Produktdetails
- Verlag: Fourth Estate / GB Gardners Books
- 2000.
- Seitenzahl: 198
- Englisch
- Abmessung: 200mm
- Gewicht: 266g
- ISBN-13: 9781841152868
- ISBN-10: 1841152862
- Artikelnr.: 09613826
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2002Auch weiße Wollfädchen haben klein angefangen
Richard Panek erzählt die Geschichte des Teleskops als Geschichte des Universums
Alle Rezensenten sind Lügner. Sie flunkern aus Höflichkeit, aus Unsicherheit oder vielleicht auch mal, weil sie zum gleichen Klub wie der besprochene Autor gehören. Ein Leser mit ein wenig Lebenserfahrung weiß das natürlich und denkt sich seinen Teil. Manchmal, wenn die Sterne günstig stehen, kommt aber auch ein Buch mit der Post, bei dem der Rezensent nicht lügen muß. Das ist, wie wenn man völlig unerwartet am Bahnhof von Gösselstadt eine wunderbare Eisdiele entdeckt. Die Schlagsahne ist perfekt, im Hintergrund läuft "Twilight Time" von den Platters und die Bedienung hat genau die richtige Oberweite.
Anzuzeigen ist ein eher altmodisches Buch. Es hat einen schönen Schutzumschlag, das Papier hat genau den richtigen gelblichen Ton und man wird nicht von irritierenden Druckfehlern genervt. Im Impressum steht "Gesetzt aus der Minion von Offizin Wissenbach . . .". Nicht daß man wirklich wüßte, was die Minion ist, geschweige denn eine Offizin, aber schön ist sie schon, die Minion. Und zu einem Verlag, der auf seine Typographie stolz ist, faßt man gleich ein gewisses Vertrauen.
"Das Auge Gottes" von Richard Panek beschäftigt sich mit der Geschichte des Teleskops und wie es dazu beitrug, unser Wissen über das Universum zu mehren. Es richtet sich eher an den Durchschnittsleser, der sich nicht brennend für dieses Thema interessiert. Hinterher hat man das Gefühl, ordentlich informiert zu sein, und ärgert sich höchstens, daß man so lange ohne diese Kenntnisse auskommen mußte.
Die ersten Fernrohre waren wie die ersten Digitaluhren: mehr Anstrengung als Genuß. Ob das Fernrohr einen wohldefinierten Erfinder hat oder ob es durch graduelle Verbesserung entstand, weiß man wohl nicht so genau. Irgendwann am Anfang des siebzehnten Jahrhunderts war es in Holland plötzlich da. Galileo Galilei verwendete es für Beobachtungen des Sternenhimmels. Was er dabei sah, war nicht nur eine quantitative Verbesserung des bisher Bekannten. Er sah die Berge auf dem Mond. Die Planeten waren keine Lichtpunkte mehr wie die Fixsterne, sie waren massive Kugeln wie die Erde. Ein Mond war nicht mehr etwas Besonderes. Der Jupiter hatte auch einen. Damit war die Richtigkeit des heliozentrischen Systems von Kopernikus noch nicht bewiesen, aber doch wesentlich plausibler.
Johannes Kepler erfand das astronomische Fernrohr. Es vergrößerte besser, aber es stellte das Bild auf den Kopf. Man beobachtete damit sehr gut den Mond, doch für Voyeure eignete es sich weniger. 1655 konnte Huygens mit einem sieben Meter langen Exemplar die Ringe des Saturns erkennen. Im keplerschen Fernrohr konnte man auch ein Fadenkreuz einbauen und erstmalig präzise Messungen vornehmen. Kombiniert mit Isaak Newtons theoretischen Überlegungen zur Himmelsmechanik (1667), lieferte das bereits ein ganz brauchbares Bild unseres Sonnensystems.
