Marktplatzangebote
15 Angebote ab € 1,00 €
  • Broschiertes Buch

Nach dem Tod der Mutter muss der Haushalt eines langen Lebens aufgelöst werden: Erinnerungen werden wach, und die Dinge beginnen zu erzählen. Eine Tasche mit Medikamenten berührt Hendrik ganz besonders und weckt eine alte 'Kindertrauer' ... Ein anrührender, autobiographischer, aber auch schonungsloser Roman über eine Kindheit und Jugend in den späten vierziger und fünfziger Jahren.

Produktbeschreibung
Nach dem Tod der Mutter muss der Haushalt eines langen Lebens aufgelöst werden: Erinnerungen werden wach, und die Dinge beginnen zu erzählen. Eine Tasche mit Medikamenten berührt Hendrik ganz besonders und weckt eine alte 'Kindertrauer' ...
Ein anrührender, autobiographischer, aber auch schonungsloser Roman über eine Kindheit und Jugend in den späten vierziger und fünfziger Jahren.
Autorenporträt
Nicolaas Matsier, geboren 1945 in Krommenie, Nordholland, studierte Alte Sprachen und Philosophie und war anschließend Lehrer in Hilversum, Zeitungsredakteur und Verlagslektor. Seit 1976 ist er freier Autor. Matsier veröffentlichte einen Roman, mehrere Erzählbände, Kinderbücher, Essays, Übersetzungen und schreibt regelmäßig für verschiedene niederländische Zeitungen. Für "Selbstporträt mit Eltern" wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er lebt heute in Amsterdam.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2001

In sich eine ganze Welt
Vereinsamte Kontraststellung: Nicolaas Matsier erzählt sein Leben

Weder auf dem Buchdeckel noch auf dem Vorsatzblatt ist dem Titel ein literarischer Gattungsbegriff beigegeben. Das kurze Verlagsnachwort dagegen spricht von einem Roman, ganz genau: von einem autobiographischen Roman. Also wird am Ende bestätigt, was man während der Lektüre, Seite für Seite deutlicher, schon zu begreifen meinte: daß Nicolaas Matsier, niederländischer Schriftsteller, hier seine ganz eigene Geschichte erzählt. Zu dieser Annahme kommt der Leser nicht nur, weil die Handlung in der Ich-Form vorgetragen wird. Auch nicht bloß deshalb, weil beide, Autor und erzählendes Ich, im selben Jahr, nämlich 1945, im selben Ort, nämlich Krommenie in der Provinz Nordholland, geboren wurden und in Den Haag aufwuchsen. Vielmehr geht es um die Art des Erzählens. Kaum ein Schriftsteller, so scheint es, könnte dermaßen exakt die Falten und Winkel einer Menschenseele ausleuchten, wählte er nicht das eigene Gemüt zum Gegenstand der Darstellung.

Damit ist schon die Eigenart des Buches angedeutet. Was immer passierte in den Lebensjahrzehnten des Helden und seiner Familie, sei es im kleinen Holland, sei es in der großen Welt, wir gewahren es aus dem Blickwinkel des Kindes, des Knaben, des jungen Mannes, kurzum des heranreifenden Menschen, der unser Erzähler einmal war. Aber auch diese Feststellung trifft noch nicht ganz ins Schwarze. Denn wir blicken nicht nur aus den Augen des Erzählers in die Welt, sondern ebenso in Herz und Hirn der verschiedenen Reifevariationen, die der Erzähler im Verlauf seines Heranwachsens verkörperte. Wir befinden uns, genaugenommen, in der Position eines Psychologen, der eine Anamnese erhebt und mit den zahllosen, oft widersprüchlichen Aussagen seines Patienten deshalb zurechtkommt, weil er über ein ordnendes Raster verfügt.

Unser Raster gründet sich auf zwei Sicherheiten: Zum einen ist uns die Historie, die den Hintergrund der Roman-Autobiographie bildet, zum guten Teil vertraut und nirgendwo ganz fremd. Im scheinbaren Frieden der dreißiger Jahre heiraten die Eltern des Erzählers und bekommen ihre ersten Kinder, am Ende des Zweiten Weltkrieges wird der Erzähler als jüngstes Kind geboren; in den Nachkriegsjahrzehnten mit ihrem Zwiespalt zwischen tradierter Bürgerbravheit und allerlei Rebellenmoden wächst er auf. Die andere Sicherheit beziehen wir daraus, daß die Psychoweisheiten längst die Spalten der Zeitschriften und die Sendeminuten des Fernsehens erobert und uns darauf eingestimmt haben, mit solchen vorder- oder hintergründigen Familiendramen, wie Matsier sie uns vorführt, zurechtzukommen.

Im Grunde wird uns eine Generalbeichte vorgetragen. Sie hat ihren positiven und ihren negativen Aspekt. Der positive speist sich aus der familiären, nationalen, schlechthin menschlichen Geborgenheit, die dem werdenden Individuum geboten wird. Zu dem, worauf sich das junge Wesen stützen darf, gehören durchaus auch törichte Anschauungen, dumme Sitten, bornierte Vorurteile, solange das Kind von derlei Übereinkünften profitiert, also nicht mit ihnen in Konflikt gerät. Der negative Aspekt macht sich bemerkbar, sobald das Erzähler-Ich uns seine reiferen Jahre unterbreitet. Der Jüngling, der junge Mann, gerät unweigerlich in schmerzhafte Differenzen zwischen Anhänglichkeit und Empörung. Er liebt seine Eltern, er teilt ihren Schmerz um zwei gestorbene Geschwister, er weiß sich aufgebaut aus den tausend Alltäglichkeiten ihrer Mühen und Freuden. Zugleich aber fühlt er sich gefesselt von den Ansprüchen, die ihre Fürsorge ihm auferlegt, verkannt in seiner um eine Generation verschobenen Weltsicht, vereinsamt in seiner Kontraststellung, für die er Vater und Mutter verantwortlich machen möchte. Schon ein Erwachsener, verfällt er eine Zeitlang fast in Wahnsinn.

Daß beides, Familienhintergrund und Ausrasten, in Verbindung stehen, ist freilich nur eine Annahme. Ausgesprochen wird das im Buch nicht. Allerdings wird auch sonst wenig ausgesprochen, wenn man bedenkt, wieviel gesagt wird. Es ist sehr schwierig zu entscheiden, ob jedes einzelne der zahllosen Geschichtchen einem höheren Sinn dient, und wenn ja, welchem. Der erzählende Autor führt sie keinem erkennbaren Zweck zu, er trägt sie einfach vor - als Beichte eben, die einem ganz persönlichen inneren Drang gehorcht und sonst keinem Antrieb. Doch er ist imstande, seine innersten Regungen auf eine Weise nach außen zu kehren, daß sie unsere Anteilnahme aktivieren, daß wir uns um Verständnis bemühen und immer wieder mal drängen möchten: Und weiter? Was geschah dann? Selbst wenn wir dabei bloß von Neugier getrieben sein sollten, ist das ein beachtlicher Erfolg für einen Erzähler, der seinem Publikum nichts bietet als sein Ich.

SABINE BRANDT

Nicolaas Matsier: "Selbstporträt mit Eltern". Aus dem Niederländischen übersetzt von Marianne Holberg. Arche Verlag, Zürich 2001. 315 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Matsiers bestes Buch. Und ein ergreifendes dazu." (Maarten 't Hart)
"Schön, dass sich noch einmal jemand die Mühe macht, sich - mit allem Reichtum an Resonanzen - an die kleinen Rituale des Alltags von gestern oder vorgestern zu erinnern." (Der Spiegel)