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Eine größere Sammlung an Essays, die das so quer gegen alle Ideologien liegende Denken von Miguel de Unamuno repräsentativer vorstellt. Erna Pfeiffer hat für diesen Band hauptsächlich Texte über Spanien und die Spanier, über das Reisen und das Schreiben ausgesucht. Wer in dem derzeit neu aufflammenden Interesse an diesem spanischen Schriftsteller insbesondere den Polemiker, den engagierten Bürger und immer eigenständigen Intellektuellen Unamuno kennenlernen möchte, der findet in Selbstgespräche und Konversationen eine Fülle von unkonventionellem, klugem - und hervorragend übersetztem - Material.…mehr

Produktbeschreibung
Eine größere Sammlung an Essays, die das so quer gegen alle Ideologien liegende Denken von Miguel de Unamuno repräsentativer vorstellt. Erna Pfeiffer hat für diesen Band hauptsächlich Texte über Spanien und die Spanier, über das Reisen und das Schreiben ausgesucht. Wer in dem derzeit neu aufflammenden Interesse an diesem spanischen Schriftsteller insbesondere den Polemiker, den engagierten Bürger und immer eigenständigen Intellektuellen Unamuno kennenlernen möchte, der findet in Selbstgespräche und Konversationen eine Fülle von unkonventionellem, klugem - und hervorragend übersetztem - Material.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.1997

Sprache in Hosen
Miguel de Unamuno erklärt Spaniern und Spanierinnen ihre Identität

Miguel de Unamuno macht es sich selbst und seinen Lesern nicht gerade leicht. Zu widerborstig ist sein Charakter, zu stark wird seine Abneigung, wenn er reinen Ästhetizismus der schönen Formen oder - noch schlimmer - schieren Zeitvertreib durch bloße Unterhaltungsliteratur wittert. Dann kann er nicht mehr an sich halten und poltert los. Was nicht letzte Fragen berührt oder "das Geheimnis des Lebens" enthüllen hilft, verfällt schnell seinem strengen Verdikt. Auch wenn seine Essays aus kleinen Anlässen, etwa einem Brief, einer zufälligen Lektüre, einem längeren Gedankenspiel oder einer journalistischen Polemik, erwachsen sind und zunächst für die Tagespresse geschrieben wurden, so haben sie doch meist Großes im Blick: Den spanischen Nationalcharakter zu erörtern ist dabei noch das Geringste; häufig stehen Zeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit zur Debatte, wenn nicht gar der Sinn des Lebens so ganz im allgemeinen. Da so viel Größe auf so kleinem Raum schnell ermüdet, sollte man Unamunos Essayistik nur in bekömmlicher Dosis genießen.

Deshalb übersetzte Erna Pfeiffer letztes Jahr fünf Stücke zum "Lob des Müßigganges", um den praeceptor Hispaniae wieder im deutschen Sprachraum einzubürgern. Sie konnten zwar nicht als repräsentativ für die Lieblingsthemen des Professors aus Salamanca gelten, veranschaulichten dafür aber aufs schönste seine Kunst der Arabeske und seine Fähigkeit, gedanklich Haken zu schlagen. Das lebhafte Echo auf diese erste Sammlung mag für die Übersetzerin als Ansporn gewirkt haben. Nun legt sie eine wesentlich umfangreichere, sorgfältig kommentierte Auswahl von Essays aus den Jahren 1898 bis 1933 vor, die ins Zentrum von Unamunos existentieller und nationaler Unruhe zielen. Eine ähnliche Unruhe befiel um die Jahrhundertwende die fortschritts- und positivismusmüden Intellektuellen in ganz Europa. Auf eine Haltung, die das Ich als Ort eines Kampfes gegensätzlicher Mächte begreift, kommt es hierbei jedoch mehr an als auf die konkreten Gegenstände, an denen sich der Konflikt entzündet. Unamuno bemerkt dazu: "Für mich sind die Ideen, die ich vertrete, weniger, viel weniger wichtig als die Art, wie ich sie vertrete."

