Wen einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Nach fünf Romanen, die ihn zu einem der wichtigsten Autoren französischer Literatur machten, legt Jean-Philippe Toussaint ein Reisebuch besonderer Art vor: Als moderner Candide mit dem Charme eines Buster Keaon reist der Autor um die Welt, nach Japan, Vietnam, Deutschland, Tunesien. Stoisch, wie alle Helden seiner früheren Romane, begegnet Toussaint au seinen Reisen »in die Fremde« keinesfalls den exotischen Sensationen und Sehenswürdigkeiten ferner Länder, sondern widmet sich mit viel Humor und scharfem Blick den Unwägbarkeiten des Lebens: grotesk die Begegnung mit der Verkäuferin in einer Berliner Metzgerei, urkomisch die Beschreibung eines Schriftstellerkongresses in Hanoi, liebenswert »der schönste Tag meines Lebens« auf Korsika. Ein Selbstporträt (in der Fremde), gezeichnet in wundervollen Miniaturen und schnellen Passagen, die das Flüchtige im absurden Drama der Details unseres Alltags festhalten.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2002Vom Glück der Schildkröte
Klammerton: Zwei neue Bücher von Jean-Philippe Toussaint
Mal angenommen, daß es nicht immer gut ist, wenn alles so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat; angenommen, die Dinge würden spannender und wahrer und schöner, wenn sie sich verknoten, verhaken und verlieren, und auch angenommen, es gäbe so etwas wie ein Glück der mißglückten Begegnung: Es wäre das große Verdienst des belgischen Schriftstellers Jean-Philippe Toussaint, dieses Glück in einer unvergleichlich lapidaren Szene beschrieben zu haben.
Ein Mann, Kunsthistoriker und Franzose, steht in einer sommerlich erleuchteten Berliner Straße vor einem schönen Altbau; auf der Straße hält ein Auto. Zwei gebräunte Gestalten steigen aus, es handelt sich um Uwe und Inge Drescher, seine Nachbarn. Sie kommen aus dem Urlaub zurück, sie hatten ihn gebeten, die Pflanzen zu gießen, aber von den Pflanzen hat keine einzige überlebt. Der Franzose hat ein schlechtes Gewissen, als Inge lächelnd auf ihn zukommt. Er findet sie attraktiv. Sie möchte den französischen Nachbarn französisch mit Küßchen begrüßen, trois bisous, links, rechts, links. Aber im Moment der Annäherung gibt es ein Mißverständnis, beide neigen den Kopf in die gleiche Richtung, so daß der routinierte Wangenkuß zu einer ungeplanten Intimität wird - "wobei unsere Münder sich für einen kurzen Augenblick streiften und unsere Lippen sich sachte berührten". Später, als sie wortlos vor den vertrockneten Pflanzen stehen, weht ihm ihr Haar ins Gesicht, das ist das vorläufige Ende dieser Begegnung und der Anfang subtiler Verunsicherungen.
Ansonsten arbeitet Toussaints französischer Wahlberliner an einer kunstwissenschaftlichen Studie über Tizian, weswegen er beschließt, nicht mehr fernzusehen - doch das ohne großen Erfolg: Nach 162 Romanseiten hat Toussaints Erzähler gerade einmal zwei Seiten über Tizian verfaßt, den Leser mit einer Persiflage auf ambitiöse Medientheorien nachhaltig verwirrt und ein Deutschlandbild entworfen, das seinesgleichen sucht. "Fernsehen" ist ein böser, brillanter kleiner Deutschlandroman.
In der französischen Literatur ist das selten: Während in jedem drittklassigen deutschen Befindlichkeitsroman die Helden nach Frankreich fahren und dort ihr Glück zwischen provencalischem Lavendelduft und provinziellen "Leben-wie-Gott-in-Frankreich"-Orgien suchen, ist das Deutschland der Gegenwart nicht oft Schauplatz des französischen Romans. Wo Deutschland in der französischen Literatur zum Thema wurde, da war es meistens das finstere Land des Dritten Reichs, in Michel Tourniers "Erlkönig" etwa oder in Jacques Peuchemards "Nuit Allemande", oder aber das stinkende Wirtschaftswunderland des Ruhrgebietes, wie in Alain Bosquets 1997 erschienenem Roman "Portrait d'un milliardaire malheureux".
