Eine tiefschwarze Burleske und haarsträubende Tour de Force des Großmeisters des britischen Humors durch die noble und weniger noble Gesellschaft: Leider ist der aus vornehmer Familie stammende Timothy Bright nicht so aufgeweckt, wie sein Nachname es verspricht. Als er aus Geldnöten den Auftrag übernimmt, ein Paket nach Spanien zu schmuggeln, gerät er in ein wildes Abenteuer.
Am Porterhouse College ist der Teufel los: Der Rektor und Ex-Pförtner sitzt im Rollstuhl und braucht dringend einen Nachfolger, das Collegevermögen ging bei einem Casinobesuch flöten, und durch die heiligen Hallen spukt ein dubioses Filmteam. Und zu allem Überfluß ist Lady Mary Evans, die Witwe eines verblichenen Rektors, nicht von der Idee abzubringen, daß ihr Gatte einem Komplott seiner Kollegen zum Opfer fiel...
Am Porterhouse College ist der Teufel los: Der Rektor und Ex-Pförtner sitzt im Rollstuhl und braucht dringend einen Nachfolger, das Collegevermögen ging bei einem Casinobesuch flöten, und durch die heiligen Hallen spukt ein dubioses Filmteam. Und zu allem Überfluß ist Lady Mary Evans, die Witwe eines verblichenen Rektors, nicht von der Idee abzubringen, daß ihr Gatte einem Komplott seiner Kollegen zum Opfer fiel...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.1996Ganz natürlich reich werden
Und schneller lesen: Tom Sharpes dicker Hund
Genreliteratur ist auf vertrauensbildende und neugierweckende Maßnahmen angewiesen, da sie nicht mehr als Unterhaltung zu bieten hat und nicht weniger bieten darf, denn ihre Absicht ist es nicht, bewußtseinserweiternd oder sinnstiftend zu wirken. Der Autor einer komisch gemeinten oder Spannung verheißenden Geschichte sollte also versuchen, mein Interesse zu fesseln, möglichst vom ersten bis zum letzten Satz. Der erste Eindruck entscheidet letztlich über die Bereitschaft weiterzulesen.
Der erste Satz in Tom Sharpes neuem Roman "Ein dicker Hund" lautet: "Timothy Bright hatte den Ehrgeiz, ein Vermögen zu machen." Das klingt recht vielversprechend, zumindest für Leser, denen dieser Ehrgeiz nicht ganz fern liegt - und wer könnte das schon von sich behaupten? Selbst Romane der Weltliteratur beziehen ihre Spannung nicht zuletzt aus solchen Unternehmen, wie etwa Dostojewskis "Jüngling", der bereits in seinem Prolog bekennt, seine Idee sei es, "ein Rothschild zu werden". Und davon handeln dann ein paar hundert starke Seiten.
Tom Sharpe berichtet von seinem Helden weiter: "Er war in dem Glauben erzogen worden, jeder Bright habe ein Vermögen gemacht, und so nahm er ganz natürlich an, ihm werde es genauso ergehen." Und mit diesem zweiten Satz hat er mein Interesse auch schon wieder verloren und mein Vertrauen dazu. Denn zwischen den beiden Eröffnungssätzen besteht ein offenbarer Widerspruch: Einer, der "ganz natürlich" annimmt, ein Vermögen werde ihm ohnehin zufallen, muß überhaupt keinen Ehrgeiz entwickeln, eines zu machen. Wenn ich hier noch weiterlese, dann allenfalls in der schwachen Hoffnung, jener Widerspruch werde vom Autor bewußt konstruiert, um aus meiner Irritation neue Spannungsmomente zu gewinnen.