Um unsere Milchstraße zu begreifen, brauchte man bessere Instrumente. 1721 stellte James Bradley das Spiegelteleskop vor. Noch nicht einmal damit konnte er die Entfernung eines Fixsternes bestimmen. Über hundert Jahre später fand endlich Friedrich Wilhelm Bessel mit einem verbesserten Linsenteleskop heraus, daß der Stern Nr. 61 des Sternbildes Schwan (61 Cygni) siebenundneunzig Billionen Kilometer von uns entfernt ist. Dazu beobachtete er ihn zweimal im Abstand von sechs Monaten. Da die Erde sich in dieser Zeit um den Durchmesser der Erdbahn bewegt hatte, konnte er eine winzige Verschiebung des Himmelskörpers messen.
Der nächste Schritt war die Kombination des Teleskops mit zwei weiteren Erfindungen. Die Fotografie half, die Beobachtungen des Himmels zu dokumentieren. Außerdem konnte man eine Platte sehr lange belichten und deshalb darauf auch feinste Einzelheiten entdecken. Mit einem Spektroskop ließ sich das Licht eines Objekts am Sternenhimmel in seine Bestandteile zerlegen. So unterschied man zum Beispiel Sternenhaufen von leuchtenden Gaswolken.
Um 1900 kannte man nur eine einzige Galaxis, die vor unserer Haustür. Theorien, daß die sogenannten Nebel weitere Galaxien waren, ernteten zunächst Spott und setzten sich nur langsam durch. Erst 1923/24 konnte Edwin Hubble nachweisen, daß der Andromeda-Nebel eine Million Lichtjahre von unserer Milchstraße entfernt ist.
Ein mysteriöses Rauschen störte 1932 die neueröffnete Fernsprechverbindung über den Atlantik. Karl Jansky fand heraus, daß die Intensität dieser Störungen im Sternbild des Schützen besonders groß war. In dieser Richtung liegt das Zentrum unserer Milchstraße. Diese Entdeckung war die Geburtsstunde der Radioastronomie. Wenn eine pfeifende Dampflokomotive an uns vorbeifährt, können wir mit geschlossenen Augen nur anhand der Tonhöhe entscheiden, wann sie beginnt, sich von uns zu entfernen. Mit einer analogen Überlegung kann man zeigen, daß die Sterne im Universum auseinanderfliegen. Eine mögliche Erklärung dafür bietet die Urknall-Theorie: Das Universum war winzig, als es entstand, und vergrößerte sich dann explosionsartig. Wenn man genauer nachrechnet, stellt man fest, daß von diesem Ereignis noch eine gewisse Hintergrundstrahlung übriggeblieben sein muß. Und genau diese Hintergrundstrahlung wurde 1964 von den Radio-Ingenieuren Arno Penzias und Robert Wilson gemessen.
Mit dem nach Edwin Hubble benannten Weltraumteleskop Hubble hat man 1996 Beobachtungen gemacht, die zu der Schätzung Anlaß gaben, daß das Universum 100 Milliarden Galaxien enthält. Zwei Jahre später behauptete ein Astronom, er habe an einer bestimmten Stelle des Himmels nichts gesehen. Vielleicht wäre das die größte Entdeckung in der Geschichte der Astronomie: nichts. Wenn seit dem Urknall x Jahre vergangen sind, dann kann man höchstens x Lichtjahre weit blicken. Die entferntesten Galaxien sehen wir nur als Babys. Das Teleskop ist eigentlich eine Zeitmaschine. Irgendwann beziehungsweise irgendwo ist Sense.
Soweit eine kleine Zusammenfassung des Buchs. Panek beschreibt die Geschichte des Teleskops ruhig, sachlich, einleuchtend wie der gute Lehrer, den man auf dem Gymnasium nicht hatte. Was will man mehr? Es gibt keine Illustrationen. Um ehrlich zu sein, vermißt man sie nicht sehr. Sterne sehen für uns Laien alle gleich aus. Eine Supernova im Andromeda-Nebel ist nur ein verwaschener Punkt. Eridanus gleicht einem Wollfädchen, das ein Kind verloren hat. Wichtiger wären vielleicht ein paar Schemazeichnungen von Teleskopen unterschiedlicher Bauart gewesen. Für Fotos von bärtigen Männern neben ziselierten Messingrohren ist das Kaffeetisch-Format eh besser geeignet.
