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Leila Landsman, die Schlüsselfigur des Romans, ist eine engagierte Akademikerin, die regelmäßig und erfolgreich veröffentlicht. Ihr Mann Nick ist als Theaterregisseur beruflich viel unterwegs und zunehmend uninteressiert am gemeinsamen Leben. Für ihr nächstes Projekt ist Leila der Fall Becky Burgess angetragen worden. Becky Burgess ist eine ehrgeizige junge Frau, die angeklagt wurde, mit Beihilfe ihres minderjährigen Liebhabers ihren Ehemann ermordet zu haben. Leila Landsman versucht, hinter das Klischee der gattenmordenden Angeklagten zu sehen und die Persönlichkeit und die Geschichte von…mehr

Produktbeschreibung
Leila Landsman, die Schlüsselfigur des Romans, ist eine engagierte Akademikerin, die regelmäßig und erfolgreich veröffentlicht. Ihr Mann Nick ist als Theaterregisseur beruflich viel unterwegs und zunehmend uninteressiert am gemeinsamen Leben. Für ihr nächstes Projekt ist Leila der Fall Becky Burgess angetragen worden. Becky Burgess ist eine ehrgeizige junge Frau, die angeklagt wurde, mit Beihilfe ihres minderjährigen Liebhabers ihren Ehemann ermordet zu haben. Leila Landsman versucht, hinter das Klischee der gattenmordenden Angeklagten zu sehen und die Persönlichkeit und die Geschichte von Becky aufzuspüren. Da eröffnet ihr ihr Mann, daß er sich in New York in eine junge Schauspielerin verliebt hat . . .
Autorenporträt
Marge Piercy, gebroen 1936 in Detroit, ist die Verfasserin von 17 Romanen, 18 Gedichtbänden sowie Sachbüchern und Memoiren. Als Kind erlebte sie die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs und wollte immer über diese Zeit schreiben. Das Projekt wurde jedoch erst mit der Einführung des Computers so verwirklichbar, wie sie es erforderlich fand: mit einer Unmenge Recherchen. Piercy hat weltweit an über 400 Universitäten gelehrt und geforscht und Generationen englischsprachiger Schriftstellerinnen geprägt. Ihr Werk ist in fünfzehn Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.1996

Tausche Gatten gegen Scheck
Marge Piercy schätzt Frauen, die sich selbst gehören

Bücher wie dieses machen es der Kritik schwer, denn sie sind eingehüllt in den Schutzumschlag einer guten Sache. Seelische und körperliche Gewalt gegen Frauen ist keine Seltenheit in einer von Männern dominierten Welt und läßt jede Gegenwehr begreiflich erscheinen. "Männer sind immer enttäuschend, finden Sie nicht?" meint die fünfundzwanzigjährige Becky und setzt unter Mithilfe eines jungen Geliebten dem Leben ihres ebenso trägen wie rüden und untreuen Ehemannes ein Ende. Mit dem Wunsch, dem Gatten "den Schädel einzuschlagen", könne sich, so lesen wir, "jede Frau alle paar Montage identifizieren". Die einundsechzigjährige Mary hingegen ist passiverer Natur. Vom Ehemann, einem Geologen, sitzengelassen, wird sie Putzfrau und obdachlos. Kommentar: "Jede Frau kann auf der Straße landen."

Letzteres allerdings verschweigt sie ihren Klienten, denn Pennerinnen will niemand im Hause haben, selbst wenn sie, wie hier, einen Magistergrad besitzen. Leila schließlich, die fünfundvierzigjährige Bostoner Soziologieprofessorin, bewältigt den Geschlechterkampf am manierlichsten und positivsten. Obwohl sie beide "mit ganzem Herzen gemeinsam an der Beziehung" gearbeitet hatten, stellt sie am Ende dann doch dem ewig fremdgehenden Lebensgefährten und Theaterregisseur Nick das Bett vor die Tür: "Endlich bin ich meine eigene Frau."

Zu Leilas weiteren guten Taten gehört, daß sie die krank gewordene Mary kurieren läßt und sie als Gesellschafterin ins sonnige Kalifornien vermittelt. Auch für die inhaftierte Becky versucht sie ihr Bestes, indem sie den Auftrag übernimmt, ein verständnisvolles Buch über den Fall zu schreiben. Aber gegen Golfschläger und schwere Eisenhämmer, geschwungen, um "einen nutzlosen und lieblosen Gatten in einen saftigen Versicherungsscheck zu verwandeln", ist kein Kraut der Soziologie gewachsen. Becky bleibt hinter Gittern und ist höchst unzufrieden mit dem Verdikt, daß sie sich "aus dem Kreis der Frauen" entfernt habe.

