Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2012Das Gnukalb darf nicht sterben
"Serengeti darf nicht sterben" lautete das filmische und literarische Vermächtnis von Professor Grzimek, und so war es seit den Tagen des seligen Fernsehzoologen bundesrepublikanischer Konsens. Seither wissen die Deutschen den Ngorongoro-Krater korrekt auszusprechen und loben die Masai als bunten Ohrschmuck tragendes und das Wild in der Serengeti ehrenwerterweise nicht jagendes Hirtenvolk. Auch der damals dreizehnjährige Reinhard Radke stimmte nach Lektüre des Grzimek-Buchs in den Chor der selbsternannten Hüter des afrikanischen Wilds ein. Es blieb nicht bei der jugendlichen Begeisterung für Zebra, Löwe, Elefant. Siebzehn Jahre später reiste Radke selbst das erste Mal in die Serengeti. Seither vergeht kaum ein Jahr, in dem der zwischenzeitlich zum Doktor der Zoologie Promovierte und zum Filmer Geschulte nicht den Nationalpark zwischen Kenia und Tansania besucht. "Weiter, offener Platz" bedeutet das Masai-Wort Sirinket, aus dem die Europäer Serengeti formten. Um die Unversehrtheit des einzigartigen Tierreservats, durch dessen Weite jährlich zwei Millionen Großtiere auf der Suche nach Gras und Wasser ziehen, macht sich nicht nur Radke Sorgen. In naher Zukunft soll mit dem Bau einer Fernstraße durch den Norden der Serengeti begonnen werden, die die Wanderbewegungen der Herden empfindlich stören dürfte. Einundfünfzig Jahre nachdem Professor Grzimek für seinen Serengeti-Film der Oscar verliehen wurde, kam Reinhard Radke mit einem neuen, schlicht "Serengeti" betitelten Film ins Kino. Wie heute üblich, erschien dazu auch ein Buch. Radke, der in den neunziger Jahren beim ZDF stilbildend für die Tierfilme des Senders wurde, liefert auch dort gewohnt grandiose Bilder. Trägen Blicks schaut uns der Leopard vom Baum herab an. Eine Löwensippe lümmelt sich im fahlgelben Grasland. Beim Zuschnappen eines im Mara-Fluss lauernden Krokodils, dem ein Gnukalb zum Opfer fallen wird, meint man das Wasser klatschen zu hören. Wie die Aufnahmen zustande kamen, verrät der Autor ebenfalls. Mit dem großen Kran schweift die Kamera über das Flussbett, aus dem Tarnzelt lugt das Objektiv. Ansonsten sind Geduld gefragt - und Nerven. Die letzte Aufnahme zeigt einen Elefanten, der das winzige Zelt untersucht, hinter dessen Bahnen Radtke auf Tuchfühlung mit den Dickhäutern geht.
ksi
"Serengeti" von Reinhard Radke. Knesebeck Verlag, München 2011. 96 Seiten, 117 Fotos. Gebunden, 19,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Serengeti darf nicht sterben" lautete das filmische und literarische Vermächtnis von Professor Grzimek, und so war es seit den Tagen des seligen Fernsehzoologen bundesrepublikanischer Konsens. Seither wissen die Deutschen den Ngorongoro-Krater korrekt auszusprechen und loben die Masai als bunten Ohrschmuck tragendes und das Wild in der Serengeti ehrenwerterweise nicht jagendes Hirtenvolk. Auch der damals dreizehnjährige Reinhard Radke stimmte nach Lektüre des Grzimek-Buchs in den Chor der selbsternannten Hüter des afrikanischen Wilds ein. Es blieb nicht bei der jugendlichen Begeisterung für Zebra, Löwe, Elefant. Siebzehn Jahre später reiste Radke selbst das erste Mal in die Serengeti. Seither vergeht kaum ein Jahr, in dem der zwischenzeitlich zum Doktor der Zoologie Promovierte und zum Filmer Geschulte nicht den Nationalpark zwischen Kenia und Tansania besucht. "Weiter, offener Platz" bedeutet das Masai-Wort Sirinket, aus dem die Europäer Serengeti formten. Um die Unversehrtheit des einzigartigen Tierreservats, durch dessen Weite jährlich zwei Millionen Großtiere auf der Suche nach Gras und Wasser ziehen, macht sich nicht nur Radke Sorgen. In naher Zukunft soll mit dem Bau einer Fernstraße durch den Norden der Serengeti begonnen werden, die die Wanderbewegungen der Herden empfindlich stören dürfte. Einundfünfzig Jahre nachdem Professor Grzimek für seinen Serengeti-Film der Oscar verliehen wurde, kam Reinhard Radke mit einem neuen, schlicht "Serengeti" betitelten Film ins Kino. Wie heute üblich, erschien dazu auch ein Buch. Radke, der in den neunziger Jahren beim ZDF stilbildend für die Tierfilme des Senders wurde, liefert auch dort gewohnt grandiose Bilder. Trägen Blicks schaut uns der Leopard vom Baum herab an. Eine Löwensippe lümmelt sich im fahlgelben Grasland. Beim Zuschnappen eines im Mara-Fluss lauernden Krokodils, dem ein Gnukalb zum Opfer fallen wird, meint man das Wasser klatschen zu hören. Wie die Aufnahmen zustande kamen, verrät der Autor ebenfalls. Mit dem großen Kran schweift die Kamera über das Flussbett, aus dem Tarnzelt lugt das Objektiv. Ansonsten sind Geduld gefragt - und Nerven. Die letzte Aufnahme zeigt einen Elefanten, der das winzige Zelt untersucht, hinter dessen Bahnen Radtke auf Tuchfühlung mit den Dickhäutern geht.
ksi
"Serengeti" von Reinhard Radke. Knesebeck Verlag, München 2011. 96 Seiten, 117 Fotos. Gebunden, 19,95 Euro.
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