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In den letzten Jahren wurde das Thema sexueller Gewalt in Familien zum Gegenstand öffentlicher Diskussion. Ein weiteres Tabuthema, das damit verwandt zu sein scheint, ist der sexuelle Mißbrauch in Psychotherapien. Erst in jüngster Zeit wurden zahlreiche Fälle bekannt. In der überwiegenden Zahl handelt es sich um männliche Täter (Therapeuten) und weibliche Betroffene (Patientinnen oder Klientinnen).
In diesem Buch werden 12 kommentierte Fallgeschichten vorgestellt und diskutiert. Dabei kommen Patientinnen, Ausbildungskandidatinnen und ein Therapeut zu Wort, die den sexuellen Kontakt aus
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Produktbeschreibung
In den letzten Jahren wurde das Thema sexueller Gewalt in Familien zum Gegenstand öffentlicher Diskussion. Ein weiteres Tabuthema, das damit verwandt zu sein scheint, ist der sexuelle Mißbrauch in Psychotherapien. Erst in jüngster Zeit wurden zahlreiche Fälle bekannt. In der überwiegenden Zahl handelt es sich um männliche Täter (Therapeuten) und weibliche Betroffene (Patientinnen oder Klientinnen).
In diesem Buch werden 12 kommentierte Fallgeschichten vorgestellt und diskutiert. Dabei kommen Patientinnen, Ausbildungskandidatinnen und ein Therapeut zu Wort, die den sexuellen Kontakt aus ihrer Sicht beschreiben. Es werden Faktoren aufgezeigt, die ein Einlassen auf einen sexuellen Kontakt begünstigten, Mechanismen, die ihn aufrechterhielten, sowie Bewältigungsversuche auf seiten der Patientinnen.
Die Wünsche der betroffenen Frauen nach Besonderheit, Geborgenheit und Anerkennung ihrer Weiblichkeit wurden mit verschiedenartigen sexuellen Grenzüberschreitungen beantwortet und von den Frauen selbst manchmal auch in naiv erscheinender Weise mißgedeutet. Rückblickend erwies sich der sexuelle Kontakt immer als mißbräuchlich.
Das Abstinenzgebot in psychotherapeutischen Behandlungen, das derartigen Gefahren entgegenwirken soll, wird ebenso erörtert wie die Frage, was eine gelingende Beziehung zwischen Therapeut und Patientin ausmacht.
Autorenporträt
Dr. phil. Marga Löwer-Hirsch ist analytische Psychotherapeutin in eigener Praxis, (Lehr-)Supervisorin, Organisationsentwicklerin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.1998

Stefanie lacht endlich
Bericht zur Lage der Liebe: Du nimmst auch die Pille, Mann! Und zwar zwo! / Von Dirk Schümer

Es sieht ganz so aus, als habe sich im vergangenen Jahr eine sexuelle Revolution ereignet. Der Auslöser, das Präparat "Viagra", wurde jedenfalls seit dem Frühjahr 1998 in Amerika und seit dem Spätsommer auch in Europa so oft eingenommen wie kein anderes Medikament der Medizingeschichte. Inwieweit Viagra das Geschlechtsleben der Menschen dauerhaft verändern wird, muß sich der Öffentlichkeit erst noch zeigen. Eines jedoch zeichnet sich bereits ab: "Viagra" versetzt der Psychologie der Liebe, der Vorstellung einer seelenkundlichen Passion, aus der sich ein physischer Akt quasi automatisch ergibt, einen harten Schlag. Die zweite sexuelle Revolution macht aus der Liebe eine Frage des Körpersaftes. Stimmt die Durchblutung, ist auch die Liebe kein Problem mehr.

Vielleicht auch darum ist der Markt für Expertentexte zum Aufarbeiten von Beziehungsschäden, für Trostbüchlein für Verlassene schlagartig geschrumpft. Wo sonst Titelumschläge in zarten Pastellfarben zum endlosen Therapiegespräch über die naturgegebenen Unterschiede der Gefühlswelten von Männern und Frauen einluden, da zieht jetzt in den Buchhandlungen ein kleines Bändchen mit einem Farbcluster aus blutrot-grellgelb-pillenblau die knallharte Aufmerksamkeit auf sich: "Viagra - Alles, was Sie darüber wissen müssen".

Mit seinem umstandslosen Urologenjargon fegt Larry Katzenstein die vertrauten Fragmente einer Sprache der Liebe vom Büchertisch. Von jetzt an genügt ein Beipackzettel über Risiken und Nebenwirkungen. Was bedeuten tausend Schmetterlinge im Bauch gegen ein Mikrogramm Sildenafil im Blut? So nämlich heißt die chemische Verbindung, deren unerwartete Nebenwirkung - eine Drosselung von Erektionsschwächen - den Arzneimittelkonzern Pfizer reich macht und das Leben von Millionen Benutzern zu bereichern vorgibt. Was bleibt noch übrig von einem Diskurs, der dabei war, die körperliche Seite der Liebe auf eine überwindbare Barbarei, auf ein in Kauf zu nehmendes Beiwerk im Mückentanz der Gefühle zu reduzieren?

Sicher ist, daß noch 1997 kein einziges Beratungsbuch diese triumphierende Sprache angeschlagen hätte: "Es hat nichts mit der Schwerkraft zu tun, sondern stellt in einem gewissen Sinn den Triumph der Anti-Schwerkraft dar: Es ist der Höhepunkt auf der langen Suche nach einem Medikament, mit dem der Mann seinen herabhängenden Penis wieder steigen lassen kann." Daß dies nicht in langwierigen Gruppensitzungen beim Partnertherapeuten geschieht, sondern durch das schlichte Schlucken einer Pille, muß für alle klinischen Mediziner eine ungeheure Genugtuung bedeuten.