Schon der Titel "Selbstgespräche und Konversationen" deutet auf die Spannung zwischen privater und öffentlicher Sphäre, Monolog und Dialog, Schreiben und Sprechen hin. In der Öffentlichkeit der Presse präsentierte Unamuno sich nicht als Lehrer, sondern als Anreger, als sonderliches Individuum mit starken Überzeugungen und kleine Schwächen. Er tat, als trete er in ein Gespräch mit seinen Lesern ein - ein Gespräch freilich, bei dem der Schreibende alle Fäden in der Hand hält. Durch das Medium der Zeitung vermittelte er Unmittelbarkeit. Gerade weil er die Passion und nicht den Intellekt zu seinem Schaffensquell erklärte, prägte er in Spanien nachhaltig die öffentliche Figur des Intellektuellen. In den Zeitungen des Landes bezeugen das täglich die Kolumnen mit den sogenannten firmas, den mehr oder minder berühmten Namen, die Meinungen und Leidenschaften signieren.

In der Rückschau wirkt dann manches kurios, zum Beispiel Unamunos Ausführungen zur Frauenfrage - die im Spanien des Jahres 1908 ohnehin nicht auffälligen Suffragetten seien abzulehnen, der weibliche Wirkungskreis sei das Haus, das Wesen der Frau die Mütterlichkeit. Mit der ominösen Wesensschau pflegt es die eigentümliche Bewandtnis zu haben, daß sie wenig über die Eigenschaften des weiblichen Geschlechts verrät, dafür um so mehr über die Ängste und Wünsche des männlichen. Das trifft auch bei Unamuno zu. Einerseits sind ihm Schriftstellerinnen als Schauspielerinnen in Hosenrollen verdächtig, da sie eine "Hosensprache" verwenden müßten, um in der männlich bestimmten Öffentlichkeit Erfolg zu haben; andererseits schreibt er Frauen in besonderem Maße gerade jene Qualitäten zu, die er in seinen eigenen Essays kultiviert, nämlich Überlegenheit im Gespräch und gesteigerten Individualismus.

Gewiß sind Unamuno historische oder soziologische Gedankengänge nicht gänzlich fremd; beispielsweise der berühmte Aufsatz über die Weidewirtschaft macht den Vorrang der Viehzucht und den Großgrundbesitz als Hauptschwierigkeiten der spanischen Wirtschaft dingfest. Aber schließlich gerinnt dem Exegeten des tragischen Lebensgefühls noch jede Beobachtung zu Metaphysik. Seine Landschaften sind keine geschichtlich gewachsene Kulturlandschaften wie die Rudolf Borchardts, sie senden keine Farbreize in flirrendem Licht aus wie bei Juan Ramón Jiménez. Ganz gleich, ob Stadt oder Land - stets handelt es sich um Seelenräume, in denen die Fenster der Türme Kastiliens zum Unendlichen geöffnet sind. Kein Horizont entschwindet dem Auge; zwischen Abgrund und Höhenflug herrscht die Vertikale selbst in der Hochebenen von Kastilien vor. Der Blick nach außen dient als Auslöser für den Blick nach innen; die Besinnung auf die Mystiker des sechzehnten Jahrhunderts wie die heilige Teresa von Avila wird zum Programm. Der Baske Unamuno machte das karge Landesinnere zum Inbegriff Spaniens und bekämpfte damit auch den romantischen Spanienmythos. Die Phantasie der ausländischen Reisenden des vorigen Jahrhunderts hatte sich vor allem an den Lieblichkeiten Andalusiens entzündet, dessen glutäugige Schönheiten bekanntlich ständig den Dolch im Strumpfhalter tragen, um gegebenenfalls ihre Ehre zu verteidigen.

Selbst die Erfindung der Feinstrumpfhose hat dieses Klischee nicht aus der Welt schaffen können; auf der Opernbühne und in der Tourismuswerbung feiert es fröhliche Urständ. Unamuno und seine Generation setzten dagegen ihr Bild vom spirituellen Spanien. Dieser Sonderweg wird nächstes Jahr sein hundertstes Jubiläum feiern, zu einer Zeit, wo niemand mehr ernsthaft bezweifeln kann, daß Spanien zu Europa gehört. MAX GROSSE

Miguel de Unamuno: "Selbstgespräche und Konversationen". Ausgewählt und aus dem Spanischen übersetzt von Erna Pfeiffer. Literaturverlag Droschl, Graz und Wien 1997. 254 S., br., 34,- DM.

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