Der Grazer Dichter Werner Schwab, Jung-Star des deutschsprachigen Theaters am Anfang des Jahrzehnts; Hunderte von Premieren; repertoirefähig geworden mit Stücken wie "Die Präsidentinnen" und "Volksvernichtung" oder "Meine Leber ist sinnlos"; verehrt und verachtet als österreichischer poète maudit für den Rest seines Werkes - dieser Schwab wurde wie kein anderer gemessen an seinem öffentlichen Auftreten. Betrunkener Literaturtarzan, blonder Hüne, Death-Metal-Poet.
Seit seinem nicht vollkommen überraschenden Tod am Neujahrstag 1994 liegt nun das Gesamtwerk des österreichischen Theatergenies vor. Dahinter verbirgt sich die Geschichte eines klassischen Genieauftritts. Wer war dieser Werner Schwab wirklich? Eine Recherche.
Seit seinem nicht vollkommen überraschenden Tod am Neujahrstag 1994 liegt nun das Gesamtwerk des österreichischen Theatergenies vor. Dahinter verbirgt sich die Geschichte eines klassischen Genieauftritts. Wer war dieser Werner Schwab wirklich? Eine Recherche.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.1996Ruhm für drei Jahre
Helmut Schödel erinnert an den Dramatiker Werner Schwab
Ältere und darum altmodische Herrschaften, zu denen sich auch der Rezensent zählt, hatten mit dem jugendlichen Schriftsteller stets Probleme. Das über Nacht populär gewordene Grazer Originalgenie, in heutigem Jargon der Shooting-Star schlechthin, roch ihnen allzu sehr nach Medienprodukt, nach Provokationskalkül und Selbstvermarktung. Alsbald lieferte die einmal im Branchenregister eingetragene Dramen-Konfektionsfirma Werner Schwab Stücke am laufenden Band. Humanistische Absichten waren dem Autor offenbar völlig fremd, er bevorzugte das Gegenteil: Schock, Ekel, stilisierte Menschenverachtung und Tabubruch um jeden Preis, mit Vorliebe um den der Geschmacklosigkeit.
Kretins und sogenannte Untermenschen, von dumpfen Sexualobsessionen getriebene Seelenkrüppel bevölkerten die Schwabsche Welt, ihre Sprache war kalauernde Notzucht an Grammatik und semantischer Tradition. Aber die - häufig obszönen - Wortungetüme verloren rasch ihre Verblüffungskraft, weil sie inflationär auftraten. Die ausgehungerten Bühnen freilich rissen Werner Schwab seine angeblich verruchten Arbeiten aus der Hand. Kein Wunder, daß sich unter der Massenware viel Ausschuß befand.
Gleichwohl blitzten noch im Mißlungenen immer wieder Talentfunken auf. Und einige Gustostückerl aus Schwabs OEuvre, insbesondere "Fäkaliendramen" wie "Die Präsidentinnen", "Volksvernichtung" oder "Mein Hundemund", dürften so schnell nicht im Orkus des Vergessens verschwinden. Sie werden als befremdliche Zeugnisse ihrer Epoche überdauern. Anno 1992 ist der Österreicher Werner Schwab in Deutschland zum "Dramatiker des Jahres" gekürt worden. Sein Ruhm bei Lebzeiten währte nur zwei Jahre. Am Neujahrstag 1994, knapp fünf Wochen vor dem sechsunddreißigsten Geburtstag, starb der Exzeß-Trinker im komatösen Rausch.
Einer, der seine Karriere von Anbeginn verfolgt und publizistisch gefördert hatte, legt nun die erste Schwab-Monographie unter dem Titel "Seele brennt" vor. In einem der im Band abgedruckten Interviews bekennt Helmut Schödel freimütig: "Ich schreibe keine Biographien. Ich bin Feuilleton-Journalist." Das stimmt und ist kein Unglück, denn Schödel beherrscht sein Handwerk zweifellos. Der Feuilletonist formuliert pointiert, manchmal sogar effektvoll, er spielt mit den Genres der Darstellung. Dennoch sind seine Sätze nicht bloß Selbstzweck, man spürt in ihnen Respekt vor dem Toten und Sympathie für ihn.
