Produktdetails
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.07.2004

BÜCHER FÜR DIE REISE
Das verborgene Tibet
Changtang - ein Gebiet in Tibet, so unberührt wie sonst nur Wüsten und die Antarktis. Wenn ein Mensch sich dort hinein traut, verliert er sich beinahe in diesem „Land ohne Horizont”. Seine Anwesenheit ist vollkommen unbedeutend. Andererseits hat jemand, der in Changtang unterwegs ist, tagelang nur sich und seine wenigen Begleiter. Solche Einsamkeit kann einen schon seltsam werden lassen.
Bei Michel Peissel ist diese Art von eigenbrötlerischem Übermut anzutreffen. „Land ohne Horizont” ist vor allem ein Buch über den Autor selbst. Erst dann kommen Tibet und Changtang. Aber anders kann man so ein Buch wohl nicht schreiben: Die Einsamkeit und das Bewusstsein, etwas nie Dagewesenes zu vollbringen - all das geht nicht spurlos an einem Menschen vorbei.
Auch Heinrich Harrer war so ein Aufschneider, ein Bergsteiger, der in den Vierzigern „Sieben Jahre in Tibet” am Hof des Königs gelebt hatte. Der Verlag Frederking & Thaler hat Harrers Buch neu aufgelegt, und wie in Peissels Expeditionsbericht bleibt das gebirgige Refugium auch bei ihm ein verborgenes Land.
Weitere siebzig Jahre vor Heinrich Harrer, von 1870 bis 1873, unternahm Nikolai M. Prschewalski eine Expedition in die unwegsame Himalaya-Region. Er musste „Auf Schleichwegen nach Tibet”. Die Edition Erdmann, spezialisiert auf historische Reiseliteratur, hat dieses Buch neu aufgelegt. Dort kann man nachlesen, wie bei Prschewalski zur Selbstbezogenheit noch koloniale Arroganz kam: Er sah in den Tibetern und in den Asiaten ganz allgemein Menschen, „bei denen allein Beharrlichkeit, ja Unverschämtheit verfängt”. Diese Haltung ist bei Harrer und erst recht bei Peissel nicht mehr anzutreffen. Bei ihnen überwiegt die Neugier auf eine fremde, faszinierende Kultur. Auch wenn sie mitunter so tun, als seien sie die einzigen, die etwas über dieses Land und seine Bewohner wissen.
STEFAN FISCHER
MICHEL PEISSEL: Land ohne Horizont. Reisen in das unentdeckte Tibet. Malik Verlag, München 2004, 288 Seiten, 19,90 Euro.
HEINRICH HARRER: Sieben Jahre in Tibet. National Geographic mit Frederking & Thaler, München 2004, 462 Seiten, 11 Euro.
NIKOLAI M. PRSCHEWALSKI: Auf Schleichwegen nach Tibet 1870 - 1873. Edition Erdmann, Lenningen 2004, 320 Seiten, 22 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr