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In England aufgewachsen, kannte Saira Shah, Tochter eines afghanischen Gelehrten, das Land ihrer Väter lange Zeit nur vom Hörensagen. Denn das einzige, was ihr Vater damals für seine kleine Tochter mit in die Fremde rettete, waren tausendundeine faszinierende Geschichten und Legenden aus der Heimat. Erzählungen, die sie niemals vergessen sollte. Erzählungen, die ihr zeitlebens die Sehnsucht nach dem Zauber und der Magie Afghanistans in die Seele brannten. 1986, als sie gerade 21 war, gelang es Saira Shah zum ersten Mal, heimlich in das von russischen Truppen besetzte Afghanistan zu gelangen.…mehr

Produktbeschreibung
In England aufgewachsen, kannte Saira Shah, Tochter eines afghanischen Gelehrten, das Land ihrer Väter lange Zeit nur vom Hörensagen. Denn das einzige, was ihr Vater damals für seine kleine Tochter mit in die Fremde rettete, waren tausendundeine faszinierende Geschichten und Legenden aus der Heimat. Erzählungen, die sie niemals vergessen sollte. Erzählungen, die ihr zeitlebens die Sehnsucht nach dem Zauber und der Magie Afghanistans in die Seele brannten. 1986, als sie gerade 21 war, gelang es Saira Shah zum ersten Mal, heimlich in das von russischen Truppen besetzte Afghanistan zu gelangen. Seitdem hat sie - oftmals illegal und unter Lebensgefahr - das Land immer wieder besucht. Jetzt beschreibt die renommierte Journalistin, was sie in nunmehr fast 20 Jahren auf ihren Reisen und bei ihren Aufenthalten in Afghanistan erlebt und erfahren hat. Und sie erzählt davon, wie aus einer einst von Stolz, Gastfreundschaft und religiöser Toleranz geprägten Kultur in nur zwei Jahrzehnten einevon Gewalt und Fundamentalismus zerrissene Nation werden konnte.
Autorenporträt
Saira Shah wurde 1965 in der englischen Kleinstadt Langton Green als Tochter des afghanischen Schriftstellers und Gelehrten Idries Shah und seiner indischen Frau geboren. Sie studierte Persisch und Paschtun in London, bevor sie mit 21 Jahren zum ersten Mal das Land ihrer Väter besuchte. Ihr mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm "Im Reich der Finsternis", der im September 2001 auch in Deutschland ausgestrahlt wurde, hat Saira Shah auch in Deutschland einem breiten Publikum bekannt gemacht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.03.2003

Märchenland im Pulverdampf
Die Kriegsreporterin als Geschichtenerzählerin: Ein Besuch bei Saira Shah
Kriegsjournalisten hält man in der Regel für verrückt oder lebensmüde. Saira Shah ist viele Male als Kriegsberichterstatterin nach Afghanistan gereist. Ihr Buch „Die Tochter des Geschichtenerzählers” handelt aber nicht von Abenteuerlust, sondern von einer sehr komplexen Suche nach Heimat.
Saira Shah, die in ihrer kleinen Londoner Wohnung sitzt und genüsslich an einem Stück Früchtekuchen mümmelt, die am Abend ausgelassen in einer Disco in Hackney tanzen wird, sieht keineswegs aus, als hätte sie schon genug vom Leben. Auch wenn sie gerade von einer dreiwöchigen Irak-Reise zurückkommt. Sie lächelt. „Ich bin zum Glück kein Kriegsjunkie.” Sie kennt das Gefühl eines Adrenalinschubes, wenn alle Sinne geschärft sind, zwar gut, doch abhängig war sie nie davon. „Diese Leute gehen immer bis zum Äußersten, auch wenn es vollkommen sinnlos ist.”
