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Schon immer hat sich der Mensch nach der Überschreitung einer 'natürlichen' Sexualität gesehnt. Neu ist, dass mit der Schaffung virtueller Welten und der Fertigung von lebensechten Sexpuppen und humanoiden Robotern nun die Möglichkeit besteht, dieses Begehren auch real auszuleben. Bevor aber entschieden werden kann, ob das die bisherige Begehrensordnung revolutioniert oder bestehende Geschlechterverhältnisse zementiert, muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, was es heißt, eine Maschine zu begehren. Anhand zahlreicher Beispiele aus Film, Fernsehen, Kunst und Literatur, zeigt Sex…mehr

Produktbeschreibung
Schon immer hat sich der Mensch nach der Überschreitung einer 'natürlichen' Sexualität gesehnt. Neu ist, dass mit der Schaffung virtueller Welten und der Fertigung von lebensechten Sexpuppen und humanoiden Robotern nun die Möglichkeit besteht, dieses Begehren auch real auszuleben. Bevor aber entschieden werden kann, ob das die bisherige Begehrensordnung revolutioniert oder bestehende Geschlechterverhältnisse zementiert, muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, was es heißt, eine Maschine zu begehren. Anhand zahlreicher Beispiele aus Film, Fernsehen, Kunst und Literatur, zeigt Sex Machina, wie unterschiedlich Begehren und Beziehungen zwischen Menschen und Maschinen imaginiert und organisiert werden können. Gleichzeitig ist es ein Plädoyer für einen entspannten Umgang mit Technik, der diese nicht als funktionale Vervollkommnung, sondern als Eigenart von Sexualität und Begehren einordnet.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Sophie Wennerscheid, 1973 geboren, ist Kulturwissenschaftlerin mit einem besonderen Interesse für Literatur, Kunst und Film aus Skandinavien. Nach Forschungs- und Lehraufenthalten in Berlin, Freiburg, Uppsala und Kopenhagen arbeitet sie derzeit als Professorin für Skandinavistik an der Universität Gent in Belgien, lebt aber vorwiegend in Berlin. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher und Aufsätze u.a. zu Søren Kierkegaard, Karen Blixen oder Lars von Trier, in deren Werken es um die Frage nach der Undurchdringbarkeit der eigenen Existenz geht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2019

Träumen Androiden von Menschen?

Das Begehren auf neuen alten Wegen: Sophie Wennerscheid untersucht, wie weit es intelligente Sextechnik bis jetzt bringt und was Mensch und Maschine auf diesem Feld noch bevorstehen könnte.

Sex war noch nie die natürlichste Sache der Welt, doch so sehr technisch überformt oder überformbar wie heute war er auch noch nie. Die Literaturwissenschaftlerin Sophie Wennerscheid forscht zur Konstitution von Subjektivität und durchmustert in "Sex Machina", wie die neuen Technologien von der assistierten Reproduktion über Teledildos und virtuelle Realität bis hin zu Sexrobotern unser Verhältnis zu uns selbst und zu anderen beeinflussen.

Diese Techniken sind kaum auf dem Markt, da haben sich die Positionen schon in zwei Extreme gespalten: Die Fürsprecher sehen neue erregende Möglichkeiten, die in Beziehungen zwischen Menschen schwierig oder unmöglich sind. Die Gegner warnen davor, Menschen könnten unfähig werden, miteinander umzugehen, wenn sie sich mit den so viel einfacher gestrickten Maschinen abgeben. Für sie ist Sex mit Robotern, Sex in der virtuellen Realität, Sex, vermittelt über technische Geräte, nur ein Surrogat für die, die, warum auch immer, keinen menschlichen Partner finden, "Prothesen-Sex".

Die Autorin plädiert für einen Mittelweg: Technik und Sexualität schließen sich demnach nicht aus, das Begehren finde vielmehr neue Datenbestände und Übertragungswege. Die neuen Techniken könnten sogar "kritisches Potential" bergen, Geschlechterstereotype aufbrechen und neue Konzepte von Zugehörigkeit entstehen lassen - solange der Mensch sich ihretwegen keine maschinenartige Perfektion aufzwingt.

Im ersten Kapitel über die Möglichkeiten "assistierter Reproduktion" fächert Wennerscheid die Palette neuer "nicht-normkonformer Beziehungs- und Familienkonstellationen" auf. Sie diskutiert die bekannten Spannungen einer Reproduktionsindustrie, die mit den Hoffnungen, die sie weckt, viel Geld macht, und analysiert, etwas eklektisch, im selben Kapitel auch Sexspielzeug, lebensechte Babypuppen und den literarischen Diskurs über Klone darauf hin, was er an verstecktem Begehren zutage fördert. Hier, wie im ganzen Buch, trägt die Autorin viele Positionen zusammen, lässt aber nur vorsichtig eine gewisse Sympathie für Positionen der Grenzüberschreitung und Vermischung erkennen, wie sie Donna Haraway oder Rosi Braidotti vertreten.

In der Folge geht es um die Begegnung mit dem Technischen. Roboter, vor allem die menschenähnlichen unter ihnen, lassen uns nicht kalt: Das ist, wie Wennerscheid richtig sieht, der Kern des Hypes um die mehr oder weniger intelligenten Maschinen unsereà Tage. Wir können kaum anders, als ihnen ein menschenähnliches Innenleben zuzuschreiben. Wir sehen in ihnen etwas, so Wennerscheid, das "auf uns Bezug nimmt", auf uns reagiert, uns meint, ein Gegenüber. Nur deshalb geraten wir in die Versuchung, zu Maschinen so etwas wie zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen zu wollen.