Eine Ausnahme war in den zwanziger Jahren René Trintzius' Roman "Deutschland". Trintzius' Werk projizierte auf das Deutschland der Weimarer Republik exakt jenes Idealbild einer hellen, aufgeklärt fortschrittlichen Nation, das deutsche Schriftsteller zur gleichen Zeit in Frankreich suchten. Deutschland war bei Trintzius ein Land, in dem es nur "la Verrückheit", "la Neue Sachlichkeit", "la Sozialdemokratie" und "la Sehnsucht" gab.
Toussaints Hauptfigur ist, rund siebzig Jahre nach Trintzius' schwärmerischem Helden André Lehucher, dessen würdiger Erbe, wenn auch ungleich kritischer mit dem fremden Nachbarn. Der Kunsthistoriker gerät in die Plattenbauwüsten des Ostens, wo bleiche Menschen mittags fernsehen, bummelt durch den Dürersaal der Dahlemer Sammlungen, legt sich zum Mittagsschlaf am Müggelsee halbnackt auf eine Wiese, bekommt an delikaten Stellen Sonnenbrände, will diese, einmal erwacht, schnell im Wasser des Sees kühlen und läuft dabei, fasernackt, dem im Anzug vorbeipromenierenden Cees Nooteboom in die Arme - eine angeblich autobiographische Peinlichkeit, die Toussaint während eines Gastaufenthaltes am Berliner Wissenschaftskolleg widerfuhr.
Und er trifft die Dreschers: Uwe Drescher ist Anwalt, politisch engagiert, begeisterter Mountainbikefahrer mit Hang zur Selbstdarstellung, seine schöne Frau Inge ist hübsch und hat wenig zu sagen, weshalb sie mit den Pflanzen spricht. Selten ist einem Autor ein so ätzendes Porträt des neuen deutschen Mittelstandes gelungen: Die Dreschers sind angestrengt weltoffen und anstrengend provinziell, ein Zerrbild des Neuberliners und das Gegenteil von Toussaints Helden.
Die sind allesamt seltsame Figuren: Menschen, die stundenlang in leeren Zimmern sitzen und an die Decke starren, nichts tun, sich zurückziehen, die Zeit zerdehnen und mit einer irgendwie schildkrötenhaften Mischung aus Gelassenheit und Resignation ein widerständiges Glück finden, sich im Labyrinth der Nebensächlichkeiten verheddern und plötzlich das Leben aufblitzen sehen. Das war schon in Toussaints erstem Roman "Das Badezimmer" so, wo sich der Erzähler entschließt, sein Leben in der Badewanne liegend zu führen und sich dort von Freunden versorgen zu lassen, und auch in Toussaints zweitem Roman "Monsieur", einer großartigen, lakonischen Hommage an kalte Helden wie Paul Valérys Monsieur Teste und den Mann ohne Eigenschaften.
Dort, wo Toussaints Helden ihren beglückenden Ruhezustand aufgeben müssen, entsteht stets eine nicht enden wollende Verkettung von Komplikationen und unendlichen Mühen; die Möglichkeit des Todes schwebt als feiner Schatten neben jeder Bewegung auf das Glück hin - oder wie es Toussaint als Präambel seines kleinen Reisebuches "Selbstporträt (in der Fremde)" schreibt: "Jedesmal, wenn ich reise, befällt mich im Moment der Abreise eine ganz leichte Angst, eine Angst, die manchmal getönt ist von einem sanften Schauer der Erregung. Weiß ich doch, daß mit dem Reisen stets die Möglichkeit zu sterben einhergeht - oder Sex zu haben (natürlich höchst unwahrscheinliche Eventualitäten, die dennoch nie ganz auszuschließen sind)."
Auch das Sprechen in Klammern ist eine Eigenart von Toussaint, die er mittlerweile zu einer literarischen Kunstform ausgebaut hat; der Erzähler spricht gewissermaßen aus zwei Perspektiven, als kommentiere ein am Kamin sitzender Gesprächspartner den Erzählfluß des anderen. Auch dieser Kunstgriff ist einer der zahllosen Tricks, mit denen sich Toussaint aus der Verantwortung stiehlt, Fallen stellt, ausweicht und alles relativiert - ganz wie seine Helden, die stets darum bemüht sind, Verletzungen auszuweichen. Sie kühlen sich ab auf die Temperatur ihres Umfeldes und überleben so als seltsame wechselwarme Geschöpfe, die glauben, daß sich die Höhepunkte des Lebens in leeren Cappuccinotassen verstecken.
