Kurt Wolff begründete im Jahre 1913 die legendäre Reihe "Der Jüngste Tag": In ihr erschienen die ersten Bücher von Franz Kafka, Robert Walser und anderen. Welchen Antrieben dieses Unternehmen sich verdankt, wie deren Vermarktung im Umfeld von billigen Büchern geschah, beleuchtet der vorliegende Band. Sein Ausgangspunkt: Sind bestimmte Reihen und deren Verleger an literarische Strömungen gebunden, im Fall des Kurt Wolff Verlags an den Expressionismus? Diese Frage wird im Kontext der Situation auf dem literarischen Markt in Deutschland in der ersten Jahrhunderthälfte diskutiert - und beantwortet in einem Vergleich zwischen dem "Jüngsten Tag" und der "Insel-Bücherei", dem Kurt Wolff Verlag und dem Insel Verlag.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2011Shakespeares Gedichte
Die Idee einer Ausgabe nur der Lieder und Gedichte aus den Shakespeare-Stücken ist aller Ehren wert - stehen diese doch hinter den Sonetten des Meisters zum Teil keineswegs zurück. "Ihre dramatische Funktion degradiert sie nicht zu Gebrauchslyrik", heißt es in dem von Kurt Kreiler bearbeiteten zweisprachigen Band. Er beginnt mit dem Tischgebet des Misanthropen Apemantus aus "Timon von Athen", der bittet, niemals dumm genug zu werden, "zu glauben an der Männer Trug / oder an der Hure Tränen / oder an des Hundes Gähnen". Trinklieder und Maireigen aus den Komödien, den Totengräbersong aus dem "Hamlet" und die Hexensprüche aus dem "Macbeth" bringt Kreiler zielsicher ins Deutsche. Doch gibt es eine Probe aufs Exempel, die der Übersetzer nicht recht besteht - nämlich Ariels Lied aus dem "Sturm", das jene wunderbaren Verse birgt, die auch Shelleys Grabstein in Rom zieren: "Nothing of him that doth fade / But doth suffer a sea-change / Into something rich and strange." An das weiche Meer der englischen Sprache wird das Deutsche hier ohnehin nie heranreichen. Kreiler bietet an: "Niemals soll sein Leib verfallen: / Er erlebt in See-Umarmung / Einzigartige Verwandlung." Das ist dann doch bei weitem zu prosaisch für die drei schönsten Zeilen der englischen Dichtung. (William Shakespeare: "Die Lieder und Gedichte aus den Stücken". Englisch und deutsch. Übertragen und mit Anmerkungen versehen von Kurt Kreiler. Insel Verlag, Berlin 2011. 211 S., geb., 24,90 [Euro].) wiel
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Idee einer Ausgabe nur der Lieder und Gedichte aus den Shakespeare-Stücken ist aller Ehren wert - stehen diese doch hinter den Sonetten des Meisters zum Teil keineswegs zurück. "Ihre dramatische Funktion degradiert sie nicht zu Gebrauchslyrik", heißt es in dem von Kurt Kreiler bearbeiteten zweisprachigen Band. Er beginnt mit dem Tischgebet des Misanthropen Apemantus aus "Timon von Athen", der bittet, niemals dumm genug zu werden, "zu glauben an der Männer Trug / oder an der Hure Tränen / oder an des Hundes Gähnen". Trinklieder und Maireigen aus den Komödien, den Totengräbersong aus dem "Hamlet" und die Hexensprüche aus dem "Macbeth" bringt Kreiler zielsicher ins Deutsche. Doch gibt es eine Probe aufs Exempel, die der Übersetzer nicht recht besteht - nämlich Ariels Lied aus dem "Sturm", das jene wunderbaren Verse birgt, die auch Shelleys Grabstein in Rom zieren: "Nothing of him that doth fade / But doth suffer a sea-change / Into something rich and strange." An das weiche Meer der englischen Sprache wird das Deutsche hier ohnehin nie heranreichen. Kreiler bietet an: "Niemals soll sein Leib verfallen: / Er erlebt in See-Umarmung / Einzigartige Verwandlung." Das ist dann doch bei weitem zu prosaisch für die drei schönsten Zeilen der englischen Dichtung. (William Shakespeare: "Die Lieder und Gedichte aus den Stücken". Englisch und deutsch. Übertragen und mit Anmerkungen versehen von Kurt Kreiler. Insel Verlag, Berlin 2011. 211 S., geb., 24,90 [Euro].) wiel
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»Das liebevoll zusammengestellte Insel-Bändchen Seismograph stellt Wolff in den Kontext deutscher Verlagsgeschichte - allein die Bandbreite der belletristischen Reihen am Vorabend des Ersten Weltkriegs, die nimmermüde Suche der Lektoren und Werbegenies nach dem die Kollegen ausstechenden Alleinstellungsmerkmal machen staunen. ... Nicht nur für Wolffs Urenkel, die Independents von heute, sollte der Band Pfiichtlektüre sein.« Börsenblatt