Im vorliegenden Band, der in der Edition Lyrik Kabinett bei Hanser erscheint, setzt Christoph Meckel seine poetischen Erkundungen fort. Öffentlichkeit und Privatheit, Propaganda und Stille, das sind die Gegensätze, in denen seine Gedichte unsere Gegenwart und unsere heutige Existenz sehen. Und in ihrem Eigensinn, ihrem Widerspruchsgeist und in ihrer sprachlichen Schönheit stellen sie der öffentlichen Sprache eine Kraft entgegen, die nur in der Poesie möglich ist.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2007Christoph Meckel dichtet melancholisch
Das Gedicht als Waffe? Wo Wolfgang Weyrauch 1956 kämpferisch schrieb: "Mein Gedicht ist die Welt // der diagonalen Messer", betitelt Christoph Meckel seinen jüngsten Gedichtband vermittelnder "Seele des Messers". Ein zentrales Gedicht gibt sich so nüchtern wie prophetisch: "Die Kunstgeschichte der Zukunft wird / ein Geschäftsbericht sein". Denn: "Das in Zukunft Geschaffne verfällt / im Vakuum - ein geisterhafter Raum / voll Bilder ohne Handelswert". Es endet aber keineswegs entmutigend: "Kein Grund zur Klage. In diesem Raum / entsteht, ohne Sponsor / das unerhörte Motiv / aus Folie, Dreck, Papier - kann sein / ein zerfetztes Gesicht / mit dem Titel Seele des Messers".
Die "Seele des Messers" ist also ein Kunstwerk, das ungeachtet ökonomischer Gesetze entsteht und mit Vorgefundenem umgeht. Das Gedicht versammelt nicht nur Motive des Bandes, sondern beschreibt auch Meckels rund fünfzig Jahre andauerndes literarisches Schaffen. Wurzelnd im romantischen Kunstverständnis, ist es geprägt von der Hoffnung, Unbelebtes zu beleben, wohlwissend, dass das Geschaffene belebende und zerstörerische Kräfte birgt.
Die rund fünfzig meist frei rhythmischen Gedichte, die durch den großzügigen Gebrauch von Tropen rhetorisch oft etwas forciert wirken, stehen in der lyrischen Tradition Günter Eichs, Bertolt Brechts und Paul Celans. In ihrer Vorliebe für scheinbar wertlosen Plunder suchen sie im Zufälligen das Bedeutsame. Träumer und Außenseiter, zwielichtige, mythologische und biblische Gestalten und geliebte Frauen bevölkern die Verse. Schauplätze sind die Natur oder das surrealistisch überhöhte Dickicht der Städte. Ein Blick auf "Obstgärten voll Laub" entdeckt: "Das Laub wird zu Gold / wenn der Engel durch den Birnbaum fliegt" ("Gedicht im Oktober"). Durch die Naturbeobachtung entflammt sich die poetische Sprache, in ihr entsteht das Gedicht: "Und immer noch wachsen und welken / die nicht verwandelten Blätter." Dennoch ersehnt Meckels Lyrik nicht die Flucht in die Idylle. "Das Gedicht ist nicht der Ort, wo das Sterben begütigt, wo der Hunger gestillt, wo die Hoffnung verklärt wird", hieß es schon in der "Rede vom Gedicht".
In "Seele des Messers" stehen den Versen, in denen die Poesie gefeiert wird, solche gegenüber, die an Resignation grenzen. Zwischen Freude und Trauer, Glück und Unglück, Rausch und Ernüchterung gewinnen Düsternis und Negativität vielfach die Oberhand. Beschreibungen von Winter, Tod, Schlaflosigkeit, Einsamkeit, Auslöschung, Nacht, Dürre und Hölle enden in der Leere, was sich so liest: "Die Zeit ist leer" ("Nachtsaison"), "die Nacht nach dem Tod war leer und trocken" ("Fragment"), "leere Plätze, vollkommen leer" ("Platz") "Sturm der die Tore zuschlug / Halleluja der Leere" ("Raum").
Diese dekontextualisierte Aufzählung geschieht nicht um der Pointe willen. Sie illustriert aber, dass "Seele des Messers" ein Totenlied so häufig und wortreich anstimmt, dass man diesen Abgesang als Gassenhauer hört, ehe man den Band zu Ende gelesen hat. Es muss nicht Kampfeslust sein, die aus Gedichten spricht; Larmoyanz ist aber keine gute Alternative.
