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Nach seinem Bestsellerroman Die Stimmen des Flusses entfaltet Jaume Cabré in seinem preisgekrönten und international erfolgreichen Roman Senyoria ein packendes Gesellschaftspanorama und führt uns zurück ins Barcelona des ausklingenden 18. Jahrhunderts. An nichts ist dem Gerichtspräsidenten von Barcelona, Don Rafel Massó i Pujades, genannt "Senyoria", Euer Gnaden, mehr gelegen, als seine gesellschaftliche Stellung und seinen Reichtum gegen andere Emporkömmlinge zu verteidigen. Doch ein Mord, an dessen Aufklärung niemand besonderes Interesse zeigt, bringt eine Lawine ins Rollen, die Don Rafel…mehr

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Produktbeschreibung
Nach seinem Bestsellerroman Die Stimmen des Flusses entfaltet Jaume Cabré in seinem preisgekrönten und international erfolgreichen Roman Senyoria ein packendes Gesellschaftspanorama und führt uns zurück ins Barcelona des ausklingenden 18. Jahrhunderts.
An nichts ist dem Gerichtspräsidenten von Barcelona, Don Rafel Massó i Pujades, genannt "Senyoria", Euer Gnaden, mehr gelegen, als seine gesellschaftliche Stellung und seinen Reichtum gegen andere Emporkömmlinge zu verteidigen. Doch ein Mord, an dessen Aufklärung niemand besonderes Interesse zeigt, bringt eine Lawine ins Rollen, die Don Rafel trotz bester Beziehungen nicht mehr aufzuhalten vermag. Wer wußte von dem unseligen Vorfall, den er längst aus seiner Erinnerung verbannt hatte? Am letzten Tag des Jahres 1799, an dem das herrschaftliche Barcelona nur das rauschende Fest zur Jahrhundertwende im Sinn hat, ist für Don Rafel jeder Ausweg, den er in seiner Not sucht, von vermeintlichen Verbündeten versperrt.
Autorenporträt
Cabré, Jaume
Jaume Cabré, geboren 1947 in Barcelona, ist einer der angesehensten katalanischen Autoren. Neben Romanen, Erzählungen und Essays hat er auch fürs Theater geschrieben und Drehbücher verfasst. Seine Romane wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem spanischen Kritikerpreis und dem französischen Prix Méditerranée, und in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Brandt, Kirsten
Kirsten Brandt, geboren 1963 in Friedberg, studierte Anglistik, Germanistik und Lusitanistik in Frankfurt am Main und Hamburg. Heute lebt sie als als Übersetzerin in Offenbach.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2010

Der Richter ist sein eigener Henker

Es ist etwas faul im Staate Spanien: Der katalanische Autor Jaume Cabré spiegelt im Barcelona des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts die Phase des Übergangs nach der Franco-Diktatur und macht einen verschlagenen und korrupten Lüstling zur faszinierenden Hauptfigur.

Ich traue der menschlichen Gerechtigkeit nicht. Sie ist schwach. Sie ist willkürlich", sagt Don Rafel Massò i Pujades, und er weiß, wovon er spricht. Schließlich ist er Gerichtspräsident von Barcelona und damit nicht nur die höchste juristische Instanz, sondern auch der mächtigste Mann der zivilen städtischen Gesellschaft. Der Leser ahnt bald, dass Don Rafel, der sich seit seinem Aufstieg in der Hierarchie nur noch "Eure Gnaden" - "Sa Senyoria" - nennen lässt und als willkürlich verschrieen ist, selbst alles andere als eine weiße Weste hat. Don Rafel ist nicht nur korrupt, er ist zudem ein Mörder. In eifersüchtiger Raserei hat er seine Geliebte erdrosselt, was sein Gewissen allerdings nur mäßig belastet und ihn auch in seinen Urteilen nicht milder stimmt. Es bereitet Sa Senyoria weitaus mehr Kopfzerbrechen, dass ausgerechnet er ohne Adelstitel geboren ist und im Barcelona des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts, im Haifischbecken der aristokratischen Gesellschaft, so mühsam um sein Ansehen ringen muss.

