Thomas Mann und der Zauberberg? Nietzsche und das Gebirge um Sils-Maria? Wilhelmine von Hillerns Geier-Wally und die Ötztaler Alpen? Johanna Spyri und Heidi? Nicht nur!Die Berge sind Quelle der Inspiration für viele Schriftstellerinnen. Es reizen sie Herausforderungen und Risiken, die stille Abgeschiedenheit - und die große Schönheit der steinernen Riesen. Es stören sie Touristenrummel und die Zerstörung der Natur, die 'staubgesaugten Wiesen und polierten Berge' (Ingeborg Bachmann). Es locken sie Freiheit und Grenzenlosigkeit. Einige, wie Annemarie Schwarzenbach und Elfriede Jelinek, leb(t)en in bergigen und hügeligen Landschaften. Andere fühlen sich leidenschaftlich von den Höhen und Tiefen angezogen und erzählen vom Rausch, wie George Sand. Berge erscheinen ihnen als Orte des Loslassens und der Ruhe, der Bedrohung und der Gefahr, der Träumerei und Sehnsucht, der Emanzipation und Regenerierung. - Orte für innere Reisen -Mit dabei: Hilde DominIngeborg DrewitzJulia FranckNatalia Ginzburg Eveline Hasler Ricarda HuchElfriede JelinekElla MaillartVita Sackville-West George Sand Annemarie SchwarzenbachMary ShelleyMarina Zwetajewa u.v.a
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2009Picknick auf dem Gipfel
"Frauen-Bergsteigen" klingt fatal nach Frauen-Emanzipation. Doch auch nicht emanzipierte Frauen haben den Weg ins Gebirge und auf die Gipfel gefunden. So Henriette d'Angeville, eine Verehrerin Rousseaus, die im Jahr 1838 als erste Alpinistin den Montblanc bestieg. Sie erreichte ihr hohes Ziel mit Hilfe von sechs Bergführern und zehn Kofferträgern; Letztere schleppten, damit niemand unterwegs Hunger oder Durst leide, unter anderem vierundzwanzig Brathähnchen, zwei Hammelkeulen, zwei Lendenbraten sowie ein Fass Tafelwein auf den höchsten Berg Europas. Schon dreißig Jahre vorher war eine Frau, ein Serviermädchen aus Chamonix, von Freunden "unfreiwillig" zum Gipfel mitgenommen, ja getragen worden. Über ein weniger hochgestecktes Ziel schreibt Ricarda Huch, die sich an Bergwanderungen im Harz erinnert, deren Höhepunkt eine Besteigung des Brockens war. Es gibt eine Reihe hübscher, interessanter und lesenswerter Geschichten in dieser Anthologie. Nicht von alpinistischem Ehrgeiz oder emanzipatorischer Motivation wurden die Frauen bewegt, die über ihre Erlebnisse im Gebirge berichten, sondern von Sehnsucht nach Bergen. Unter den schriftstellernden Frauen im Gebirge begegnen uns so bemerkenswerte Autorinnen wie Annette von Droste-Hülshoff (mit einem Gedicht über den Säntis) und George Sand, die romantisch-schwärmerisch-ahnungslos über ihre Pyrenäen-Reise berichtet: "Das Leben der Hirten im Gebirge stellte sich meiner Einbildungskraft dar wie ein göttlicher Traum." Die österreichische Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ist mit einem Text vertreten, allerdings will der sich in den Rahmen dieser Anthologie - woran die Autorin schuldlos ist - nicht recht einfügen. Auch den Bericht von Lisa Fittko, die Walter Benjamin von Frankreich über die Pyrenäen nach Spanien geschmuggelt hat (wo er Selbstmord beging), erwartet man nicht unter dem Titel des Buchs. Sollte die Herausgeberin Textmangel für ihre Anthologie befürchtet haben, hätte sie sich nur bei den jungen Frauen umsehen müssen, die heute die extremsten Routen klettern und dazu auch etwas zu sagen haben.
H.E.R.
"Sehnsucht nach den Bergen - Schriftstellerinnen im Gebirge", herausgegeben von Florence Hervé. Aviva Verlag, Berlin 2008. 192 Seiten. Gebunden, 17,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Frauen-Bergsteigen" klingt fatal nach Frauen-Emanzipation. Doch auch nicht emanzipierte Frauen haben den Weg ins Gebirge und auf die Gipfel gefunden. So Henriette d'Angeville, eine Verehrerin Rousseaus, die im Jahr 1838 als erste Alpinistin den Montblanc bestieg. Sie erreichte ihr hohes Ziel mit Hilfe von sechs Bergführern und zehn Kofferträgern; Letztere schleppten, damit niemand unterwegs Hunger oder Durst leide, unter anderem vierundzwanzig Brathähnchen, zwei Hammelkeulen, zwei Lendenbraten sowie ein Fass Tafelwein auf den höchsten Berg Europas. Schon dreißig Jahre vorher war eine Frau, ein Serviermädchen aus Chamonix, von Freunden "unfreiwillig" zum Gipfel mitgenommen, ja getragen worden. Über ein weniger hochgestecktes Ziel schreibt Ricarda Huch, die sich an Bergwanderungen im Harz erinnert, deren Höhepunkt eine Besteigung des Brockens war. Es gibt eine Reihe hübscher, interessanter und lesenswerter Geschichten in dieser Anthologie. Nicht von alpinistischem Ehrgeiz oder emanzipatorischer Motivation wurden die Frauen bewegt, die über ihre Erlebnisse im Gebirge berichten, sondern von Sehnsucht nach Bergen. Unter den schriftstellernden Frauen im Gebirge begegnen uns so bemerkenswerte Autorinnen wie Annette von Droste-Hülshoff (mit einem Gedicht über den Säntis) und George Sand, die romantisch-schwärmerisch-ahnungslos über ihre Pyrenäen-Reise berichtet: "Das Leben der Hirten im Gebirge stellte sich meiner Einbildungskraft dar wie ein göttlicher Traum." Die österreichische Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ist mit einem Text vertreten, allerdings will der sich in den Rahmen dieser Anthologie - woran die Autorin schuldlos ist - nicht recht einfügen. Auch den Bericht von Lisa Fittko, die Walter Benjamin von Frankreich über die Pyrenäen nach Spanien geschmuggelt hat (wo er Selbstmord beging), erwartet man nicht unter dem Titel des Buchs. Sollte die Herausgeberin Textmangel für ihre Anthologie befürchtet haben, hätte sie sich nur bei den jungen Frauen umsehen müssen, die heute die extremsten Routen klettern und dazu auch etwas zu sagen haben.
H.E.R.
"Sehnsucht nach den Bergen - Schriftstellerinnen im Gebirge", herausgegeben von Florence Hervé. Aviva Verlag, Berlin 2008. 192 Seiten. Gebunden, 17,80 Euro.
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