Die meisten halten es bereits für sinnlos gefährlich, sich nur in der Nähe von Afghanistan aufzuhalten. Saira Shah, die 1964 als Tochter eines afghanischen Gelehrten und einer indischen Parsi geboren und in einem Dorf in Kent aufgewachsen ist, hat das Land schon oft bereist. In ihrem soeben erschienenen Buch, „Die Tochter des Geschichtenerzählers” (Goldmann Verlag, München 2003, 343 Seiten, 22,90 Euro), berichtet sie von ihrer jahrelangen Beschäftigung mit Afghanistan. Es ist nicht jene Sorte Reportage-Buch in weltpolitischer Mission, sondern eine ganz private Passion, die dahinter steht. „Ich habe mein ganzes Leben als Journalistin politische Texte geschrieben”, erklärt Saira Shah, wie das Buch entstanden ist. „Nun wollte ich endlich herausfinden, was dieser Mythos Afghanistan, mit dem ich aufgewachsen bin, für mich bedeutet.”
Vor dem Ruhestand
Es ist die Suche nach einer Heimat. Die Vorstellung von Afghanistan als einem blühenden Paradiesgarten wurde hauptsächlich durch Saira Shahs Vater entworfen. Untermauert wurden dessen Geschichten von afghanischen Legenden und Weisheiten, die Shah während ihrer Reise immer wieder Dinge erklärten, zu denen sie intellektuell keinen Zugang fand. Saira Shah und ihre beiden Geschwister lernten eine sehr tolerante Philosophie des Islam: Eine Stunde Unterricht ist besser als eine ganze Nacht Gebet; Frauen sind die Zwillingsschwestern der Männer – so lauten einige der vielen Sprüche des afghanischen Gelehrten Baghawi von Herat.
„Ich habe eine östliche und eine westliche Seite in mir, die ständig miteinander kämpfen.” Diese innere Auseinandersetzung, die sie als Kind als äußerst belastend empfand und als Journalistin intensiv ergründen wollte, sollte mit diesem Buch endlich abgeschlossen werden. „Es geht darum, wie man sich der Wahrheit nähert.” Saira Shah beugt sich nachdenklich nach vorn, auf der Höhe ihres Kopfes wird der Blick auf das Bücherregal hinter ihr frei, in dem der 24-bändige Grande Larousse und andere antiquarische Ledereinbände stehen. „Sucht man immer nur Fakten? Führen Fakten immer zur Wahrheit? Oder gibt es etwas wie eine übergreifende Metapher, die einen näher zur Wahrheit führt als Fakten?”
Eine Märchenkarte habe sie vor Augen gehabt, als sie zum ersten Mal nach Afghanistan gereist sei, die sie unbedingt bestätigt sehen wollte. Mehr als einmal landete sie dafür mitten in einem Gefecht zwischen Mudschaheddin und Taliban. Dennoch ist Saira Shah der heroische Gestus anderer Kriegsjournalisten fremd.
Als 21-jährige, vollkommen unerfahrene Reporterin ließ sie sich 1986 für drei Jahre im pakistanischen Peshawar nieder, nur 30 Meilen von Afghanistan entfernt. Peshawar, wo auch einige ihrer Verwandten wohnen, erlebte Shah damals als eine „Mischung aus Wildem Westen und Casablanca, eine am Rand zum Chaos taumelnde Stadt”. Zu ihren „Kumpanen” zählten Propagandisten, Spione, Drogenhändler und Kriegsberichterstatter, „die Vietnam überstanden hatten und nun auch Afghanistan mitnehmen wollten vor dem Ruhestand.” Der Kalte Krieg war in seiner eisigsten Phase, Russland und Amerika trugen ihre Feindschaft auch in Afghanistan aus. Die USA mussten sich auf den pakistanischen Geheimdienst verlassen, um Widerstandskämpfer gegen die Russen mit Geld und Waffen zu unterstützen. Das meiste davon landete bei Gulbuddin Hekmatyar, der als Student blutige Aufstände gegen die kommunistischen Kommilitonen anführte, einst Liebling des CIA war und heute einer der meistgesuchten Terroristen ist.
