In einer Lektüre Freud'scher Texte, die sich um den Begriff der »Grausamkeit« ranken, erkundet Derrida mögliche Antworten auf die Frage, worin die Krise der Psychoanalyse heute besteht. Ausgehend von der These, dass die Psychoanalyse der Name dessen sein könnte, was sich ohne jegliches Alibi dem Eigensten der psychischen Grausamkeit zuwendet, versucht Derrida die Möglichkeit zu denken, wie jenseits der Logik des Todestriebes Recht, Politik und vielleicht sogar eine Ethik begründet werden könnten, die der psychoanalytischen Revolution wie auch den Ereignissen Rechnung tragen, die einen grausamen Wandel der Grausamkeit darstellen - den technischen, wissenschaftlichen, juridischen, ökonomischen, ethischen und politischen Veränderungen unserer Zeit.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Als heilsam empfindet Elke Bruens diesen aus dem Sommer 2000 stammenden Appell Derridas an die Generalstände der Psychoanalyse, "sich selbst politisch zu denken". Derridas auf Freud zurückgehenden Ratschlag, den Todestrieb, anstatt ihn zu verurteilen, "umzuleiten und in ein System differenzieller Zwischenglieder und Bezugsgrößen einzubinden", hält Bruens nicht nur für ungewohnt klar vorgetragen, sondern auch für erstaunlich aktuell, wenn es um das Doppelmotiv von Souveränität und Grausamkeit am Beispiel der USA geht. Würde hier nicht der Meister der Dekonstruktion sprechen, meint sie, würde das, was hier gesagt wird, heute unter das Verdikt des Antiamerikanismus fallen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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