Stimmt es, dass wir uns immer das wünschen, was wir gerade nicht haben? Bestimmt die Sehnsucht unser Leben? Sechs Autorinnen und Autoren sind in diesem Band dieser Frage nachgegangen und haben sich zu mehreren Kurzgeschichten inspirieren lassen. Sie sind mal heiter, mal dramatisch, mal mystisch und
düster. Dabei zeigt sich, in welch unterschiedlicher Art und Intensität die Sehnsucht uns…mehrStimmt es, dass wir uns immer das wünschen, was wir gerade nicht haben? Bestimmt die Sehnsucht unser Leben? Sechs Autorinnen und Autoren sind in diesem Band dieser Frage nachgegangen und haben sich zu mehreren Kurzgeschichten inspirieren lassen. Sie sind mal heiter, mal dramatisch, mal mystisch und düster. Dabei zeigt sich, in welch unterschiedlicher Art und Intensität die Sehnsucht uns befällt.
Das Verlangen nach einem Menschen hat sicher jeder schon erlebt. Doch was macht man, wenn es so destruktive Ausmaße annimmt wie in der Erzählung "Wie ultramarin" von Root Leeb? Ein Augenarzt verzehrt sich förmlich nach einer Patientin, die er nur flüchtig kennt. Für ihn ist die Anziehungskraft unerklärlich und dennoch bringt sie seinen Alltag völlig durcheinander. Die anfangs bittersüße Sehnsucht zwischen zwei Liebenden kann sich mit der Zeit auch in etwas Grausames und Boshaftes verwandeln, wie eine weitere Geschichte der Autorin zeigt. Ihr Vergleich mit zwei Marionetten, die von einer fremden Kraft mal zueinander angezogen, dann wieder voneinander abgestoßen werden, fand ich sehr treffend.
Die Sehnsucht wird in den Geschichten auf ganz unterschiedliche Weise ausgelöst – mal durch ein vorgetragenes Gedicht der Tochter, mal durch den plötzlichen Tod der Mutter. Die Figuren führen uns vor Augen, dass wir uns entweder vergangene Zeiten herbeisehnen und verpassten Chancen nachtrauern oder uns an eine fixe Idee klammern und den Plan kompromisslos durchziehen.
Doch welchen Preis zahlt man, um seine Sehnsucht zu befriedigen? Der Direktor einer Krankenkasse nimmt höchste körperliche Strapazen in Kauf, wenn das Spitzchen ruft. Er hat sich den Aufstieg des Walliser Weißhorns nun mal in den Kopf gesetzt, da führt kein Weg dran vorbei. Ganz zu schweigen von den seelischen Nöten, an denen so manche Figur zugrunde geht. Autor und Herausgeber Rafik Schami hat in diesem Büchlein lauter literarische Perlen versammelt, die die Sehnsucht wecken nach mehr.