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1945 ist Agnes sieben Jahre alt. Bange Stunden im Luftschutzkeller und vor allem dauernder Hunger sind die quälenden Erfahrungen ihrer Kindheit. Dann ist der Krieg zu Ende, und langsam fängt das Leben wieder an in dem kleinen Städtchen Attenberg im Bergischen Land. Agnes kennt jeden in diesem verschlafenen Ort, und so unterschiedlich die Menschen in Attenberg sind - eines haben sie alle gemeinsam: das Bemühen, die Nazizeit zu verdrängen, und erst recht den Holocaust. Erst nach und nach hebt sich der Schleier der Halbwahrheiten und Illusionen. Agnes lernt, Schein von Sein zu unterscheiden, und wird erwachsen - wie das Land, in dem sie lebt.…mehr

Produktbeschreibung
1945 ist Agnes sieben Jahre alt. Bange Stunden im Luftschutzkeller und vor allem dauernder Hunger sind die quälenden Erfahrungen ihrer Kindheit. Dann ist der Krieg zu Ende, und langsam fängt das Leben wieder an in dem kleinen Städtchen Attenberg im Bergischen Land. Agnes kennt jeden in diesem verschlafenen Ort, und so unterschiedlich die Menschen in Attenberg sind - eines haben sie alle gemeinsam: das Bemühen, die Nazizeit zu verdrängen, und erst recht den Holocaust.
Erst nach und nach hebt sich der Schleier der Halbwahrheiten und Illusionen. Agnes lernt, Schein von Sein zu unterscheiden, und wird erwachsen - wie das Land, in dem sie lebt.
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Autorenporträt
Asta Scheib, geboren am 27. Juli 1939 in Bergneustadt, ist Journalistin und Schriftstellerin und lebt in München. Sie arbeitete als Redakteurin bei verschiedenen Frauenzeitschriften und schrieb Drehbücher für das Fernsehen. Ihre literarische Tätigkeit begann sie mit Kurzgeschichten. 1974 verfilmte Rainer Werner Fassbinder ihre Erzählung 'Angst vor der Angst'. Großen Erfolg hatte Asta Scheib außerdem mit ihrem Roman 'Kinder des Ungehorsams', in dem sie die Geschichte der Katharina von Bora, der Ehefrau Martin Luthers, darstellte. 2003 erhielt sie vom Freistaat Bayern die Pro-Meritis-Auszeichnung für besondere Verdienste in Wissenschaft und Kunst.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2001

Pippi Langstrumpf vom Land
Wachstumsschmerzen: Asta Scheib erzählt aus Sicht einer Göre

In ihrem Roman "Sei froh, daß du lebst!" taucht die Autorin Asta Scheib tief in die Vergangenheit ein, ihre und unsere. Es geht um die letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges und die ersten anderthalb Jahrzehnte des neuen Friedens, nach der Angst unterm Bombenhagel die Nöte des Hungers, nach der alliierten Besatzung die Neugeburt deutscher Selbständigkeit. Alles, was uns erzählt wird, liegt vierzig, fünfzig, sechzig Jahre zurück. Die älteren Deutschen haben es selbst erlebt, den jüngeren ist es oft genug in den verschiedensten Formen übermittelt worden. Kann ein Buch mit solchem Thema heute noch interessierte Leser finden?

Und ob. Denn Asta Scheib langweilt uns nicht mit der Wiederholung abgegriffener Botschaften. Vielmehr verknüpft sie auf gleichermaßen ernste wie heitere Weise ein Bündel Menschenleben mit den historischen Konditionen und erreicht, daß ihre Geschichte sowohl belehrt wie amüsiert. Dies dadurch, daß sie die Berichterstattung einer kindlichen Zeitzeugin anvertraut; genauer gesagt: einer Frau mit äußerst gutem Gedächtnis, die sich ihrer Kinderzeit exakt erinnert und bei der Wiedergabe alter Erlebnisse auf kluge Erwachsenendistanz verzichtet. Solch ein Kunstgriff ist nicht ungefährlich, denn wenn alles Geschehen durch ein unreifes Hirn gefiltert wird, kann eine fatale Mischung von Verkehrtem und Banalem dabei herauskommen. Asta Scheib vermeidet diese Falle. Sie läßt ihre kleine Agnes munter schwatzen, dabei jedoch die Erwachsene, die Agnes heute sein müßte, die Auswahl der Themen kontrollieren.

Den Erzählstoff hat die Autorin offenkundig ihrer eigenen Vita entnommen. Ihr Geburtsort ist Bergneustadt im Bergischen Land, für die Herkunft ihrer Agnes erfand sie ein bergisches Städtchen namens Attenberg. Sie entstammt, wie ihre kleine Heldin, dem Jahrgang 1939, teilt also mit Agnes die historischen Daten der Kindheit. Ob Asta und Agnes auch familiäre und private Erlebnisse gemeinsam haben, können wir dem Buch nicht entnehmen. Es ist auch nicht wichtig. Wichtig allein ist, daß das, was die Autorin Agnes erzählen läßt, sich genau so abgespielt haben kann, in wessen Leben auch immer.

Agnes ist also ein Kind erst der Angstjahre, dann der Hungerjahre. Sie macht uns deutlich genug, wie stark solche Nöte auf einen werdenden Menschen einwirken. Dennoch beschäftigt dies nicht vorrangig ihren kleinen Kopf. Mindestens ebenso wichtig ist das Tun und Lassen der Leute um sie herum. Etwa das der Mutter, im Grunde eine liebe Frau, die fürsorgende Glucke ist für ihre drei Küken, zuweilen aber auch hart durch blinde Kirchenfrömmigkeit sein kann. Am meisten verstört die Tochter, daß die Mama den Papa nicht zurückhaben will, der lange in russischer Gefangenschaft darbt und den Agnes innigst herbeisehnt. Statt dessen läßt Mama sich mit Friedrich ein, einem großschnauzigen Mitläufer der Nationalsozialisten, der die alten Sprüche klopft und die Kinder seiner Geliebten kujoniert. Er ist ein schlimmes, doch nicht das einzige Überbleibsel der Vergangenheit. Attenberg ist voll von Leuten, die Hitler zwar nicht zurückwünschen, in ihrem Denken und Handeln ihm aber noch lange nicht entkommen sind. Sowohl in der Not der vierziger wie im langsamen Aufstieg der fünfziger Jahre verdeutlicht manch kleinstädtisches Minidrama, warum die braven Bürger überhaupt einmal den braunen Verbrechern anheimfallen konnten.

Natürlich durchschaut die kleine Agnes das alles nicht. Aber so, wie sie es erzählt, hilft sie uns, alles zu verstehen, und zwar dadurch, daß sie mit den Verkörperungen des Unerhörten alltäglichen Umgang pflegt, sowohl mit Tätern wie mit Opfern. Wichtigster Gegenpol Friedrichs ist die von Agnes bewunderte Ines, gebürtige Portugiesin, Witwe und Erbin eines Attenberger jüdischen Industriellen, sehr schön und sehr reich und voller Verachtung für die Gefolgsleute der einstigen Mörder. Durch solche menschlichen Medien ersteht Geschichte, die uns längst zur Bücherweisheit geronnen war, in eindringlicher Lebendigkeit ganz neu, und dank der Unbefangenheit der Erzählerin können wir das sattsam Bekannte noch immer spannend finden.

Aber Agnes ist beileibe keine Geschichtslehrerin. Oder sie ist es nur so weit, wie im Zusammenhang mit ihren Mitteilungen unvermeidlich. Im Vordergrund steht immer sie selbst, stehen tausend kleine Begebenheiten auf ihrem Weg ins Leben, viele erheiternd, manche rührend, manche auch bedenklich stimmend. Weder dieses Kind noch ein anderes ist von engelsgleicher Reinheit. Die Brut kann ihren Erziehern ganz schön störrisch kommen, oder sie verletzt beispielsweise alle Kirchenregeln, wenn es um die Entdeckung geht, daß man ein geschlechtliches Wesen ist. Agnes lebt, soweit Mutter, Friedrich und die Großeltern es zulassen, ihre Nücken und Tücken aus, versucht, Wünsche durchzusetzen und Niederlagen durch neue Streiche zu kompensieren. Eine Art provinzdeutsche Pippi Langstrumpf, wenn auch ohne Pippis märchenhafte Erfolgsgarantien.

Man kann sich dem Charme des kleinen Fratzes schlecht entziehen. Ihre Backfischzeit dagegen, zugleich die Aufstiegsphase der jungen Bundesrepublik, mutet nicht ganz so attraktiv an. Schwer zu sagen, woran das liegt. Entweder daran, daß die veränderte Agnes anderes im Kopf hat, als wirkungsvoll die Sprech- und Denkblasen der Alten zum Platzen zu bringen. Oder daran, daß die Sicht- und Ausdrucksweise einer Göre sich nicht so gut eignet, auch die Probleme einer fast Erwachsenen überzeugend darzustellen. Ein Glück, daß es die kleine Agnes ist, die die meisten Seiten des Buches beherrscht.

SABINE BRANDT

Asta Scheib: "Sei froh, daß du lebst!" Roman. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2001. 318 S., geb., 44,90 DM.

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So dicht, so authentisch und süffisant sind diese Menschen und ihre Zeit bisher nicht beschrieben worden. Stern