Er wünsche sich, hat Thomas Mann einmal gesagt, "daß man einst von seinem Werk sagen möge", es sei "lebensfreundlich, obwohl es vom Tode weiß"; wollte man Toussaints Romane mit einem halben Satz beschreiben, es wäre dieser.
NIKLAS MAAK.
Jean-Philippe Toussaint: "Fernsehen". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Bernd Schwibs. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 192 S., br., 9,- [Euro].
Jean-Philippe Toussaint: "Selbstporträt (in der Fremde)". Aus dem Französischen übersetzt von Bernd Schwibs. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2001. 93 S., geb., 16,50 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Klammerton: Zwei neue Bücher von Jean-Philippe Toussaint
Mal angenommen, daß es nicht immer gut ist, wenn alles so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat; angenommen, die Dinge würden spannender und wahrer und schöner, wenn sie sich verknoten, verhaken und verlieren, und auch angenommen, es gäbe so etwas wie ein Glück der mißglückten Begegnung: Es wäre das große Verdienst des belgischen Schriftstellers Jean-Philippe Toussaint, dieses Glück in einer unvergleichlich lapidaren Szene beschrieben zu haben.
Ein Mann, Kunsthistoriker und Franzose, steht in einer sommerlich erleuchteten Berliner Straße vor einem schönen Altbau; auf der Straße hält ein Auto. Zwei gebräunte Gestalten steigen aus, es handelt sich um Uwe und Inge Drescher, seine Nachbarn. Sie kommen aus dem Urlaub zurück, sie hatten ihn gebeten, die Pflanzen zu gießen, aber von den Pflanzen hat keine einzige überlebt. Der Franzose hat ein schlechtes Gewissen, als Inge lächelnd auf ihn zukommt. Er findet sie attraktiv. Sie möchte den französischen Nachbarn französisch mit Küßchen begrüßen, trois bisous, links, rechts, links. Aber im Moment der Annäherung gibt es ein Mißverständnis, beide neigen den Kopf in die gleiche Richtung, so daß der routinierte Wangenkuß zu einer ungeplanten Intimität wird - "wobei unsere Münder sich für einen kurzen Augenblick streiften und unsere Lippen sich sachte berührten". Später, als sie wortlos vor den vertrockneten Pflanzen stehen, weht ihm ihr Haar ins Gesicht, das ist das vorläufige Ende dieser Begegnung und der Anfang subtiler Verunsicherungen.
Ansonsten arbeitet Toussaints französischer Wahlberliner an einer kunstwissenschaftlichen Studie über Tizian, weswegen er beschließt, nicht mehr fernzusehen - doch das ohne großen Erfolg: Nach 162 Romanseiten hat Toussaints Erzähler gerade einmal zwei Seiten über Tizian verfaßt, den Leser mit einer Persiflage auf ambitiöse Medientheorien nachhaltig verwirrt und ein Deutschlandbild entworfen, das seinesgleichen sucht. "Fernsehen" ist ein böser, brillanter kleiner Deutschlandroman.
In der französischen Literatur ist das selten: Während in jedem drittklassigen deutschen Befindlichkeitsroman die Helden nach Frankreich fahren und dort ihr Glück zwischen provencalischem Lavendelduft und provinziellen "Leben-wie-Gott-in-Frankreich"-Orgien suchen, ist das Deutschland der Gegenwart nicht oft Schauplatz des französischen Romans. Wo Deutschland in der französischen Literatur zum Thema wurde, da war es meistens das finstere Land des Dritten Reichs, in Michel Tourniers "Erlkönig" etwa oder in Jacques Peuchemards "Nuit Allemande", oder aber das stinkende Wirtschaftswunderland des Ruhrgebietes, wie in Alain Bosquets 1997 erschienenem Roman "Portrait d'un milliardaire malheureux".
Eine Ausnahme war in den zwanziger Jahren René Trintzius' Roman "Deutschland". Trintzius' Werk projizierte auf das Deutschland der Weimarer Republik exakt jenes Idealbild einer hellen, aufgeklärt fortschrittlichen Nation, das deutsche Schriftsteller zur gleichen Zeit in Frankreich suchten. Deutschland war bei Trintzius ein Land, in dem es nur "la Verrückheit", "la Neue Sachlichkeit", "la Sozialdemokratie" und "la Sehnsucht" gab.
