"Salus publica suprema lex - das Wohl der Allgemeinheit ist das höchste Gebot - das habe ich von Cicero gelernt."
Dieser Band versammelt sechs Reden von Helmut Schmidt aus jüngster Zeit. Der Bundeskanzler außer Dienst gewährt darin Einblick in sein Verständnis von Moral und Politik, von Gewissen und Vernunft, von der Rolle der Religion in der Gesellschaft, von Freiheit und Demokratie. Es handelt sich um sehr persönliche Zeugnisse eines außergewöhnlichen Staatsmanns.
Dieser Band versammelt sechs Reden von Helmut Schmidt aus jüngster Zeit. Der Bundeskanzler außer Dienst gewährt darin Einblick in sein Verständnis von Moral und Politik, von Gewissen und Vernunft, von der Rolle der Religion in der Gesellschaft, von Freiheit und Demokratie. Es handelt sich um sehr persönliche Zeugnisse eines außergewöhnlichen Staatsmanns.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2010Viel gelernt
Helmut Schmidts Reden
Längst hat er sie alle überholt. Kein Bundeskanzler vor oder nach ihm hat nach dem Ausscheiden aus dem Amt derart viel publiziert wie Helmut Schmidt. Selbst Willy Brandt nicht. Der hält zwar, was das zu Lebzeiten Veröffentlichte angeht, uneinholbar die Spitzenstellung, aber bezogen auf die Zahl der nach der Kanzlerschaft vorgelegten Bücher liegt sein Nachfolger vorn. Nach diversen Erinnerungsbänden, Sachbüchern und Gesprächsprotokollen folgen jetzt sechs Vorträge aus den Jahren 2007 bis 2009. Man kann in dieser Minimalisierung der äußeren Form einen Tribut an das biblische Alter oder auch eine Konzentration auf das Wesentliche sehen, das sich gegebenenfalls auf wenigen Seiten festhalten lässt. Vor allem aber erhellt die reduzierte Form der Rede eines der Erfolgsrezepte des Bestsellerautors: Schmidts Bücher leben von ihren autobiographischen Elementen. Auch seine Rede aus Anlass des feierlichen Gelöbnisses der Rekruten der Bundeswehr am 20. Juli 2008, die den Anfang macht. Zwischen der Situation eines Bundeswehrsoldaten, der "einer heute friedfertigen Nation und ihrem heute rechtlich geordneten Staat" dient, und einem Wehrmachtsangehörigen, der "weiterhin seine Befehle und Pflichten befolgt", obgleich er den "verbrecherischen Charakter des ,Dritten Reiches'" inzwischen erkannt hat, liegen Welten. Dass Schmidt den Charakter des Regimes damals überhaupt verstanden hat, führt er einmal mehr auf den "unmenschlichen Schauprozess gegen die Widerstandskämpfer des 20. Juli" 1944 zurück. Der junge Offizier Schmidt war für einen Tag dorthin abkommandiert und verfolgte das Verfahren unter anderem gegen den von ihm namentlich nicht genannten Diplomaten Ulrich von Hassell.
Die Erkenntnis, dass die Deutschen aus der Geschichte gelernt haben, dass "alle acht Bundeskanzler und ihre politischen Parteien und Fraktionen mit der parlamentarischen Demokratie sehr viel klüger umgegangen sind" als die Reichskanzler der Weimarer Republik, schließt ein bescheidenes Selbstlob, aber auch den Hinweis ein, dass Helmut Schmidt Frieden mit seiner Partei gemacht hat - auch auf jenem Feld, das vor 30 Jahren für den Bruch sorgte. Jedenfalls ließ der Altkanzler in einer Rede, mit der er im Mai 2009 die SPD-Bundestagsfraktion beglückte, wie schon zuvor keinen Zweifel, dass er die Außen- und Sicherheits-, namentlich die China-, die Irak- und die Afghanistan-Politik seiner Partei für "voll gerechtfertigt" hält.
GREGOR SCHÖLLGEN
Helmut Schmidt: Sechs Reden. C.H. Beck Verlag, München 2010. 95 S., 14,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Helmut Schmidts Reden
Längst hat er sie alle überholt. Kein Bundeskanzler vor oder nach ihm hat nach dem Ausscheiden aus dem Amt derart viel publiziert wie Helmut Schmidt. Selbst Willy Brandt nicht. Der hält zwar, was das zu Lebzeiten Veröffentlichte angeht, uneinholbar die Spitzenstellung, aber bezogen auf die Zahl der nach der Kanzlerschaft vorgelegten Bücher liegt sein Nachfolger vorn. Nach diversen Erinnerungsbänden, Sachbüchern und Gesprächsprotokollen folgen jetzt sechs Vorträge aus den Jahren 2007 bis 2009. Man kann in dieser Minimalisierung der äußeren Form einen Tribut an das biblische Alter oder auch eine Konzentration auf das Wesentliche sehen, das sich gegebenenfalls auf wenigen Seiten festhalten lässt. Vor allem aber erhellt die reduzierte Form der Rede eines der Erfolgsrezepte des Bestsellerautors: Schmidts Bücher leben von ihren autobiographischen Elementen. Auch seine Rede aus Anlass des feierlichen Gelöbnisses der Rekruten der Bundeswehr am 20. Juli 2008, die den Anfang macht. Zwischen der Situation eines Bundeswehrsoldaten, der "einer heute friedfertigen Nation und ihrem heute rechtlich geordneten Staat" dient, und einem Wehrmachtsangehörigen, der "weiterhin seine Befehle und Pflichten befolgt", obgleich er den "verbrecherischen Charakter des ,Dritten Reiches'" inzwischen erkannt hat, liegen Welten. Dass Schmidt den Charakter des Regimes damals überhaupt verstanden hat, führt er einmal mehr auf den "unmenschlichen Schauprozess gegen die Widerstandskämpfer des 20. Juli" 1944 zurück. Der junge Offizier Schmidt war für einen Tag dorthin abkommandiert und verfolgte das Verfahren unter anderem gegen den von ihm namentlich nicht genannten Diplomaten Ulrich von Hassell.
Die Erkenntnis, dass die Deutschen aus der Geschichte gelernt haben, dass "alle acht Bundeskanzler und ihre politischen Parteien und Fraktionen mit der parlamentarischen Demokratie sehr viel klüger umgegangen sind" als die Reichskanzler der Weimarer Republik, schließt ein bescheidenes Selbstlob, aber auch den Hinweis ein, dass Helmut Schmidt Frieden mit seiner Partei gemacht hat - auch auf jenem Feld, das vor 30 Jahren für den Bruch sorgte. Jedenfalls ließ der Altkanzler in einer Rede, mit der er im Mai 2009 die SPD-Bundestagsfraktion beglückte, wie schon zuvor keinen Zweifel, dass er die Außen- und Sicherheits-, namentlich die China-, die Irak- und die Afghanistan-Politik seiner Partei für "voll gerechtfertigt" hält.
GREGOR SCHÖLLGEN
Helmut Schmidt: Sechs Reden. C.H. Beck Verlag, München 2010. 95 S., 14,- [Euro].
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