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Jair sieht eines Tages eine fremde Frau, Mirjam, und ist von ihr hypnotisiert. Er schreibt ihr und die beiden beginnen, sich in Briefen gegenseitig Geschichten zu erzählen. Jair zumeist solche aus seiner Traum- und Seelenwelt, Mirjam scheinbar aus ihrem täglichen Leben. Bis sie ihm nach und nach verrät: Die Wahrheit sieht leider ganz anders aus. Ein Liebesroman in Briefen und eine Geschichte über das Verhältnis zwischen Mann und Frau und ihre unterschiedlichen Erwartungen an die Liebe.

Produktbeschreibung
Jair sieht eines Tages eine fremde Frau, Mirjam, und ist von ihr hypnotisiert. Er schreibt ihr und die beiden beginnen, sich in Briefen gegenseitig Geschichten zu erzählen. Jair zumeist solche aus seiner Traum- und Seelenwelt, Mirjam scheinbar aus ihrem täglichen Leben. Bis sie ihm nach und nach verrät: Die Wahrheit sieht leider ganz anders aus. Ein Liebesroman in Briefen und eine Geschichte über das Verhältnis zwischen Mann und Frau und ihre unterschiedlichen Erwartungen an die Liebe.
Autorenporträt
David Grossman wurde 1954 in Jerusalem geboren und gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern der israelischen Gegenwartsliteratur. 2008 erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis, 2010 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 2017 den internationalen Man-Booker-Preis für seinen Roman Kommt ein Pferd in die Bar. 2021 wurde ihm das Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Bei Hanser erschienen zuletzt Diesen Krieg kann keiner gewinnen (2003), Das Gedächtnis der Haut (2004), Die Kraft zur Korrektur (2008), Eine Frau flieht vor einer Nachricht (Roman, 2009), Die Umarmung (2012), Aus der Zeit fallen (2013), Kommt ein Pferd in die Bar (Roman, 2016), Die Sonnenprinzessin (2016), Eine Taube erschießen (Reden und Essays, 2018) und Was Nina wusste (2020). Im Hanser Kinder- und Jugendbuch erschien zuletzt 2018 das Kinderbuch Giraffe und dann ab ins Bett!, 2023 folgt das Bilderbuch Opa, warum hast du Falten?.

Vera Loos, 1955 in Saarlouis geboren, ist Literaturübersetzerin und bildende Künstlerin. Sie hat angewandte Sprachwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität des Saarlandes und der Universität Nantes studiert. Sie hat zahlreiche Romane aus dem Hebräischen übersetzt, u. a. von David Grossman, Batya Gur, Amos Oz und Meir Shalev. Vera Loos lebt und arbeitet in Saarbrücken.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.1999

Sei mir das Messer, mit dem ich in mir wühle
David Grossmann spielt Kafka Von Hermann Kurzke

Die ersten dreihundert Seiten von David Grossmans neuem Roman sind quälend. Einer stülpt sein Innerstes nach außen, in endlosen Brieferuptionen an eine Frau, die er nur ein einziges Mal flüchtig gesehen hat, wie sie mit gebrochenem Lächeln die Arme um sich schlug. Es soll kein Treffen zwischen ihnen geben, die Wirklichkeit soll ihre Wurstfinger nicht an sie legen dürfen. Beide sind ja auch verheiratet, und zwar verhältnismäßig glücklich.

Aber dem Traum von den Möglichkeiten ist auch die beste Wirklichkeit nicht gewachsen. Nur um so größer scheint die Sehnsucht nach der Freiheit, ja, der Schamlosigkeit der verbalen Entblößung zu sein. Die Frau dient ihm als Erdloch, in das er seine schmutzigen Geheimnisse hineinschreit. In furiosen Kaskaden stürzt eimerweise Banales und Brutales, Kindisches und Perverses, Ekliges und, ganz selten, Edles auf den Leser herab, zwischen Brocken von Bildung und Bibel, Alltag und Geschichte Israels. Der Orchesterton dieses Mannes schwillt von kaum verständlichem Murmeln bis zu ekstatischem Geschrei und pubertärer Großmannssucht an, zieht die Register der schweinischen Lüsternheit und des bodenlosen Nihilismus, bläst zynisch auf Schmerz-Schalmeien, kennt aber auch die Hirtenflöte poetischen Zartsinns.