Toussaints Hauptfigur ist, rund siebzig Jahre nach Trintzius' schwärmerischem Helden André Lehucher, dessen würdiger Erbe, wenn auch ungleich kritischer mit dem fremden Nachbarn. Der Kunsthistoriker gerät in die Plattenbauwüsten des Ostens, wo bleiche Menschen mittags fernsehen, bummelt durch den Dürersaal der Dahlemer Sammlungen, legt sich zum Mittagsschlaf am Müggelsee halbnackt auf eine Wiese, bekommt an delikaten Stellen Sonnenbrände, will diese, einmal erwacht, schnell im Wasser des Sees kühlen und läuft dabei, fasernackt, dem im Anzug vorbeipromenierenden Cees Nooteboom in die Arme - eine angeblich autobiographische Peinlichkeit, die Toussaint während eines Gastaufenthaltes am Berliner Wissenschaftskolleg widerfuhr.
Und er trifft die Dreschers: Uwe Drescher ist Anwalt, politisch engagiert, begeisterter Mountainbikefahrer mit Hang zur Selbstdarstellung, seine schöne Frau Inge ist hübsch und hat wenig zu sagen, weshalb sie mit den Pflanzen spricht. Selten ist einem Autor ein so ätzendes Porträt des neuen deutschen Mittelstandes gelungen: Die Dreschers sind angestrengt weltoffen und anstrengend provinziell, ein Zerrbild des Neuberliners und das Gegenteil von Toussaints Helden.
Die sind allesamt seltsame Figuren: Menschen, die stundenlang in leeren Zimmern sitzen und an die Decke starren, nichts tun, sich zurückziehen, die Zeit zerdehnen und mit einer irgendwie schildkrötenhaften Mischung aus Gelassenheit und Resignation ein widerständiges Glück finden, sich im Labyrinth der Nebensächlichkeiten verheddern und plötzlich das Leben aufblitzen sehen. Das war schon in Toussaints erstem Roman "Das Badezimmer" so, wo sich der Erzähler entschließt, sein Leben in der Badewanne liegend zu führen und sich dort von Freunden versorgen zu lassen, und auch in Toussaints zweitem Roman "Monsieur", einer großartigen, lakonischen Hommage an kalte Helden wie Paul Valérys Monsieur Teste und den Mann ohne Eigenschaften.
Dort, wo Toussaints Helden ihren beglückenden Ruhezustand aufgeben müssen, entsteht stets eine nicht enden wollende Verkettung von Komplikationen und unendlichen Mühen; die Möglichkeit des Todes schwebt als feiner Schatten neben jeder Bewegung auf das Glück hin - oder wie es Toussaint als Präambel seines kleinen Reisebuches "Selbstporträt (in der Fremde)" schreibt: "Jedesmal, wenn ich reise, befällt mich im Moment der Abreise eine ganz leichte Angst, eine Angst, die manchmal getönt ist von einem sanften Schauer der Erregung. Weiß ich doch, daß mit dem Reisen stets die Möglichkeit zu sterben einhergeht - oder Sex zu haben (natürlich höchst unwahrscheinliche Eventualitäten, die dennoch nie ganz auszuschließen sind)."
Auch das Sprechen in Klammern ist eine Eigenart von Toussaint, die er mittlerweile zu einer literarischen Kunstform ausgebaut hat; der Erzähler spricht gewissermaßen aus zwei Perspektiven, als kommentiere ein am Kamin sitzender Gesprächspartner den Erzählfluß des anderen. Auch dieser Kunstgriff ist einer der zahllosen Tricks, mit denen sich Toussaint aus der Verantwortung stiehlt, Fallen stellt, ausweicht und alles relativiert - ganz wie seine Helden, die stets darum bemüht sind, Verletzungen auszuweichen. Sie kühlen sich ab auf die Temperatur ihres Umfeldes und überleben so als seltsame wechselwarme Geschöpfe, die glauben, daß sich die Höhepunkte des Lebens in leeren Cappuccinotassen verstecken.
Er wünsche sich, hat Thomas Mann einmal gesagt, "daß man einst von seinem Werk sagen möge", es sei "lebensfreundlich, obwohl es vom Tode weiß"; wollte man Toussaints Romane mit einem halben Satz beschreiben, es wäre dieser.
NIKLAS MAAK.
Jean-Philippe Toussaint: "Fernsehen". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Bernd Schwibs. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 192 S., br., 9,- [Euro].