Dem aus der Unterschicht stammenden Porträtierten erspart er die Aura schwarzer Romantik ebenso wie rührselige Sozialpathetik. Die Kenntnis des Lebenshintergrunds, genauer gesagt: der Lebenstragödie des rasanten Untergehers Werner Schwab ermöglicht in der Tat eine etwas differenziertere Sicht auf dessen Werk. Schwabs Zynismus war aus existentieller Not geboren und hat sich erst später, im Taumel des Erfolges, zum allzu leicht verfügbaren Markenzeichen verselbständigt. Bei der Lektüre des schlanken Buches drängt sich allerdings ein Verdacht auf: Das spannendste und zugleich traurigste Drama des Theater-Berserkers Werner Schwab war vielleicht doch sein ureigenes: die Geschichte einer Selbstzerstörung. ULRICH WEINZIERL
Helmut Schödel: "Seele brennt". Der Dichter Werner Schwab. Deuticke Verlag, Wien 1995. 176 S., geb., 34,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Helmut Schödel erinnert an den Dramatiker Werner Schwab
Ältere und darum altmodische Herrschaften, zu denen sich auch der Rezensent zählt, hatten mit dem jugendlichen Schriftsteller stets Probleme. Das über Nacht populär gewordene Grazer Originalgenie, in heutigem Jargon der Shooting-Star schlechthin, roch ihnen allzu sehr nach Medienprodukt, nach Provokationskalkül und Selbstvermarktung. Alsbald lieferte die einmal im Branchenregister eingetragene Dramen-Konfektionsfirma Werner Schwab Stücke am laufenden Band. Humanistische Absichten waren dem Autor offenbar völlig fremd, er bevorzugte das Gegenteil: Schock, Ekel, stilisierte Menschenverachtung und Tabubruch um jeden Preis, mit Vorliebe um den der Geschmacklosigkeit.
Kretins und sogenannte Untermenschen, von dumpfen Sexualobsessionen getriebene Seelenkrüppel bevölkerten die Schwabsche Welt, ihre Sprache war kalauernde Notzucht an Grammatik und semantischer Tradition. Aber die - häufig obszönen - Wortungetüme verloren rasch ihre Verblüffungskraft, weil sie inflationär auftraten. Die ausgehungerten Bühnen freilich rissen Werner Schwab seine angeblich verruchten Arbeiten aus der Hand. Kein Wunder, daß sich unter der Massenware viel Ausschuß befand.
Gleichwohl blitzten noch im Mißlungenen immer wieder Talentfunken auf. Und einige Gustostückerl aus Schwabs OEuvre, insbesondere "Fäkaliendramen" wie "Die Präsidentinnen", "Volksvernichtung" oder "Mein Hundemund", dürften so schnell nicht im Orkus des Vergessens verschwinden. Sie werden als befremdliche Zeugnisse ihrer Epoche überdauern. Anno 1992 ist der Österreicher Werner Schwab in Deutschland zum "Dramatiker des Jahres" gekürt worden. Sein Ruhm bei Lebzeiten währte nur zwei Jahre. Am Neujahrstag 1994, knapp fünf Wochen vor dem sechsunddreißigsten Geburtstag, starb der Exzeß-Trinker im komatösen Rausch.
Einer, der seine Karriere von Anbeginn verfolgt und publizistisch gefördert hatte, legt nun die erste Schwab-Monographie unter dem Titel "Seele brennt" vor. In einem der im Band abgedruckten Interviews bekennt Helmut Schödel freimütig: "Ich schreibe keine Biographien. Ich bin Feuilleton-Journalist." Das stimmt und ist kein Unglück, denn Schödel beherrscht sein Handwerk zweifellos. Der Feuilletonist formuliert pointiert, manchmal sogar effektvoll, er spielt mit den Genres der Darstellung. Dennoch sind seine Sätze nicht bloß Selbstzweck, man spürt in ihnen Respekt vor dem Toten und Sympathie für ihn.
Dem aus der Unterschicht stammenden Porträtierten erspart er die Aura schwarzer Romantik ebenso wie rührselige Sozialpathetik. Die Kenntnis des Lebenshintergrunds, genauer gesagt: der Lebenstragödie des rasanten Untergehers Werner Schwab ermöglicht in der Tat eine etwas differenziertere Sicht auf dessen Werk. Schwabs Zynismus war aus existentieller Not geboren und hat sich erst später, im Taumel des Erfolges, zum allzu leicht verfügbaren Markenzeichen verselbständigt. Bei der Lektüre des schlanken Buches drängt sich allerdings ein Verdacht auf: Das spannendste und zugleich traurigste Drama des Theater-Berserkers Werner Schwab war vielleicht doch sein ureigenes: die Geschichte einer Selbstzerstörung. ULRICH WEINZIERL
Helmut Schödel: "Seele brennt". Der Dichter Werner Schwab. Deuticke Verlag, Wien 1995. 176 S., geb., 34,- DM.
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