ERNST HORST
Richard Panek: "Das Auge Gottes". Das Teleskop und die lange Entdeckung der Unendlichkeit. Aus dem Amerikanischen von Dieter Zimmer. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2001. 196 S., geb., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Richard Panek erzählt die Geschichte des Teleskops als Geschichte des Universums
Alle Rezensenten sind Lügner. Sie flunkern aus Höflichkeit, aus Unsicherheit oder vielleicht auch mal, weil sie zum gleichen Klub wie der besprochene Autor gehören. Ein Leser mit ein wenig Lebenserfahrung weiß das natürlich und denkt sich seinen Teil. Manchmal, wenn die Sterne günstig stehen, kommt aber auch ein Buch mit der Post, bei dem der Rezensent nicht lügen muß. Das ist, wie wenn man völlig unerwartet am Bahnhof von Gösselstadt eine wunderbare Eisdiele entdeckt. Die Schlagsahne ist perfekt, im Hintergrund läuft "Twilight Time" von den Platters und die Bedienung hat genau die richtige Oberweite.
Anzuzeigen ist ein eher altmodisches Buch. Es hat einen schönen Schutzumschlag, das Papier hat genau den richtigen gelblichen Ton und man wird nicht von irritierenden Druckfehlern genervt. Im Impressum steht "Gesetzt aus der Minion von Offizin Wissenbach . . .". Nicht daß man wirklich wüßte, was die Minion ist, geschweige denn eine Offizin, aber schön ist sie schon, die Minion. Und zu einem Verlag, der auf seine Typographie stolz ist, faßt man gleich ein gewisses Vertrauen.
"Das Auge Gottes" von Richard Panek beschäftigt sich mit der Geschichte des Teleskops und wie es dazu beitrug, unser Wissen über das Universum zu mehren. Es richtet sich eher an den Durchschnittsleser, der sich nicht brennend für dieses Thema interessiert. Hinterher hat man das Gefühl, ordentlich informiert zu sein, und ärgert sich höchstens, daß man so lange ohne diese Kenntnisse auskommen mußte.
Die ersten Fernrohre waren wie die ersten Digitaluhren: mehr Anstrengung als Genuß. Ob das Fernrohr einen wohldefinierten Erfinder hat oder ob es durch graduelle Verbesserung entstand, weiß man wohl nicht so genau. Irgendwann am Anfang des siebzehnten Jahrhunderts war es in Holland plötzlich da. Galileo Galilei verwendete es für Beobachtungen des Sternenhimmels. Was er dabei sah, war nicht nur eine quantitative Verbesserung des bisher Bekannten. Er sah die Berge auf dem Mond. Die Planeten waren keine Lichtpunkte mehr wie die Fixsterne, sie waren massive Kugeln wie die Erde. Ein Mond war nicht mehr etwas Besonderes. Der Jupiter hatte auch einen. Damit war die Richtigkeit des heliozentrischen Systems von Kopernikus noch nicht bewiesen, aber doch wesentlich plausibler.
Johannes Kepler erfand das astronomische Fernrohr. Es vergrößerte besser, aber es stellte das Bild auf den Kopf. Man beobachtete damit sehr gut den Mond, doch für Voyeure eignete es sich weniger. 1655 konnte Huygens mit einem sieben Meter langen Exemplar die Ringe des Saturns erkennen. Im keplerschen Fernrohr konnte man auch ein Fadenkreuz einbauen und erstmalig präzise Messungen vornehmen. Kombiniert mit Isaak Newtons theoretischen Überlegungen zur Himmelsmechanik (1667), lieferte das bereits ein ganz brauchbares Bild unseres Sonnensystems.
Um unsere Milchstraße zu begreifen, brauchte man bessere Instrumente. 1721 stellte James Bradley das Spiegelteleskop vor. Noch nicht einmal damit konnte er die Entfernung eines Fixsternes bestimmen. Über hundert Jahre später fand endlich Friedrich Wilhelm Bessel mit einem verbesserten Linsenteleskop heraus, daß der Stern Nr. 61 des Sternbildes Schwan (61 Cygni) siebenundneunzig Billionen Kilometer von uns entfernt ist. Dazu beobachtete er ihn zweimal im Abstand von sechs Monaten. Da die Erde sich in dieser Zeit um den Durchmesser der Erdbahn bewegt hatte, konnte er eine winzige Verschiebung des Himmelskörpers messen.
Der nächste Schritt war die Kombination des Teleskops mit zwei weiteren Erfindungen. Die Fotografie half, die Beobachtungen des Himmels zu dokumentieren. Außerdem konnte man eine Platte sehr lange belichten und deshalb darauf auch feinste Einzelheiten entdecken. Mit einem Spektroskop ließ sich das Licht eines Objekts am Sternenhimmel in seine Bestandteile zerlegen. So unterschied man zum Beispiel Sternenhaufen von leuchtenden Gaswolken.
Um 1900 kannte man nur eine einzige Galaxis, die vor unserer Haustür. Theorien, daß die sogenannten Nebel weitere Galaxien waren, ernteten zunächst Spott und setzten sich nur langsam durch. Erst 1923/24 konnte Edwin Hubble nachweisen, daß der Andromeda-Nebel eine Million Lichtjahre von unserer Milchstraße entfernt ist.
Ein mysteriöses Rauschen störte 1932 die neueröffnete Fernsprechverbindung über den Atlantik. Karl Jansky fand heraus, daß die Intensität dieser Störungen im Sternbild des Schützen besonders groß war. In dieser Richtung liegt das Zentrum unserer Milchstraße. Diese Entdeckung war die Geburtsstunde der Radioastronomie. Wenn eine pfeifende Dampflokomotive an uns vorbeifährt, können wir mit geschlossenen Augen nur anhand der Tonhöhe entscheiden, wann sie beginnt, sich von uns zu entfernen. Mit einer analogen Überlegung kann man zeigen, daß die Sterne im Universum auseinanderfliegen. Eine mögliche Erklärung dafür bietet die Urknall-Theorie: Das Universum war winzig, als es entstand, und vergrößerte sich dann explosionsartig. Wenn man genauer nachrechnet, stellt man fest, daß von diesem Ereignis noch eine gewisse Hintergrundstrahlung übriggeblieben sein muß. Und genau diese Hintergrundstrahlung wurde 1964 von den Radio-Ingenieuren Arno Penzias und Robert Wilson gemessen.
Mit dem nach Edwin Hubble benannten Weltraumteleskop Hubble hat man 1996 Beobachtungen gemacht, die zu der Schätzung Anlaß gaben, daß das Universum 100 Milliarden Galaxien enthält. Zwei Jahre später behauptete ein Astronom, er habe an einer bestimmten Stelle des Himmels nichts gesehen. Vielleicht wäre das die größte Entdeckung in der Geschichte der Astronomie: nichts. Wenn seit dem Urknall x Jahre vergangen sind, dann kann man höchstens x Lichtjahre weit blicken. Die entferntesten Galaxien sehen wir nur als Babys. Das Teleskop ist eigentlich eine Zeitmaschine. Irgendwann beziehungsweise irgendwo ist Sense.
Soweit eine kleine Zusammenfassung des Buchs. Panek beschreibt die Geschichte des Teleskops ruhig, sachlich, einleuchtend wie der gute Lehrer, den man auf dem Gymnasium nicht hatte. Was will man mehr? Es gibt keine Illustrationen. Um ehrlich zu sein, vermißt man sie nicht sehr. Sterne sehen für uns Laien alle gleich aus. Eine Supernova im Andromeda-Nebel ist nur ein verwaschener Punkt. Eridanus gleicht einem Wollfädchen, das ein Kind verloren hat. Wichtiger wären vielleicht ein paar Schemazeichnungen von Teleskopen unterschiedlicher Bauart gewesen. Für Fotos von bärtigen Männern neben ziselierten Messingrohren ist das Kaffeetisch-Format eh besser geeignet.
ERNST HORST
Richard Panek: "Das Auge Gottes". Das Teleskop und die lange Entdeckung der Unendlichkeit. Aus dem Amerikanischen von Dieter Zimmer. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2001. 196 S., geb., 16,- [Euro].
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