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Ein Trupp Zimmerleute hoch oben im Gebälk eines Dachstuhls, Männer beim Löschen einer verheerenden Brandstatt, Holzhauer im Forst. Dergleichen hat die Landphotographen bewogen, ihre Kamera aufzustellen, eine frische Glasplatte einzulegen und das Ereignis für die Ewigkeit - oder doch für eine gewisse Dauer im Lichtbild festzuhalten.Aber wer hat die Frauen bei ihrer Arbeit gesehen? Wenn sie am frühen Morgen in den Stall gegangen sind das Vieh zu melken, wie sie den Waschkessel vorgeheizt haben, damit heißes Wasser bereit war, wenn ein Waschtag beginnen sollte.Einige Bilder gibt es dennoch. Sie…mehr

Produktbeschreibung
Ein Trupp Zimmerleute hoch oben im Gebälk eines Dachstuhls, Männer beim Löschen einer verheerenden Brandstatt, Holzhauer im Forst. Dergleichen hat die Landphotographen bewogen, ihre Kamera aufzustellen, eine frische Glasplatte einzulegen und das Ereignis für die Ewigkeit - oder doch für eine gewisse Dauer im Lichtbild festzuhalten.Aber wer hat die Frauen bei ihrer Arbeit gesehen? Wenn sie am frühen Morgen in den Stall gegangen sind das Vieh zu melken, wie sie den Waschkessel vorgeheizt haben, damit heißes Wasser bereit war, wenn ein Waschtag beginnen sollte.Einige Bilder gibt es dennoch. Sie zeigen Frauen, die ihre Arbeit tun in Haus und Familie - und auch Männerarbeit. Ernst schauen sie aus den Bildern, hier in Ostbaiern, dem bäuerlichen Land südlich und nördlich der Donau, von Stephansposching bis Wesenufer, von Viechtach bis Simbach.Nicht jede alte Photographie "von seinerzeit" gibt ihr Geheimnis preis. Aber einiges konnte der Autor Martin Ortmeier noch erfragen, manches war in den Archiven zu ermitteln. Dem aufmerksamen Betrachter erzählen die Bilder aus längst vergangenen Zeiten. Details geben Hinweise auf Ort und Zeit, Anekdoten rufen das Leben zurück.
Autorenporträt
Dr. Martin Ortmeier, *Passau 1955; Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Theoretischen Linguistik in Regensburg und München. Dissertation über den "Primitivismus moderner Malerei" 1983, 1983/84 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Bischöflichen Kunstsammlungen in Regensburg; seit 1984 Leiter der Niederbayerischen Freilichtmuseen Finsterau und Massing, Präsident des Kunstvereins Passau, Ofenbauer und Schriftsteller; Veröffentlichungen über die Kunst der Moderne, Bauernhäuser in Niederbayern und Südböhmen, Geschichte des Lebens und Wirtschaftens der Menschen in Ostbaiern.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.12.2018

Rätsel der Vergangenheit
Vom Landleben in früherer Zeit existieren zwar viele Fotografien, aber oft sind abgelichtete Personen und Orte
nicht mehr zu bestimmen. Museumsleiter Martin Ortmeier hat sich auf eine mühsame Spurensuche begeben
VON HANS KRATZER
Allein auf der Plattform Facebook werden täglich 300 Millionen Fotos hochgeladen. Im Internet-Zeitalter erlebt die Fotografie einen Höhenflug ohnegleichen. Und doch drängt sich die Frage auf, was von dieser flüchtigen Bilderflut bleiben, was auf all den Clouds und Festplatten überdauern wird. Den Maßstab für den Wert alter Fotografien hat der Philosoph Karl Valentin, der auch ein Bildersammler war, schon vor hundert Jahren definiert. Ein altes Bild von München sei mehr wert als ein Brillant, sagte Valentin.
Eine ähnliche Sammelleidenschaft pflegt auch Martin Ortmeier, der Leiter der niederbayerischen Freilichtmuseen Massing und Finsterau, die ein umfangreiches Fotoarchiv besitzen. Dort ist das ländliche Leben in allen Facetten dokumentiert, die Häuserlandschaften und die Arbeitswelten ebenso wie die Menschen. Der einzige Makel dieser papierenen Schätze besteht oft darin, dass über ihren Inhalt keinerlei Informationen existieren. So liegen haufenweise Porträts von Menschen im Archiv, deren Namen für immer verloren sind. „Dabei wäre es so einfach gewesen, auf der Rückseite der Papierbilder Namen und Ort zu notieren“, sagt Ortmeier.
Um mehr Sensibilität im Umgang mit solchen Zeugnissen zu wecken, hat Martin Ortmeier einen Bildband zusammengestellt, in dem er exemplarisch aufzeigt, wie man vorgehen muss, um alten Fotografien doch noch so manches Geheimnis zu entlocken („Seinerzeit auf dem Land, Alte Bilder von Frauenalltag und Männerwelt in Ostbaiern“, SüdOst Verlag, 19,90 Euro). Erstes Ziel sei es, die Umstände der Aufnahme zu rekonstruieren, sagt Ortmeier. Anhand der Arbeitskleidung und der Festtagstracht der Menschen können zum Beispiel Zeit und Ort der Fotografie eingegrenzt werden. Häuser geben Hinweise auf die Herkunftsregion des Bildes. Gelegentlich ist an einem Haus eine Inschrift zu entziffern, die weitere Recherchen ermöglicht.
Da der Zeitpunkt der Aufnahme oft zu lange zurückliegt, sind die Namen der abgebildeten Personen verweht. Die Fotografien sind es trotzdem wert, genauer betrachtet zu werden. Wissenschaftler und Museen haben längst erkannt, welch kostbare Quelle solche Zeugnisse darstellen, gerade in Zeiten, in denen sich Landschaft und Lebensumstände in einem atemberaubenden Tempo verändern. Mit der Beschleunigung der Welt ist auch ein immer schnellerer Verlust des Vergangenen verbunden. Jedes anonyme Bild wirft Fragen auf. Warum hat diese Hochzeitsgesellschaft von 1910 im Winter geheiratet und warum trug die Braut ein weißes Kleid, was damals unüblich war? Warum schauen die Menschen bei festlichen Anlässen so verhärmt? Warum durften sich in einem Fall junge Frauen an einem Weiher vor einer Friedhofskirche so freizügig ablichten lassen? Meistens bleibt es rätselhaft, warum die Landfotografen ihre Kamera aufstellten, eine Glasplatte einlegten und Szenen aus dem Alltag festhielten. Das normale Leben war für diesen Aufwand uninteressant. Die Frauen, die am frühen Morgen in den Stall gingen, um das Vieh zu melken, die den Waschkessel vorheizten, wen sollte das interessieren? Und doch zeigen Bilder aus dem Archiv, wie Frauen ihre Hausarbeit verrichten – und auch Männerarbeit. Aus den Fragen, die sich beim Betrachten ergeben, „lassen sich Gedanken über unsere Werte, unsere Zeit und unsere Zukunft schöpfen“, sagt Ortmeier. Von Millionen Menschen bleibe keine Erinnerung übrig. „Mit meiner Arbeit sichere ich wenigstens ein paar Menschen ein Nachleben.“
Im Archiv des Freilichtmuseums Finsterau liegt diese 1890 gemachte detailreiche Aufnahme eines Dorfladens in Anzenkirchen.
Foto: Archiv Freilichtmuseum Finsterau
Mit einem Kammerwagen (oben li. im Uhrzeigersinn) wurde die
Ausstattung einer Braut transportiert. Junge Frauen ließen sich in prüder Zeit vor einer Friedhofskirche freizügig ablichten. Die Frau verrichtet
Männerarbeit, aber der lange Rock behindert sie. In den Zwanzigerjahren
präsentierte sich diese Musikkapelle im amerikanischen Modestil.
Fotos: Battenberg Gietl Verlag, Freilichtmuseum Finsterau (2), Atelier Woias
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