Jair, so sein Name, spielt mit Mirjam das Spiel Kafka und Milena. Sei mir das Messer, mit dem ich in mir wühle. Mirjam aber, das stellt sich später heraus, haßt den aufgeregten Existentialfimmel. Es sei dem Menschen verboten, ja, verboten, einem anderen solcherart als Messer zu dienen. Sie versteht Milena nicht, sie versteht Jair nicht - und wir verstehen nicht, warum sie sich dann einläßt auf Jairs finsteres Spiel.

Denn sie will etwas ganz anderes. Sie will das Leben und die Liebe, nicht die kalte Abstraktion der verbalen Exzesse. Sie ist warm, bescheiden und diskret, ganz im Gegensatz zu ihm. Die echten Gefühle bedürfen der Verbalonanie nicht. Wer wirklich liebt, muß nicht täglich die Blumenzwiebeln ausgraben, um nachzusehen, wie lang die Wurzeln heute sind. Die nächsten hundert Seiten, sehr viel angenehmer zu lesen, bestehen aus dem Tagebuch, das Mirjam beginnt, nachdem er sich restlos ergossen und sie abserviert hat. Was ausgesprochen ist, ist erledigt, das wußte schon Thomas Manns Tonio Kröger, und erledigt ist Jair, als er im letzten seiner Briefe, nach allen Exaltationen, sein Inkognito lüftet und voller Selbstverachtung seine gewöhnliche bürgerliche Existenz - Name, Beruf, Adresse - preisgibt. Daß sie das sorgsam Verschwiegene längst wußte, ist eine hübsche Pointe. Sie stört sich nicht an seinem bürgerlichen Teil.

Im dritten und letzten, sehr kurzen Stück kommt es zur Begegnung, und zwar nicht auf dem existentialistischen Hochseil, sondern in den Niederungen seines Kleinbürgertums. Mirjam braust mit dem Mini herbei, als sie erfährt, daß Jair sein Kind mit absurder Prinzipienreiterei quält. Der Fünfjährige sitzt seit Stunden im Hemd draußen im Regen und soll erst wieder ins Haus dürfen, wenn er sich entschuldigt! (Dafür, daß er getrödelt hat.) Vatertrotz steht gegen Sohnestrotz. Als Mirjam hinzutritt, endet das Buch abrupt.

Normalerweise hätten an dieser Stelle Trotzerweichung und Ehebruch zu folgen. Es könnte aber auch sein, daß Mirjam/Milena von Jair/Kafka wieder weggeschickt wird, um die Wirklichkeitsreinheit seiner Wortewelt nicht zu gefährden. Daß der Autor uns die Lösung vorenthält, gehört wohl zur künstlerischen Absicht des Buches. Aber es ist eine allzu absichtliche Absicht, und obgleich das Buch aufwühlend ist hier und da, hinterläßt es doch Überdruß, weil es so konstruiert ist. Solche Bücher schreibt nicht das Leben, sondern ein Literat, der etwas ausprobieren will. Eine starke Etüde ist dabei herausgekommen, ein abgezirkeltes Training in begrenzten Fertigkeiten, aber kein Werk. Das Kokettieren mit Kafka setzt einen Maßstab, der ist eben auch wie ein Messer.

David Grossman: "Sei du mir das Messer". Roman. Aus dem Hebräischen von Vera Loos und Naomi Nir-Bleimling. Carl Hanser Verlag, München 1999. 408 S., geb., 45,- DM.

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"David Grossmans >Sei du mir das Messer< ist erregend wie sonst nur eine Berührung, und es zeigt, wie schwer es ist, dass Mann und Frau sich wirklich verstehen. Jetzt, da ich es lese, ist es mir ein teures, ein kostbares, ein Lieblingsbuch." Elke Heidenreich, Brigitte Special, SH 02/00

"Grossman schenkt dem Leser einige paradiesische Nachmittage." Jörg Plath, Frankfurter Rundschau, 24.03.99

"..eins jener Bücher, die geschrieben werden mussten, um jeden Preis." Klara Obermüller, Die Weltwoche, 11.03.99

"...atmeberaubend konstruiert in rasantem Perspektivenwechsel." Denis Scheck, Tages-Anzeiger, 17.03.99

"Soviel Phantasie. So eine Sprachbesessenheit. So eine Lust am Fabulieren. So ein gutes buch hat David Grossman sich da ausgedacht." Stern, 15/99

"...eine vehemente, sich in immer neuen Spracheskapaden feiernde Imagination und einen fast lautlosen Realismus, der gleichsam Tropfen für tropfen die Phantasiewelt aushöhlt." Meike Fessmann, Süddeutsche Zeitung, 30.03.99