Während amerikanische Journalisten für einen möglichen Irakeinsatz ins militärische Trainingscamp geschickt werden, bereitete sich Saira Shah Mitte der achtziger Jahre mit Vorlesungen über Kriegskunst vor und sprang ein paar Mal mit dem Fallschirm – um die Nerven zu stählen. Dafür spricht sie fließend persisch und arabisch und fällt allein wegen ihres Aussehens nicht als Westlerin auf. Vieles erfährt sie dadurch nicht vor laufender Kamera, sondern bei unerwarteten Begegnungen. „Als Journalistin sammle ich schon immer zuerst Fakten. Aber was mich am meisten lehrte, insbesondere in Afghanistan, sind die Dinge, die ich aus meinen Augenwinkeln sah.” Oft genug hat sie erlebt, wie sich Menschen vor der Kamera anders verhalten, auf Kommando Anti-Amerika- Parolen brüllen oder um des Effektes willen mal ein kleines Gefecht auslösen.
Im dritten Teil der „Tochter des Geschichtenerzählers” berichtet Shah von ihren letzten Reisen nach Afghanistan vor zwei Jahren. Im Februar 2001 drehte sie den Dokumentar-Film „Beneith the Veil”. Nach dem 11. September wurde er oft gezeigt und diente, was Saira Shah bedauert, westlichen Politikern als Rechtfertigung, Afghanistan zu bombardieren. Die Ausschnitte aus einem Video, das die afghanische Frauenorganisation RAWA während einer öffentlichen Hinrichtung heimlich gedreht hatte, die Gesichter von drei Mädchen, die tagelang vergewaltigt worden sind, Männer, die von Folter und Mord berichten – „Beneith the Veil” zeigte Bilder einer Schreckensherrschaft, deren Sturz jede westliche Regierung befürworten musste – die Frage war nur, mit welchen Mitteln.
Keine sehr netten Menschen
Jetzt laufen bereits zwei weitere Filmprojekte, für die Shah kürzlich in Palästina und im Irak gedreht hat. Sie möchte darin dem Thema Anti- Amerikanismus in islamischen Ländern nachgehen. „In Bagdad herrschte eine unglaubliche, fast friedliche Stille”, fasst sie ihre Eindrücke zusammen. „Die Angst der Leute ist immens. Einerseits wissen sie, dass sie vermutlich bald umkommen werden, andererseits getrauen sie sich nichts zu sagen, was nicht der Parteimeinung entspricht.” Saira Shah und ihr Team mussten heimlich und unter dem Vorwand drehen, die Human Shelters zu begleiten, weil sie keine Journalistenvisa bekommen hatten. Für Shah war es eine ganz neue Erfahrung, einen Ort zu verlassen, bevor der Krieg überhaupt angefangen hat. Und sie kam mit Schuldgefühlen nach London zurück: „Die Rezeptionistin unseres Hotels verabschiedete sich mit den Worten: ‚Welcome back – falls wir dann noch am Leben sind.‘” Auf jeden Fall werden Saira Shah und ihr Team nach dem Krieg wieder in den Irak reisen und die Menschen suchen, mit denen sie jetzt gesprochen haben.
Shah versucht sich vor allem vorzustellen, was der Krieg für die Menschen im Irak ändern wird. „Es wird im Irak viel schwieriger sein als in Afghanistan, wo es eigentlich keinen Staat gab, sondern eine Art Vakuum, das man füllen musste.” Das größte Problem sieht sie vor allem darin, eine Übergangsregierung zusammenzustellen, da die Opposition seit Jahren nicht mehr im Irak lebt. „Die einzige Gemeinsamkeit zwischen Afghanistan und Irak ist vermutlich, dass die Taliban und Saddam keine sehr netten Menschen sind. Aber von solchen gibt’s viele auf dieser Welt.”
Saira Shah blickt auf die Uhr. Unten führt ihre Schwester ein Delikatessengeschäft, gleich wird sie ihr Neffe besuchen kommen. Eine Frage bleibt, die auch das Buch offen lässt: Was ist aus dem Mythos Heimat geworden? „Die Antwort ist: Es gibt keine Antwort”, sagt sie. Mit dem Irak-Krieg tritt das Verhältnis von Ost und West in eine neue Phase. Den Druck, sich für eine Seite entscheiden zu müssen, empfindet Saira Shah stärker als je zuvor. „Das ist schlimmer als Heimatlosigkeit.”
REGULA FREULER
Die britisch-afghanische Journalistin Saira Shah
Foto:
Saira Shah
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