Nun sind Stellungnahmen wie die Aussage des dreiundsiebzigjährigen Rentners Phil dazu angetan, der Arzneimittelindustrie wieder einen Nimbus zu verschaffen wie zu Zeiten, da Alexander Fleming die Wirkung des Penicillins entdeckte. "Viagra", so äußert sich Phil, "ist das Tollste, was jemals erfunden wurde. Jetzt kann ich aufholen, was ich bisher versäumt habe." Der Kostenaufwand für die blaue Pille hat bei ihm und seiner Partnerin sogar dazu geführt, daß die beiden weniger Eßbares einkaufen - auch dies ein erfreulicher Nebeneffekt, der ein gesundes Altern verspricht.

Nur für körperlich geschädigte Minderheiten wird es Viagra umsonst auf Rezept geben. Marga Löwer-Hirsch macht jedoch auf eine andere gesellschaftliche Gruppe aufmerksam, die sich ihre Sexualität von der Krankenkasse finanzieren läßt: Psychotherapeuten, die ihre Patientinnen sexuell mißbrauchen. Die Fallstudien ihres Büchleins weisen auf bestürzende Mißstände im Gesundheits- und Ausbildungswesen hin. Die Opfer erzählen von Hochschullehrern und approbierten Medizinern, die sich einen Harem von jungen Patientinnen halten. Ein Mediziner empfing die hilfesuchende junge Frau nackt im Whirlpool und zwang sie zum Oralverkehr, ein anderer ließ sein Opfer für seine zahlreichen anderen Geliebten Therapiewochenenden im Ausland organisieren.

Daß für solche verbrecherischen Eskapaden die Krankenkasse auch noch ein horrendes Stundenhonorar an die Täter bezahlt, bedeutet noch wenig gegenüber den lebenslangen Schäden, die die mißbrauchten Frauen davontragen. Das Bestürzende an Löwer-Hirschs Studie: Nach ihrer Darstellung sind solche gesetzlich verbotenen Übergriffe im Therapeuten-Milieu gang und gäbe, Kollegen decken sich gegenseitig oder übernehmen ihre Opfer gar voneinander. Die Autorin schätzt die Dunkelziffer von Heilern, die sich an ihren Schutzbefohlenen vergreifen, auf erschreckende zwanzig Prozent. Einzig ein Verbot für Männer, Frauen psychisch zu therapieren, würde dem Skandal ein Ende machen. Vielleicht sollten sich die Krankenkassen an den Leibesvisitationen an Flughäfen orientieren; auch hier werden Frauen nicht von Männern abgetastet. Warum werden sie dann zu ihnen auf die Couch geschickt?

Der belesene Literaturwissenschaftler Wolfgang Rath hat die Entstehungsgeschichte der Liebeskultur im Abendland zusammengefaßt, schwärmt von einem historistischen Mix der Liebesmodelle, weiß aber am Ende weder grammatikalisch noch handlungstheoretisch aus noch ein: "Heute sind Denken und Handeln eigenständige Gebilde, schwer miteinander zu vereinen. Es herrscht Entscheidungslosigkeit als gesellschaftlich neuralgischer Punkt. Sie läßt im Lieben den Eindruck zu entstehen, heimatlos, einsam zu sein." Das langatmige Werk wurde erkennbar vor der Markteinführung von Viagra verfaßt und ist auch in der anderthalbstündigen Wartezeit bis zur Wirkung des Medikaments beim besten Willen nicht zu bewältigen.

Anders als der Titel nahelegt, kommt in "Jetzt mache ich uns glücklich" Sexualität nicht vor. Susan Pages Ratgeber setzt ein irgendwie funktionierendes Geschlechtsleben in der Partnerschaft voraus und trägt damit den Ergebnissen der Pfizer-Forschung Rechnung, die sich auf den Blutkreislauf konzentriert und nur das anregende Vorspiel der Psychologie überläßt. Was - außer den Arterien - eine langjährige Liebe zur Verkalkung bringt, listet die Psychologin aus Berkeley sorgsam auf: Herumnörgeln an kleinen Fehlern, Diskrepanzen bei der Freizeitgestaltung, Abstumpfung im Alltag. Wer hätte das gedacht?

Pages Rezept gegen solche Sorgen wirkt vielleicht ähnlich revolutionär wie das kleine blaue Bonbon: "In Ihrer Beziehung, die Sie jetzt haben, sind Sie sicher glücklicher, wenn Sie das Stadium der Entwicklung akzeptieren, in dem Sie sich befinden, und dafür sorgen, daß Sie und Ihr Partner sich trotzdem wohl fühlen." Das klingt kompliziert, ist aber ganz einfach: Man soll einfach das lieben, was man hat, und nicht das, was man nicht hat. Vor Jahren brachte ein hübscher Schlager der Volksmusik diese Botschaft unters Volk: "Wenn du glücklich bist, dann sei zufrieden!" Mit Viagra wird das künftig vielen leichter fallen.

Larry Katzenstein: "Die Potenz-Pille Viagra". Alles, was Sie darüber wissen müssen. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998. 126 S., br., 12,90 DM.

Marga Löwer-Hirsch: "Sexueller Mißbrauch in der Psychotherapie". Zwölf Fallgeschichten: Elf Frauen und ein Therapeut. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998. 176 S., br., 39,- DM.

Wolfgang Rath: "Liebe - die Geschichte eines Dilemmas". Siedler Verlag, Berlin 1998. 288 S., br., 18,- DM.

Susan Page: "Jetzt mache ich uns glücklich". Liebevolle Lenkung in Partnerschaften. Aus dem Amerikanischen von Almuth Carstens. Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt am Main 1998. 422 S., br., 32,- DM.

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