Jaume Cabré, in seiner katalanischen Heimat einer der wichtigsten Autoren der postfranquistischen Ära, hat seinen Protagonisten mit allen nur erdenklichen negativen Eigenschaften ausgestattet. Sein Don Rafel ist von mäßiger Schönheit - fast kahl, leicht buckelig und mit Krötenaugen. Er ist selbstgefällig und habgierig. Nur seinem maßlosen Machtstreben und seiner Gewissenlosigkeit hat er es zu verdanken, dass er sich gegen andere Emporkömmlinge durchsetzen kann.

Warum aber sollte man dieser von nagender Missgunst getriebenen, unansehnlichen Figur über mehr als vierhundert Seiten folgen? Zum einen, weil der Leser verstrickt wird in das geschickt gewebte Beziehungsgeflecht des einflussreichen und wohlhabenden Richters. Zum anderen, weil Cabré den Charakter des Don Rafel weitaus komplexer angelegt hat, als es zunächst den Anschein macht. Sieben Jahre lang hat der Autor nach eigener Aussage mit seiner zugleich abstoßenden wie faszinierenden Figur gerungen. Das Ergebnis ist die psychologisch vielschichtige Analyse eines nach Sex und Macht strebenden Despoten. Furchteinflößend in seinem Amt, ist Don Rafel privat - vor allem in Liebesdingen - bisweilen mitleiderregend weich. Nahezu sensibel zeigt sich der Laienastronom beim Blick durch sein Fernrohr. Doch in diesem Winter hat sich selbst Orion gegen Don Rafel verschworen und verbirgt sich im Nebel.

Die Leistung des Autors ist es, den verschlagenen Lüstling nicht nur mit feinem Humor zu demaskieren, sondern gleichzeitig zur Identifikationsfigur zu machen. Je mehr Don Rafel in Bedrängnis gerät, umso größer wird die Anteilnahme des Lesers, der gebannt verfolgt, wie der Mann, der einst die Fäden in der Hand hielt, zum gehetzten Tier wird.

Rechtsbeugung, Korruption und Machtmissbrauch sind Themen, die sich durch Cabrés gesamtes Schaffen ziehen. Auch sein monumentaler Roman "Die Stimmen des Flusses", der 2007 zum Gastlandauftritt Kataloniens auf Deutsch erschien, beschreibt den Aufstieg von skrupellosen Opportunisten. "Senyoria" erschien im Original bereits 1991 - zu einer Zeit, in der laut Cabré das juristische System Spaniens noch immer "komplett verfault war". Ursprünglich hatte der Autor die Geschichte des Richters, der sich selbst der Justiz entzieht, im ersten Jahrzehnt nach Francos Tod angesiedelt. Als Vorbild diente ihm ein Prozess in Barcelona, der zwei franquistischen Richtern wegen Amtsmissbrauchs gemacht wurde.

Doch weist die Epochenschwelle vor zweihundert Jahren, die Cabré nun als Setting gewählt hat, viele Parallelen zur spanischen "Transición" nach 1975 auf. Don Rafel verkörpert einen despotischen Menschentypus, der unter dem Generalísimo Franco weit verbreitet war. Das Ende der Adelsherrschaft ist überall spürbar. Die Aristokratie feiert ihre Feste verhaltener, während das Volk unter dem Einfluss der Französischen Revolution gegen Willkürherrschaft und Autoritätsglauben aufbegehrt. Don Rafels Gegenspieler sind ein junger Dichter und sein Freund, ein Komponist. Sie tragen keine Perücken mehr, haben sich symbolhaft aus dem alten System befreit. Doch dem schönen, aufrichtigen Poeten Andreu Perramon - ein vielleicht zu engelhaft reiner Charakter - wird zum Verhängnis, einen Brief zu besitzen, der Don Rafel schwer belastet. Des Mordes an einer französischen Sängerin beschuldigt, wird er umgehend gehängt.

