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In den frühen Morgenstunden eines Herbsttages begehen drei Männer am Ufer eines Sees ein Verbrechen. Einer von ihnen gibt später zu Protokoll, was in der Nacht geschah - und will nur passiver Mitläufer gewesen sein. "Septemberleuchten" ist ein Roman über die archaische Dynamik von Angst und Gewalt und dabei ein Kriminalstück mit unwiderstehlicher Sogwirkung, wie es in der Gegenwartsliteratur in Deutschland selten zu finden ist.

Produktbeschreibung
In den frühen Morgenstunden eines Herbsttages begehen drei Männer am Ufer eines Sees ein Verbrechen. Einer von ihnen gibt später zu Protokoll, was in der Nacht geschah - und will nur passiver Mitläufer gewesen sein. "Septemberleuchten" ist ein Roman über die archaische Dynamik von Angst und Gewalt und dabei ein Kriminalstück mit unwiderstehlicher Sogwirkung, wie es in der Gegenwartsliteratur in Deutschland selten zu finden ist.
Autorenporträt
Martin Gülich, 1963 geboren, lebt in Freiburg. Zuletzt erschienen die Romane "Die Umarmung" (2005) und "Später Schnee" (2006). Seine Bücher werden derzeit in neun Sprachen übersetzt, seine jüngste Auszeichnung ist das Heinrich-Heine-Stipendium 2010 der Stadt Lüneburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.2009

Und in der Freizeit wird gefoltert
Gewalt spricht: Martin Gülichs Roman über die Dynamik von Angst und Macht

Vier Männer. Einer von ihnen hat keinen Namen. Er ahnt, dass er die Nacht nicht überleben wird. Schon auf dem Weg zum Auto versucht er zu fliehen. Dabei ist das, was die Männer vorhaben, eine denkbar harmlose Angelegenheit. Ein Ausflug soll es werden, ein Grillabend am See. Den Ort hat Kron ausgewählt, weil über dem See im Spätsommer ein seltsam schönes Licht liegt, "Septemberleuchten" nennt es Krons Mutter. Ein Licht, "das keinen Raum für Zweifel lässt".

Kron ist der Erzähler und ist es gleichzeitig nicht. Eine unbekannte Instanz referiert in indirekter Rede, was Kron zu Protokoll gegeben hat. Sie kommentiert nicht, erklärt nicht, ordnet nicht ein. Der Leser ist allein. Das Geschehen, das er wie durch dickes Glas beobachtet, bleibt unfassbar. Obwohl Gülich die Geschichte komplett im Konjunktiv erzählt, entfaltet "Septemberleuchten" schnell eine eigenartige Sogwirkung. Es ist, als betrachte man einen komplizierten Beinbruch oder eine eiternde Wunde. Man mag auf keinen Fall weiterlesen, kann aber den Blick nicht abwenden. Gleichzeitig halten der Konjunktiv und Gülichs magere, protokollarische Sprache, die nur selten von eindringlichen, fast lyrischen Beschreibungen unterbrochen wird, den Leser auf Distanz.

Die drei Männer, die nur bei ihren Nachnamen genannt werden, Kron, Vanek und Gerland, lassen den Mann, dessen Name nie genannt wird, nicht entkommen. Die vier grillen Würste und rösten Marshmallows, trinken Bier und Cognac, spielen Skat und stechen, schon einigermaßen alkoholisiert, mit einem zufällig gefundenen Floß in See. Der Namenlose hat von Anfang an einen niedrigen Status. Seine Begleiter schlagen ihm beiläufig ins Gesicht und in den Bauch. Sie werfen ihn ins Wasser. Sie nehmen ihm seine Kleider weg, binden ihn an einen Pflock, würgen ihn, zwingen ihn zu tanzen. Er versucht wegzulaufen, er stürzt sich ins Wasser, ins Feuer. Seine Folterer holen ihn zurück, ziehen ihn aus dem See, löschen seinen brennenden Mantel und kühlen seine Brandblasen. Er wird nicht entscheiden, wie und wann er stirbt. Später, der Mann liegt nurmehr reglos auf dem Waldboden, tritt ihm der vom Kartenspiel frustrierte Gerland noch mehrmals mit aller Kraft in den Unterleib. Als die Männer den Namenlosen begraben, zuckt noch seine Hand, "ein letztes Zeichen hinaus in die Welt".

Kron hat keinen Grund, mit diesen Männern einen Mord zu begehen. Nur einer von ihnen, Vanek, ist ein flüchtiger Bekannter, die anderen beiden hat er nie zuvor gesehen. Was Vanek, Gerland und den Namenlosen miteinander verbindet, bleibt unklar. Von "gewissen Verstrickungen" ist die Rede, von "Scheckkartenmanipulationen" und "Transportgeschäften".

"Septemberleuchten" ist eine Studie über die Dynamik von Angst und Macht, Gewalt und Gemeinschaftsgefühl. Gülichs Roman verstört nicht durch detaillierte Darstellungen von Grausamkeiten, sondern durch die Vermischung der Begriffe. Während die Männer den Flüchtenden einkreisen, nennt Gerland ihn seinen "Schutzbefohlenen". Ihn "zurückzuholen" sei seine "väterliche Pflicht". Als das Opfer später verzweifelt versucht, aus dem See zurück aufs Floß zu gelangen, wird sein "allzu vorwitziger Kopf mit sanftem Druck einer Schuhsohle zurückgedrängt". Harmlos wie ein vergnüglicher Sommerabend sind die Worte, mit denen Gülich die Quälereien beschreibt. Analog dazu werden Alltagsgegenstände - Bierflaschen, Picknickbänke, ein herumliegendes Hanfseil - zu Folterinstrumenten.

Krons Aussage ist Geständnis und hilflose Verteidigung zugleich. Seltsam gefasst, manchmal geradezu vergnügt, dann wieder tief beschämt und mitunter um Mitleid heischend schildert er die Ereignisse. Dem Klischee eines Gewaltverbrechers entspricht der Zeuge nicht. Er ist kein verrohter Säufer. Er arbeitet in einem Aquarium, und an jedem letzten Sonntag im Monat fährt er mit seiner Mutter ins Café. Zuletzt sind es wohl die Sehnsucht nach der Zuneigung des dominanten Gerland und die Bereitschaft zur Unterwerfung, die Kron zum Täter machen. "Schließlich", heißt es, "geschehe es nicht oft, dass ein anderer einen in sein Herz schließe, schon gar nicht in der Kürze eines Abends, einer Nacht".

ELISABETH DIETZ

Martin Gülich: "Septemberleuchten". Roman. Nagel & Kimche Verlag, München 2009. 123 S., geb., 14,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Sibylle Saxer hat in Abgründe gesehen bei dieser Lektüre. Dabei erscheint ihr der Ton des kleinen Romans von Martin Gülich eher lakonisch, seine sprachliche Form in indirekter Rede und im Konjunktiv mindestens schwierig. Dem überraschenden Sog der Geschichte um vier Männer am See, von denen einer am Ende erst fast zu Tode gequält und dann lebendig verscharrt wird, kann sich die Rezensentin allerdings nicht entziehen. Die latente Spannung, die sich schließlich als Aggressivität scheinbar grundlos entlädt, erfährt Saxer als beklemmend. Seine nachhaltige Wirkung erhält der Text für sie aus der virtuosen sprachlichen Gestaltung des düsteren Szenarios.

© Perlentaucher Medien GmbH