Jean-Philippe Toussaint: "Selbstporträt (in der Fremde)". Aus dem Französischen übersetzt von Bernd Schwibs. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2001. 93 S., geb., 16,50 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
"Ina Hartwig bespricht zwei zweitgleich auf Deutsch erschienene Bücher, in denen sich der gebürtige Belgier Toussaint über Berlin äußert, wo er 1993 als Stipendiat des DAAD eine Zeit gelebt hat.
1) Jean-Philippe Toussaint: "Fernsehen". Roman
Höchstes Markenzeichen des Autors: feine Ironie, die nach Hartwig einen französischsprachigen Kunsthistoriker durch das unwirtliche Berlin begleitet, ihn auf teutonische Alternative, prollige Nacktkulturhedonisten und einen diplomatisch jede Misslage übersehenden Direktor des Berlin-Programms stoßen lässt, wohinter nach Hartwig unschwer reale Personen zu erkennen wären. Noch markanter jedoch sei die Selbstironie, mit der der Autor alle verfänglichen Situationen schildere und darüber hinaus ein Experiment beschreibe, dem der Roman seinen Titel verdankt: der Erzähler möchte nämlich eine Zeit lang auf das "Fernsehen" verzichten. Was durchaus einen verschärfenden Effekt in der Wahrnehmung des Kunsthistorikers zur Folge hat, siehe Thema Berlin, außerdem aber als Selbstbeschreibung für Hartwig durchaus ernstzunehmende (und zugleich vergnügliche) Literatur darstellt.
2) Jean-Philippe Toussaint: "Selbstportrait in der Fremde"
Eine Fortsetzung findet Toussaints Berlin-Betrachtung im vorliegenden Essayband, der elf minimalistische Portraits versammelt, für die nach Hartwig Roland Barthes` Japan-Buch Vorbild gewesen sein könnte. "Un-Portraits" nennt sie die Rezensentin, die verschiedenen Ländern, Städten, Landschaften gelten: Tunesien, Korsika, Vietnam und natürlich Japan. Eine "Poesie des Peripheren" sieht sie evoziert, eine Auflösung des Ichs des Reisenden beschrieben, der sich in den verschiedenen Raum- und Zeitzonen verliert und doch auch wieder selbst erfährt. Der Ruf Berlins, eine unliebenswürdige Stadt zu sein oder vielmehr von unliebenswürdigen Personen in Verruf gebracht zu werden, erfährt übrigens auch in diesem Beitrag des Autors keine Korrektur, teilt Hartwig mit.
©
1) Jean-Philippe Toussaint: "Fernsehen". Roman
Höchstes Markenzeichen des Autors: feine Ironie, die nach Hartwig einen französischsprachigen Kunsthistoriker durch das unwirtliche Berlin begleitet, ihn auf teutonische Alternative, prollige Nacktkulturhedonisten und einen diplomatisch jede Misslage übersehenden Direktor des Berlin-Programms stoßen lässt, wohinter nach Hartwig unschwer reale Personen zu erkennen wären. Noch markanter jedoch sei die Selbstironie, mit der der Autor alle verfänglichen Situationen schildere und darüber hinaus ein Experiment beschreibe, dem der Roman seinen Titel verdankt: der Erzähler möchte nämlich eine Zeit lang auf das "Fernsehen" verzichten. Was durchaus einen verschärfenden Effekt in der Wahrnehmung des Kunsthistorikers zur Folge hat, siehe Thema Berlin, außerdem aber als Selbstbeschreibung für Hartwig durchaus ernstzunehmende (und zugleich vergnügliche) Literatur darstellt.
2) Jean-Philippe Toussaint: "Selbstportrait in der Fremde"
Eine Fortsetzung findet Toussaints Berlin-Betrachtung im vorliegenden Essayband, der elf minimalistische Portraits versammelt, für die nach Hartwig Roland Barthes` Japan-Buch Vorbild gewesen sein könnte. "Un-Portraits" nennt sie die Rezensentin, die verschiedenen Ländern, Städten, Landschaften gelten: Tunesien, Korsika, Vietnam und natürlich Japan. Eine "Poesie des Peripheren" sieht sie evoziert, eine Auflösung des Ichs des Reisenden beschrieben, der sich in den verschiedenen Raum- und Zeitzonen verliert und doch auch wieder selbst erfährt. Der Ruf Berlins, eine unliebenswürdige Stadt zu sein oder vielmehr von unliebenswürdigen Personen in Verruf gebracht zu werden, erfährt übrigens auch in diesem Beitrag des Autors keine Korrektur, teilt Hartwig mit.
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