Doch kann man diesen Roman durchaus auch ohne seinen politischen Gegenwartsbezug lesen. Cabré hat viel Mühe auf Kulisse und Kostüme verwandt. Man riecht die muffigen Perücken und schweren Parfums, hört dem belanglosen Geplänkel des herrschaftlichen Barcelona auf dem Fest zur Jahrhundertwende zu. So ist "Senyoria" zugleich ein lustvoll-ironisches Porträt des katalanischen Adels des ausklingenden achtzehnten Jahrhunderts und eine sinnlich-deftige Hommage an Barcelona, dessen damals noch nicht gepflasterte Straßen nach wochenlangem Dauerregen im Schlamm versinken.

Der manchmal plätschernd-heitere Ton sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Cabré auf die großen, zeitlosen Konflikte hinauswill. Leidenschaft führt bei ihm zwangsläufig zur Tragödie. Es ist gekränkte Eitelkeit, die Don Rafel seine betrügerische Geliebte erwürgen und ihn dann an ihrem Tod zugrunde gehen lässt.

Cabrés eigenwillige und virtuose Kompositionstechnik deutet sich in "Senyoria" schon an, die technischen und stilistischen Mittel wie das Ineinanderfließen von indirekter und direkter Rede, die häufigen Wechsel der Zeitebenen und Erzählstränge, sind aber längst nicht so ausgereift wie in dem zwölf Jahre jüngeren "Die Stimmen des Flusses". Die Entstehungszeit von "Senyoria" fällt zusammen mit Cabrés Arbeiten als Drehbuchautor für das katalanische Fernsehen. Auch als Romancier benutzt Cabré subtil ineinander verschachtelte Rück- und Überblenden, lässt perspektivische Nähe und Distanz alternieren. Schnell geschnittene Szenenreigen werden von langen Kamerafahrten abgelöst.

Dieser filmische Schreibstil fordert die Übersetzerin aufs äußerste. Dennoch ist nicht nachzuvollziehen, warum Kirsten Brandt bei der Übertragung ins Deutsche ganze Absätze und einmal anderthalb komplette Seiten einfach ausgelassen hat. Auch das Spiel mit Dialekten, mit Hoch- und Gossensprache ist leider etwas verlorengegangen.

Mit "Senyoria" unternimmt Suhrkamp nun zum zweiten Mal den Versuch, einen der wichtigsten katalanischen Autoren hierzulande bekannt zu machen. Mit einem neuen Roman ist, wie Cabré ankündigt, erst in einigen Jahren zu rechnen. Es bleibt zu hoffen, dass in der Zwischenzeit weitere, ältere Titel des Autors auf Deutsch vorliegen.

ANNIKA MÜLLER

Jaume Cabré: "Senyoria". Roman. Aus dem Katalanischen von Kirsten Brandt. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 443 S., geb., 24,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Brigitte Kramer hat sich tief in den Bann von Jaume Cabres historischen Roman "Senyoria" ziehen lassen und findet sich nach einem Vorgeplänkel aus Anekdoten, Klatsch und Alltagswelt aus dem Barcelona des ausgehenden 18. Jahrhunderts unversehens in einer packenden Geschichte um Mord und Macht wieder. Im Mittelpunkt dieses bereits 1991 erstmals publizierten Romans steht der despotische Gerichtspräsident von Barcelona, den eine vor vielen Jahren begangene Untat zum Ende seines Berufslebens einholt, lässt uns die Rezensentin wissen. Nicht nur die scharfen Figurenporträts und den gelungenen Spannungsbogen preist die begeisterte Rezensentin. Als schriftstellerischen Coup feiert sie zudem, wie es Cabre gelingt, einen durch und durch negativ gezeichneten, abstoßenden Helden zur Hauptfigur und somit zur unsympathischen Identifikationsfigur zu machen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Die von Clarén glänzend interpretierte Geschichte besticht durch feine Charakterzeichnung und schwarzen Humor."