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In meisterhaften Textlektüren beschäftigt sich der Literaturwissenschaftler David E. Wellbery mit maßgeblichen Werken der Moderne (u. a. Laurence Sternes"Tristram Shandy", Goethes"Wilhelm Meisters Lehrjahre", E.T.A. Hoffmanns"Prinzessin Brambilla", Kafkas"Schweigen der Sirenen"und Hofmannsthals"Chandos-Brief"), die neben dem Dargestellten auch die Bedingungen ihrer Darstellung reflektieren. Das Buch macht literarische Form sichtbar als einen seiltänzerischen Akt, der sich in prekärer Balance von Vollendung und Brüchigkeit je neu, je anders vollzieht.

Produktbeschreibung
In meisterhaften Textlektüren beschäftigt sich der Literaturwissenschaftler David E. Wellbery mit maßgeblichen Werken der Moderne (u. a. Laurence Sternes"Tristram Shandy", Goethes"Wilhelm Meisters Lehrjahre", E.T.A. Hoffmanns"Prinzessin Brambilla", Kafkas"Schweigen der Sirenen"und Hofmannsthals"Chandos-Brief"), die neben dem Dargestellten auch die Bedingungen ihrer Darstellung reflektieren. Das Buch macht literarische Form sichtbar als einen seiltänzerischen Akt, der sich in prekärer Balance von Vollendung und Brüchigkeit je neu, je anders vollzieht.
Autorenporträt
David E. Wellbery, geboren 1947, ist Professor für Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der University of Chicago. Er hat unter anderem Monographien über Lessing, Goethe und Schopenhauer vorgelegt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2007

Das ist ja paradox
David Wellbery mag eine vernünftige Postmoderne

"Seiltänzer des Paradoxalen": Der Titel der neuen Aufsatzsammlung des amerikanischen Germanisten David Wellbery lässt vermuten, dass sich der Autor einem gewagten Interpretationsakt aussetzt. Die Heroen des Paradoxalen - Jacques Lacan, Jacques Derrida und Niklas Luhmann - sind tot. Deren Leitbegriff zu gebrauchen könnte also bedeuten, sich in die Gefahr des Anachronismus zu begeben; die Interpretationswissenschaften suchen ja längst nach neuen Orientierungen.

Der 1947 geborene Professor für Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Chicago zählt zu den wenigen Literaturwissenschaftlern, die historisch und methodisch Avantgarde sein wollen und können. Literaturwissenschaft ist für ihn Artistik im doppelten Sinne: poetische Wissenschaft und Wissenschaft von der Poesie. Gute Literatur ist für ihn selbstbezüglich. Interpretation muss eine Bedingung erfüllen: sich von der Literatur unterscheiden und diese zum Objekt metasprachlicher Behandlung erklären. Dieses objektivierende Moment unterscheidet sich positiv von Derrida, Lacan und deren prinzipiellen Zweifeln an Metasprachlichkeit.

Wellberys Position zwischen einer vernünftigen Postmoderne und einer hermeneutisch sensiblen Philologie bewährt sich an sieben Textinterpretationen aus den Jahren 1993 bis 2005. Um das Paradox interpretierend auf die Spitze zu treiben, setzt Wellberys Band mit einem witzigen Text ein, der Probleme der Entstehung und Selbstunterscheidung parodiert: mit Laurence Sternes "Tristram Shandy" (1759 bis 1767); durch seine erzählerischen Einfälle wurde der Text zum Vorbild auch zeitgenössischer deutscher Schriftsteller. Sein Titelheld Tristram fragt sich, wer er sei, woher er stamme, ob und wie er davon berichten soll. Weil diese Fragen genaugenommen nicht und schon gar nicht vollständig zu beantworten sind, gibt es dafür nur ein erzählerisches Mittel: den Fortsetzungsroman mit Unterbrechungen und offenem Ende.

Die meisten anderen Beiträge sind von ähnlicher Qualität: Gleich ob zu den semiotisch inspirierten Überlegungen zu Kafkas "Schweigen der Sirenen" (1993), zur Wirklichkeit von Darstellungen in der romantischen Lyrik (1998) oder zu den stärker narratologisch und poetologisch begründeten Interpretationen von Goethes "Schwager Kronos" (2001), Hofmannsthals "Chandos"-Brief (2003) und E. T. A. Hoffmanns "Prinzessin Brambilla" (2005) - Wellbery legt Deutungen vor, an denen sich die Flexibilität eines gut geschnürten, aber nicht zu engen theoretischen Korsetts zeigt.

Was von den Helden paradoxaler Theoriebildung bleibt, löst sich nurmehr in stimmungserzeugendem Stil auf: in Derridas dezente Tabubrüche etwa (dazu Hans Ulrich Gumbrecht, F.A.Z. vom 27. Januar). Dieser neue alte Weg ist selbstverständlich paradox: Er galt schon durch den Strukturalismus als überholt. Immerhin liegt in diesem Paradox aber eine Chance, die Anliegen der Paradoxalitätstheorie selbst zu reflektieren.

SANDRA POTT.

David Wellbery: "Seiltänzer des Paradoxalen". Aufsätze zur ästhetischen Wissenschaft. Hanser Verlag, München 2006. 270 S., br., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der seiltänzerische Akt der Interpretation des Paradoxalen gelingt David Wellbery laut Sandra Pott durchaus meisterlich. Die sieben Aufsätze zu Texten von Hofmannsthal oder Kafka findet Pott gelungen, weil sie ihr das richtige Maß an "vernünftiger Postmoderne und einer hermeneutisch sensiblen Philologie" einzuhalten scheinen. Der drohenden Unzeitgemäßheit entkommt der Autor, wie Pott respektvoll erklärt, durch historische wie methodische Artistik und einen objektivierenden Blick. Was die Paradoxalitätstheorie will, weiß Pott jetzt etwas besser.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Wellberys ästhetische Wissenschaft ist dort am überzeugendsten, wo die Reflexionsbewegung der Texte die Dekonstruktion narrativer Ordnungen betreibt. Beeindruckend etwa die Aufsätze zu Kafka und E.T.A. Hoffmann, in denen Wellbery starke Ordnungsbegriffe aus anderen Kontexten, etwa der Ethnologie, an die Texte heranträgt, um mit ihrer Hilfe literarischen Grenzgängen zu folgen, die sich den üblichen Struktur- und Sinnerwartungen systematisch widersetzen."
Sacha Miche, Frankfurter Rundschau, Literaturbeilage, 06.12.06