BEATE TRÖGER
Christoph Meckel: "Seele des Messers". Hanser Verlag, München 2006. 80 S., br., 14,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Gedicht als Waffe? Wo Wolfgang Weyrauch 1956 kämpferisch schrieb: "Mein Gedicht ist die Welt // der diagonalen Messer", betitelt Christoph Meckel seinen jüngsten Gedichtband vermittelnder "Seele des Messers". Ein zentrales Gedicht gibt sich so nüchtern wie prophetisch: "Die Kunstgeschichte der Zukunft wird / ein Geschäftsbericht sein". Denn: "Das in Zukunft Geschaffne verfällt / im Vakuum - ein geisterhafter Raum / voll Bilder ohne Handelswert". Es endet aber keineswegs entmutigend: "Kein Grund zur Klage. In diesem Raum / entsteht, ohne Sponsor / das unerhörte Motiv / aus Folie, Dreck, Papier - kann sein / ein zerfetztes Gesicht / mit dem Titel Seele des Messers".
Die "Seele des Messers" ist also ein Kunstwerk, das ungeachtet ökonomischer Gesetze entsteht und mit Vorgefundenem umgeht. Das Gedicht versammelt nicht nur Motive des Bandes, sondern beschreibt auch Meckels rund fünfzig Jahre andauerndes literarisches Schaffen. Wurzelnd im romantischen Kunstverständnis, ist es geprägt von der Hoffnung, Unbelebtes zu beleben, wohlwissend, dass das Geschaffene belebende und zerstörerische Kräfte birgt.
Die rund fünfzig meist frei rhythmischen Gedichte, die durch den großzügigen Gebrauch von Tropen rhetorisch oft etwas forciert wirken, stehen in der lyrischen Tradition Günter Eichs, Bertolt Brechts und Paul Celans. In ihrer Vorliebe für scheinbar wertlosen Plunder suchen sie im Zufälligen das Bedeutsame. Träumer und Außenseiter, zwielichtige, mythologische und biblische Gestalten und geliebte Frauen bevölkern die Verse. Schauplätze sind die Natur oder das surrealistisch überhöhte Dickicht der Städte. Ein Blick auf "Obstgärten voll Laub" entdeckt: "Das Laub wird zu Gold / wenn der Engel durch den Birnbaum fliegt" ("Gedicht im Oktober"). Durch die Naturbeobachtung entflammt sich die poetische Sprache, in ihr entsteht das Gedicht: "Und immer noch wachsen und welken / die nicht verwandelten Blätter." Dennoch ersehnt Meckels Lyrik nicht die Flucht in die Idylle. "Das Gedicht ist nicht der Ort, wo das Sterben begütigt, wo der Hunger gestillt, wo die Hoffnung verklärt wird", hieß es schon in der "Rede vom Gedicht".
In "Seele des Messers" stehen den Versen, in denen die Poesie gefeiert wird, solche gegenüber, die an Resignation grenzen. Zwischen Freude und Trauer, Glück und Unglück, Rausch und Ernüchterung gewinnen Düsternis und Negativität vielfach die Oberhand. Beschreibungen von Winter, Tod, Schlaflosigkeit, Einsamkeit, Auslöschung, Nacht, Dürre und Hölle enden in der Leere, was sich so liest: "Die Zeit ist leer" ("Nachtsaison"), "die Nacht nach dem Tod war leer und trocken" ("Fragment"), "leere Plätze, vollkommen leer" ("Platz") "Sturm der die Tore zuschlug / Halleluja der Leere" ("Raum").
Diese dekontextualisierte Aufzählung geschieht nicht um der Pointe willen. Sie illustriert aber, dass "Seele des Messers" ein Totenlied so häufig und wortreich anstimmt, dass man diesen Abgesang als Gassenhauer hört, ehe man den Band zu Ende gelesen hat. Es muss nicht Kampfeslust sein, die aus Gedichten spricht; Larmoyanz ist aber keine gute Alternative.
BEATE TRÖGER
Christoph Meckel: "Seele des Messers". Hanser Verlag, München 2006. 80 S., br., 14,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Kann man begeisterter schreiben über einen Dichter? Beatrix Langner lässt Christoph Meckel, diesen ihrer Meinung nach noch immer verkannten "Sprachartisten", hochleben. Anlass sind die 52 neuen Gedichte in der neuen Lyrik-Reihe des Hanser Verlag. Und was Langner darin alles entdeckt: "Gebrochene Existenzen", "Szenerien wie nach geschlagenen Schlachten", aber auch den Dichter als glücklichen Menschen, der sogar Prospero zu trösten vermag. Das alles "so souverän" in "Sprachgeschehen" übersetzt, dass Langner lange suchen muss, um (die einzige) verunglückte Metapher zu finden. Meckel nennt sie einen "vollendeten Klangvirtuosen", reifer denn je, der auch gut auf poetologische Manierismen verzichten kann. Von einem unruhigen, auf Daktylen und Anapästen fußenden Gestus, mit dem Profanes wie das "globale Transportwesen" verhandelt wird, über "jede nur denkbare Modulation" lässt sich die Rezensentin tragen hin zu ländlichen Meditationen - "keine kritische Gegenwartssichtung mehr".
© Perlentaucher Medien GmbH
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