Dass Liebe, Zuneigung und eine ausgelebte Sexualität zu einer guten Ehe gehören, hat sich nach allgemeinem Verständnis seit dem 18. Jahrhundert durchgesetzt. In welchem Verhältnis aber standen Emotionalität und Sexualität in der Ehe des Mittelalters und der Frühen Neuzeit? In welcher Weise wurde Intimität unter Eheleuten erörtert? Wer hatte sich im Ehebett wie zu verhalten? Wurde dies für Männer und Frauen unterschiedlich begründet? Rüdiger Schnell widmet sich diesem Aspekt der Geschlechter- und Mentalitätsgeschichte mit einem diskursanalytischen Ansatz. Anhand von theologischen, ökonomischen, medizinischen und poetischen Texten erkundet er für einen Zeitraum vom 10. bis zum 17. Jahrhundert, wie und unter welchen Bedingungen eheliche Sexualität thematisiert wurde. Dabei gelingt ihm der Nachweis, dass bereits in der Vormoderne die sexuelle und die emotionale Beziehung unter Ehegefährten als 'interdependent' angesehen wurde.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Angelika Dörfler-Dierken enthält sich bei der Besprechung dieses Buches leider jeder Bewertung. Die "Negativfolie" von Schnells Untersuchungen stelle eine These von Niklas Luhmann dar, schreibt sie. Schnell widerlege dessen These, wonach Sexualität erst im 18. Jahrhundert in den Liebescode einbezogen worden sei. Vielmehr lasse sich bereits vom 12. Jahrhundert nachweisen, dass das Ehepaar "idealerweise ein Liebespaar" sein sollte. Man könnte sich natürlich fragen, ob dies den Punkt berührt, um den es Niklas Luhmann ging. Dörfler-Dierken schließt mit der Bemerkung, dass das Buch insofern einem "konservativen" Denkstil verpflichtet sei, als es die Institution der Ehe, im Moment ihres historischen Niedergangs, auf seine Weise noch einmal lobe - wegen der Verbindung von "Leiblichkeit und Geistigkeit", die sie ermögliche.
© Perlentaucher Medien GmbH
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