontinents in Bildern festzuhalten: die Dünen und das Volk der Himba in Namibia, die Dinka im Süden Sudans, die in den Bergen lebenden Gorillas und das Virunga-Gebiet mit seinen Vulkanen in Ruanda, der demokratischen Republik Kongo und Uganda. Die Aufnahmen sind Teil des laufenden Projekts Genesis - fotografische Serien in Schwarzweiß von Landschaften, Fauna, Flora und menschlichen Gemeinschaften. Diese Arbeit ist angelegt als eine Erforschung der noch im Urzustand befindlichen Natur.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.11.2007Biblisches Leid
Sebastião Salgados „Africa”
Sebastião Salgado hat Afrika mehr als 30 Jahre lang bereist, und doch scheint die Zeit auf seinen Bildern stillzustehen. Die Menschen fliehen 1994 aus Ruanda mit demselben leeren Ausdruck wie neun Jahre zuvor aus dem Tschad. Eine afrikanische Pietà wiegt ihr Kind in Äthiopien 1984 ebenso zärtlich und vergeblich wie ein Jahr später im Sudan. Die Grenzen von Ländern und Kriegen verschwimmen, Tage, Jahre lösen sich auf in einem gewaltigen Strom des Leidens. Und wenn die Sonne durch die Zweige des Affenbrotbaumes bricht, wo die Menschen auf ihrer Flucht im äthiopischen Krieg erschöpft niedergesunken sind, dann hüllt sie die Szene in ein überirdisches Licht.
Um die Vielzahl der Konflikte in diesem Band zu begreifen, bräuchte es eine ganze Bibliothek, aber die Bildunterschriften beschränken sich auf karge Informationen: Wann, wo, von wem vertrieben. So sind die Menschen immer geflohen, so werden sie weiterhin fliehen. Das Afrika des brasilianischen Fotografen Salgado kennt keine Entwicklung, kein Entkommen, nur Schicksal. Autos, Städte, überhaupt Hinweise auf die Moderne sucht man vergeblich, oft sind die Menschen nackt. Idyllen finden sich, wenn überhaupt, bei den Berggorillas oder bei den Himbas, einem der rückständigsten Völker Afrikas im Norden Namibias. Dass in Afrika inzwischen selbst die Massai Handys besitzen, würde man nach diesen Bildern nicht für möglich halten.
Es ist das große Verdienst Salgados, dass er Bilder von Konflikten zeigt, die die Welt gern vergessen würde und Szenen, die niemand sehen will – Amputierte, Sterbende, verwesende Körper. Aber es ist ein Problem, dass er sie so schön zeigt. Salgado schafft Ikonographien des Hungers, des Krieges, des Todes, biblische Figuren, die ihre Entwurzelungen und Entbehrungen voller Demut hinnehmen: Die blinde Frau in Mali, die mit weißen Augen auf Essen wartet, die sudanesische Familie, die zu einem hoffnungslosen Marsch in die Wüste aufbricht mit nichts als einem Esel und ein paar Wasserkanistern, werden in seinen Bildern zu Märtyrern. Das Leid hat sie zu Heiligen gemacht.
Dass dies dem Selbstbild und dem Werk vieler afrikanischer Künstler widerspricht wie etwa den hintergründigen Porträts des malischen Fotografen Malick Sidibé, ist das eine. Aber an Salgados statischer Monumentalität zerschellt auch jeder politische Appell: Dieses Afrika braucht von uns nichts außer Mitleid. SONJA ZEKRI
Sebastião Salgado
Africa
Mit Texten von Mia Couto. Taschen Verlag, Köln 2007. 333 Seiten, 49,99 Euro.
Was für ein Leid, aber auch: was für eine Schönheit! Ein Flüchtling aus Ruanda in einem Camp in Tansania, Dinkas in einem sudanesischen Viehlager, ein See zwischen Ruanda und Kongo, Kinder in der Sahelzone (v. oben). Sebastião Salgado/Amazonas images/Agentur Focus
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Sebastião Salgados „Africa”
Sebastião Salgado hat Afrika mehr als 30 Jahre lang bereist, und doch scheint die Zeit auf seinen Bildern stillzustehen. Die Menschen fliehen 1994 aus Ruanda mit demselben leeren Ausdruck wie neun Jahre zuvor aus dem Tschad. Eine afrikanische Pietà wiegt ihr Kind in Äthiopien 1984 ebenso zärtlich und vergeblich wie ein Jahr später im Sudan. Die Grenzen von Ländern und Kriegen verschwimmen, Tage, Jahre lösen sich auf in einem gewaltigen Strom des Leidens. Und wenn die Sonne durch die Zweige des Affenbrotbaumes bricht, wo die Menschen auf ihrer Flucht im äthiopischen Krieg erschöpft niedergesunken sind, dann hüllt sie die Szene in ein überirdisches Licht.
Um die Vielzahl der Konflikte in diesem Band zu begreifen, bräuchte es eine ganze Bibliothek, aber die Bildunterschriften beschränken sich auf karge Informationen: Wann, wo, von wem vertrieben. So sind die Menschen immer geflohen, so werden sie weiterhin fliehen. Das Afrika des brasilianischen Fotografen Salgado kennt keine Entwicklung, kein Entkommen, nur Schicksal. Autos, Städte, überhaupt Hinweise auf die Moderne sucht man vergeblich, oft sind die Menschen nackt. Idyllen finden sich, wenn überhaupt, bei den Berggorillas oder bei den Himbas, einem der rückständigsten Völker Afrikas im Norden Namibias. Dass in Afrika inzwischen selbst die Massai Handys besitzen, würde man nach diesen Bildern nicht für möglich halten.
Es ist das große Verdienst Salgados, dass er Bilder von Konflikten zeigt, die die Welt gern vergessen würde und Szenen, die niemand sehen will – Amputierte, Sterbende, verwesende Körper. Aber es ist ein Problem, dass er sie so schön zeigt. Salgado schafft Ikonographien des Hungers, des Krieges, des Todes, biblische Figuren, die ihre Entwurzelungen und Entbehrungen voller Demut hinnehmen: Die blinde Frau in Mali, die mit weißen Augen auf Essen wartet, die sudanesische Familie, die zu einem hoffnungslosen Marsch in die Wüste aufbricht mit nichts als einem Esel und ein paar Wasserkanistern, werden in seinen Bildern zu Märtyrern. Das Leid hat sie zu Heiligen gemacht.
Dass dies dem Selbstbild und dem Werk vieler afrikanischer Künstler widerspricht wie etwa den hintergründigen Porträts des malischen Fotografen Malick Sidibé, ist das eine. Aber an Salgados statischer Monumentalität zerschellt auch jeder politische Appell: Dieses Afrika braucht von uns nichts außer Mitleid. SONJA ZEKRI
Sebastião Salgado
Africa
Mit Texten von Mia Couto. Taschen Verlag, Köln 2007. 333 Seiten, 49,99 Euro.
Was für ein Leid, aber auch: was für eine Schönheit! Ein Flüchtling aus Ruanda in einem Camp in Tansania, Dinkas in einem sudanesischen Viehlager, ein See zwischen Ruanda und Kongo, Kinder in der Sahelzone (v. oben). Sebastião Salgado/Amazonas images/Agentur Focus
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Zwiespältig wirkt Sebastiao Salgados opulenter Band mit Fotografien Afrikas auf Rezensentin Sonja Zekri. Die Bilder des brasilianischen Fotografen, der Afrika seit über 30 Jahren bereist, zeigen in ihren Augen ein geradezu erschreckendes Leiden, aber auch überirdische Schönheit. Sie gewinnt den Eindruck, bei Salgado würden die Grenzen von Kriegen und Ländern verschwimmen und die Zeit still stehen. Dabei attestiert sie dem Fotografen, an vergessene Konflikte zu erinnern und Szenen vor Augen führen, die niemand sehen möchte. Problematisch erscheint Zekri allerdings die Ästhetik, derer sich Salgado bedient, um den Schrecken abzulichten: er schaffe "Ikonografien des Hungers, des Kriegs, des Todes" und zeige geradezu "biblische Figuren", die ihr Schicksal demütig hinnehmen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH