Produktdetails
  • Verlag: Schneiderbuch
  • Neuaufl.
  • Seitenzahl: 156
  • Altersempfehlung: 13 bis 16 Jahre
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 240g
  • ISBN-13: 9783505110214
  • ISBN-10: 3505110213
  • Artikelnr.: 05757176
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.08.2001

Abt des Totengräbers der Weimarer Republik
Ein Benediktiner in Schlesien als Brückenbauer zwischen katholischer Kirche und Nationalsozialismus

Brigitte Lob: Albert Schmitt O.S.B. Abt in Grüssau und Wimpfen. Sein kirchengeschichtliches Handeln in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2000. 391 Seiten, 88,- Mark.

Abt Albert Schmitts politische Einstellung und sein kirchenpolitisches Handeln waren - wie seine Großnichte Brigitte Lob einleitend feststellt - "nicht das eines Widerstandskämpfers . . . Als Gegner der Zentrumspartei und Beteiligter am Versuch, zwischen katholischer Kirche und Reichsregierung Brücken zu bauen, erfuhr er nicht die Beachtung, die anderen auf Grund ihrer klargesichtigen Kritik und Gegnerschaft zur NS-Diktatur zuteil wurde."

1894 in Mannheim geboren, kam Schmitt zweimal nach Grüssau in Schlesien. Das erste Mal bereits 1920, als hier die Benediktiner im ehemaligen Zisterzienserkloster zunächst ein Konventualpriorat gründeten und den Patres und Brüdern, die Emaus in Prag hatten verlassen müssen, eine neue Bleibe schufen. Inzwischen wieder Mönch in der Abtei Weingarten, wurde er - nachdem Grüssau 1924 zur Abtei erhoben worden war - im Alter von 30 Jahren zum ersten Abt der Benediktiner gewählt, der jüngste Abt in der Familie der deutschen Benediktinerklöster. Bis 1969, ein Jahr vor seinem Tode, übte er dieses Amt aus - bis 1945 in Grüssau, von 1948 ab in dem nach langem Suchen endlich gefundenen Domizil für die Grüssauer Benediktiner in Bad Wimpfen am Neckar. Im Mai 1946 waren die letzten deutschen Benediktiner aus Grüssau auf grausame Weise vertrieben worden.

Sehr früh schon pflegte der Abt die engsten Beziehungen zum katholischen Adel in Schlesien. In Schmitts kurz gefaßter Selbstdarstellung ("Ein Vierteljahrhundert Grüssau", 1964 in dem Sammelband "Meine schlesischen Jahre" erschienen) liest sich das so: "Gerade die Beziehungen zu den großen katholischen Familien des Landes sollten sich in jeder Hinsicht sehr segensreich erweisen." Wenn Brigitte Lob jetzt die vielen Zusammenkünfte und ausführlichen Korrespondenzen wiedergibt, fühlt man sich in den "Gotha" des Adels versetzt, soweit er schlesisch vorbestimmt ist. Vorauszusetzen ist allerdings stets, daß die Repräsentanten des schlesischen Adels deutschnational und antirepublikanisch gesinnt waren, am besten auch gleichzeitig in Gegnerschaft zum Zentrum, denn diese Partei war Schmitt zuwider. Weil das Zentrum während der Weimarer Republik mit den Sozialdemokraten koalierte und der Episkopat aus seiner Sicht zu stark unter sozialdemokratischem Einfluß handelte, war er ihr erklärter Gegner. Der schlesische katholische Adel war über das politische Bekenntnis nicht nur hocherfreut, sondern verehrte Schmitt gleichsam als Spiritual.

Als Idol spielte Franz von Papen eine herausragende Rolle. Dieser Mann - 1932 für wenige Monate Reichskanzler und dann 1933/34 unter Adolf Hitler Vizekanzler - war das Höchste, was man sich gegen die Republik und in Richtung einer autoritären, am liebsten monarchischen Regierungsform wünschte. Es gereichte zur Ehre, während der Zeit der Weimarer Republik Mitglied im "Deutschen Herrenklub", in der "Schlesischen Herrengesellschaft" zu sein, sich zu den "Katholischen Edelleuten Schlesiens", dem "Bund Kreuz und Adler" oder dem "Jungkonservativen Klub" zugehörig zu fühlen. Und Schmitt saß an den Tischen als Ehrengast und war begehrter Vortragender.

Die Hochstimmung 1933/34

Als Hitler Reichskanzler geworden war, waren diese Deutschnationalen - und der Abt in Grüssau mitten unter ihnen - begeistert. Jetzt würde alles nicht nur anders, sondern bestimmt besser werden. So weit wie der ehemalige Abt der Benediktiner des Klosters Emaus, Alban Schachleitner, der sogar Mitglied der NSDAP war und 1937 von Hitler mit einem Staatsbegräbnis geehrt wurde, ging Schmitt nicht. Aber als Schmitt in den ersten Monaten der braunen Diktatur gerufen wurde, stand er für ein schönfärbendes Interview in der französischen Zeitung "La Croix" bereitwillig zur Verfügung. Das Auswärtige Amt lieferte die sogenannten Fakten, so daß Eingriffe in die Rechte des Bürgers, Verfolgungen und Verhaftungen der Gegner, die ersten antisemitischen Exzesse (man denke nur an den sogenannten Judenboykott des 1. April 1933) als böswillige Verdrehungen und verlogene Anklagen des Auslandes erscheinen sollten. Der Grüssauer Abt erteilte am 20. April 1933 "kompetente Auskunft". Dieses höchst peinliche Dokument der Zuarbeit des Abtes für den Nationalsozialismus wird leider nicht als Dokument abgedruckt.

Für den Grüssauer Abt hielt die Hochstimmung bis in das Frühjahr 1934 an. Man handelte seinen Namen unterschwellig und nachdrücklich als Nachfolger auf einen der gerade frei werdenden Bischofsstühle, denn endlich sollte im katholischen Episkopat eine Wende in deutschnationaler Richtung stattfinden. Aber daraus wurde nichts. Als interpretative Nachbesserungen zu dem gerade erst abgeschlossenen Reichskonkordat in Rom verhandelt werden sollten, bot sich Schmitt dem (jetzt in Rom residierenden früheren Vorsitzenden des Zentrums) Prälaten Ludwig Kaas als hilfreicher Brückenbauer zwischen der katholischen Kirche und den Nationalsozialisten an. Gleichsam als geistlicher Repräsentant für Vizekanzler Franz von Papen legte er sich mit seiner äbtlichen Prominenz ins Zeug, aber das ganze Unternehmen endete mit einer totalen Niederlage. Das Reichskonkordat wurde - auch bezüglich der kirchlichen Verbände und Vereine - diktaturgemäß ausgelegt.

Obwohl er als Brückenbauer nicht mehr gefragt war, hielt Schmitt geistig mit den herrschenden Gewaltherren mit. Dem Einmarsch in Prag und dem Kriegsbeginn stimmte er anerkennend zu. Das Attentat vom 20. Juli 1944 bezeichnete er in einem Brief als "töricht und dumm. Aber Torheit und Dummheit kann auch verbrecherisch sein. Und das war sie in diesem Fall ganz gewiß." Zur Nachricht, daß Hitler "bei den Kämpfen um die Reichskanzlei" gefallen sei, schrieb er in sein Tagebuch: "Das Wollen war doch wohl größer als das Können. Zumal dieses Wollen von vielen unglücklichen Verstrebungen und Strömungen begleitet und teilweise sogar überdeckt war. Man denke nur an seine Haltung der Kirche gegenüber." Ein traurig Enttäuschter, den nur ein mißglücktes Verhältnis zur Kirche zu stören vermochte.

Offenbar litt die Verehrung einer Gestalt wie die Franz von Papens nicht unter den Zeitläuften. Nach einem für den Nürnberger Prozeß ausgestellten "Persilschein" gab es später noch bis in das Todesjahr 1969 hinein Besuche und brieflichen Kontakt.

Erfreulich ist jedenfalls, daß Schmitt, der übrigens in der Bundesrepublik mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, im katholischen Episkopat mit gottlob nur wenigen anderen ein Einzelgänger und Einzelkämpfer blieb. Die vorliegende Arbeit porträtiert objektiv und distanziert den Politiker in Schmitts Persönlichkeit, aber auch ebenso erhellend die Kreise und Kräfte des schlesischen Adels: Die Weimarer Republik sollte, komme was da kommen mag, ausradiert werden.

HERBERT HUPKA

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