Die Frage ist nun: Wollen wir uns von solchen Robotern ansprechen lassen oder sollten wir besser üben, sie nur als Maschinen zu betrachten? Auch hier plädiert Wennerscheid dafür, die Möglichkeiten erst einmal zu testen. Allerdings ist im Bereich intelligenter Sextechnik noch nicht allzu viel möglich - wie die Autorin mit eigenen Experimenten mit Sex in der virtuellen Welt erfahren musste.

Daher nimmt sich Wennerscheid Jules Verne zum Vorbild und will aufzeigen, was sich in Ansätzen abzeichnet und wohin die Entwicklung gehen könnte. Dazu zieht sie ausführlich auch die Literatur zu Rate, von der Antike bis zur Science-Fiction. Immerhin schuf sich schon in Ovids "Metamorphosen" Pygmalion eine Statue als ewig treue Gefährtin, Galateia mit Namen, die er küsste und umarmte, der er Kleider machte und sie "Genossin des Betts" nannte. Und auch Blockbuster wie "Blade Runner" handeln von den Verwirrungen, die entstehen, wenn sich zwischen Mensch und Maschine nicht mehr deutlich unterscheiden lässt. Wennerscheid nutzt diese Irritationen, um Ängste und - meist weniger explizit gemachte - Lüste aufzuspüren, die in diesen Begegnungen aufscheinen.

Dabei schwankt die Autorin ein wenig zwischen realistischen Einschätzungen dessen, was Roboter heute können, und vermutlich eher theoretisch motivierten Träumen von einer Zukunft ohne Art- und Gattungsgrenzen, die dann irgendwie auch das Patriarchat und "wertkonservative Beziehungsmodelle" beendet. Bislang, so stellt sie fest, pflegen nicht einmal im Film Menschen längere Beziehungen mit einem künstlichen Wesen. Einerseits scheinen Interaktionen mit Maschinen interessant zu sein, weil sie totale Kontrolle versprechen, andererseits werden Beziehungen zu schematisch und absehbar reagierenden Robotern schnell langweilig.

Könnten durch maschinelles Lernen Roboter entstehen, die eben doch unvorhersehbar agieren? Oder steckt das Unvorhersehbare schon in der Art, wie der Mensch die Maschine wahrnimmt? Oder sind sie deshalb faszinierend, weil sie uns etwas Inhumanes und Unbekanntes in uns selbst zeigen? Auf jeden Fall, da hat die Autorin recht, sollten die Robotergefährten gar nicht erst so tun, als seien sie künstliche Menschen. Und sie kritisiert zu Recht, dass in Film und Literatur die Begegnung mit der Maschine oft genug nur dazu dient, stereotype Rollenvorstellungen zu bestätigen.

Dass es aber ein Sicherheitsproblem sein könnte, wenn Roboter sich unerwartet verhalten, damit etwas "ganz Eigensinniges und Eigensinnliches entstehen" könne, kommt nicht in den Blick. Die Überschreitung von Speziesgrenzen mag avantgardistisch klingen, doch wir sollten nicht vergessen, dass wir es bei Cyborgs, Klonen oder Schimären mit leidensfähigen Wesen zu tun haben. Man muss nicht das Patriarchat verfechten, um "Multispezies-Assemblagen" für Unfug zu halten.

Menschenähnliche Maschinen müssen nicht besonders intelligent sein, um uns zu verwirren, das gilt insbesondere in der Sexualität. Das immer wieder zitierte "unheimliche Tal", das menschenähnliche Maschinen unheimlich mache, kratzt, wie die Autorin betont, bestenfalls an der Oberfläche dessen, was geschieht, wenn sich Mensch und Maschine begegnen. Vielleicht, so Wennerscheid, ist es gerade eine Art Angstlust am Unverstandenen, die die Maschinen so interessant macht.

Ihr Buch zeigt umfassend, welche Irritationen vor allem Roboter, die sich als soziale Wesen geben, hervorrufen und wie leicht Menschen sich Illusionen hingeben. Sie hätte deutlicher machen können, dass auch die heute "intelligent" genannten Maschinen vielleicht Sexspielzeuge, aber kein angemessenes Gegenüber sein können.

MANUELA LENZEN

Sophie Wennerscheid:

"Sex Machina".

Zur Zukunft des

Begehrens.

Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2019.

240 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Für Techno-Sex entflammt Rezensentin Nora Voit nach der Lektüre dieser Studie nicht gerade - auch wenn ihr die Kulturwissenschaftlerin Sophie Wennerscheid frisch und schwungvoll von Sexrobotern mit Onanierlöchern in verschiedenen Ausführungen oder Vibratoren, die Orgasmen mit unserer Lieblingsmusik unterlegen, erzählt. Angereichert mit Beispielen aus Kunst, Film, Literatur und Wissenschaften und mit einer ordentlichen Portion Optimismus blicke die Autorin einer "sexuellen Revolution 2.0" entgegen, in der Sexroboter möglicherweise für einen Rückgang von Prostitution und Kinderpornografie  und ein Aufbrechen von "starren Geschlechtsmodellen" sorgen. Dass jene Sexroboter mit ihren großen Brüsten und Hintern in eine "triefend heterosexuelle Matrix eingepflanzt" sind, verschweigt Wennerscheid dabei nicht, erklärt die Rezensentin, die sich von der Autorin bei aller "postgeschlechtlichen" Träumerei mehr Trennschärfe zwischen Fakten, Fiktion und queerfeministischen Theorien gewünscht hätte. Und im Praxistest scheint das Ergebnis dann sehr banal zu sein.

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