Die 1936 in Detroit geborene Marge Piercy ist eine produktive Schriftstellerin, der vorliegende Roman ist ihr zwölfter, und der Verlag attestiert ihr sogar Bestseller-Status. Überdies ist sie Verfasserin von zahlreichen Erzählungen, vierzehn Gedichtbänden sowie Essays und Kritiken. Fünf der Romane sind - in ausgezeichneter Übersetzung - bisher in Deutsch erschienen, am eindrucksvollsten darunter das große Buch über "Menschen im Krieg", ein Panorama des Zweiten Weltkrieges im Spiegel vieler Gestalten aus vielen Nationen. Denn im Zentrum ihrer Werke stehe, so hat Piercy selbst bekannt, ein Thema, nicht ein Individuum. Damit aber sind auch schon ihre Stärken wie ihre Schwächen bezeichnet: ihr erzählerisches Geschick liegt in der Gestaltung von Szenen, die sie jedoch gewissen Konzepten unterordnet.

Piercy versteht sich als streitbare Feministin, und dieser Roman über "Sehnsüchte der Frauen" - so der Originaltitel - ist ein Munitionsdepot für ihre Sache. Was sich über seine Handlung, die Charaktere und deren Platz in der Welt sagen läßt, ist schon in den paar Sätzen der Inhaltsangabe zusammengefaßt. Die Gestalten sind berechenbar, denn sie sind von vornherein in eine große Werteskala eingeordnet, deren unterstes Ende die Adjektive "männlich", "reich", "weiß" und "anglikanisch-christlich" bestimmen. Trotz fein gezeichneter Episoden und eines großen, durchaus nicht uniformen Personals hält das Buch also kaum Überraschungen bereit, und die Dialoge gehen rasch in Talk-Show-Konversationen über.

Der Begriff Feminismus umschließt ein weites Territorium, das hier nicht wirklich erkundet wird. Statt dessen wandelt sich berechtigte Sorge zu unreflektiertem Dogma. In einer amerikanischen Dissertation zum Beispiel muß sich Piercy, trotz aller Sympathie für sie und für die gute Sache des Frauenrechts, dennoch sagen lassen, daß ihre Mary eine Kunstfigur sei, die kaum dem Typus wirklicher Obdachloser entspreche. Und Beckys Männermord mag zwar sein Vorbild in einem tatsächlichen Gerichtsfall haben, aber die Übertragung aus der Wirklichkeit in die Wahrheit der Kunst wird auch hier nicht glaubhaft. Ihr eignes Milieu, also das der Intellektuellen Leila, gelingt Piercy da noch am besten. "Ohne kulturellen Hintergrund konnte sich jeder Mädchentraum wie Tinnef anhören. Leila hatte gelernt, korrekt zu träumen."

Bücher dieser Art bilden eine spezielle Form von Literatur. Sie sollen anprangern und aufklären. Dafür besteht durchaus ein beträchtliches Bedürfnis, und der Erfolg einiger Bücher Piercys mag damit zusammenhängen. Aber es sind zugleich Bücher, die nur Bekanntes bestätigen und alles Ungelöste, Offene, Fragende ausschließen. Daß dergleichen wirklich aufklärerischen Zwecken diene, bleibt zweifelhaft. Versichert die massenproduzierte Trivialliteratur der Heftchen-Romane ihrem großen Publikum zu dessen Beruhigung, daß die Welt in Ordnung sei, so hat Literatur wie diese eher die Funktion, einen nach Bestätigung eigener Überzeugungen suchenden Leserkreis damit zu beruhigen, daß sie ihm vorführt, wie sehr die Welt weiterhin in Unordnung ist.

Nur bei ideologisch "korrektem" Verhalten ist es dann hin und wieder möglich, solcher Unordnung ein Quentchen Glück abzuringen. In jedem Fall entsteht der ästhetische Reiz eines Malbuches, dessen vorgedruckte Schablonen von einem begabten Kind sauber und in einfallsreicher Buntheit koloriert werden. Daß sich unterdessen in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern längst Komplexeres begeben hat und sich eine Dialektik der Emanzipation zu vollziehen im Begriffe ist, die nicht mehr nur auf alte Verhältnisse reagiert, sondern neue Konflikte schafft, wäre dann wohl erst in einer weniger selbstsicheren Literatur zu suchen. GERHARD SCHULZ

Marge Piercy: "Sehnsüchte". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Heidi Zerning. Argument Verlag, Berlin und Hamburg 1996. 500 Seiten, br., 19,80 DM.

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