Die Hoffnung zerrinnt im folgenden rasch und wird knappe vier Seiten später endgültig enttäuscht, wenn der Vater dem jugendlichen Helden erklärt, er werde an seinem einundzwanzigsten Geburtstag Geld genug bekommen, und es heißt: "Von diesem Augenblick an war Timothy sicher gewesen, daß er ein Vermögen machen werde . . ." Damit hat Sharpe seinen ersten Satz nun unwiderruflich desavouiert, ohne auch nur die Spur zu einem Zweifel daran gelegt zu haben, daß ihm dies ganz unsystematisch und aus purer Gedankenlosigkeit unterlaufen sei.
Hier klappe ich also das Buch zu, um auf der Rückseite die Ankündigung des Verlags lesen zu müssen: "Ein dicker Hund" sei das neue Meisterwerk aus der Feder des genialen Erzählers und der beste, kurzweiligste und aberwitzigste Roman, den Tom Sharpe je geschrieben hat! Dabei fällt mir ein, wie Robert Gernhardt bereits vor gut fünfzehn Jahren über Sharpes ersten Erfolg, "Puppenmord", geurteilt hat: "ein widerliches Buch". Gernhardt hat das damals so überzeugend begründet, daß ich seitdem keine Zeile dieses Autors gelesen habe. Ich habe nach diesem kurzen Versuch auch nicht vor, es jemals wieder zu tun.
Für die Statistiker unter meinen Lesern sei noch vermerkt, daß mir der Verdacht, der erste Satzfehler gehe aufs Konto der deutschen Übersetzung, natürlich auch gekommen ist - bei einem Verlag, der den Originaltitel "The Midden" (zu deutsch etwa "der Müll" oder "der Mülleimer") in "Ein dicker Hund" verändert, liegt er nicht fern. Doch der Verdacht ist unberechtigt, der erste Satz lautet im Original: "It was Timothy Bright's ambition to make a fortune." Weiterlesen müssen Sie nicht. BERND EILERT
Tom Sharpe: "Ein dicker Hund". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Hans M. Herzog. Goldmann Verlag, München 1996. 317 S., geb., 42,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Und schneller lesen: Tom Sharpes dicker Hund
Genreliteratur ist auf vertrauensbildende und neugierweckende Maßnahmen angewiesen, da sie nicht mehr als Unterhaltung zu bieten hat und nicht weniger bieten darf, denn ihre Absicht ist es nicht, bewußtseinserweiternd oder sinnstiftend zu wirken. Der Autor einer komisch gemeinten oder Spannung verheißenden Geschichte sollte also versuchen, mein Interesse zu fesseln, möglichst vom ersten bis zum letzten Satz. Der erste Eindruck entscheidet letztlich über die Bereitschaft weiterzulesen.
Der erste Satz in Tom Sharpes neuem Roman "Ein dicker Hund" lautet: "Timothy Bright hatte den Ehrgeiz, ein Vermögen zu machen." Das klingt recht vielversprechend, zumindest für Leser, denen dieser Ehrgeiz nicht ganz fern liegt - und wer könnte das schon von sich behaupten? Selbst Romane der Weltliteratur beziehen ihre Spannung nicht zuletzt aus solchen Unternehmen, wie etwa Dostojewskis "Jüngling", der bereits in seinem Prolog bekennt, seine Idee sei es, "ein Rothschild zu werden". Und davon handeln dann ein paar hundert starke Seiten.
Tom Sharpe berichtet von seinem Helden weiter: "Er war in dem Glauben erzogen worden, jeder Bright habe ein Vermögen gemacht, und so nahm er ganz natürlich an, ihm werde es genauso ergehen." Und mit diesem zweiten Satz hat er mein Interesse auch schon wieder verloren und mein Vertrauen dazu. Denn zwischen den beiden Eröffnungssätzen besteht ein offenbarer Widerspruch: Einer, der "ganz natürlich" annimmt, ein Vermögen werde ihm ohnehin zufallen, muß überhaupt keinen Ehrgeiz entwickeln, eines zu machen. Wenn ich hier noch weiterlese, dann allenfalls in der schwachen Hoffnung, jener Widerspruch werde vom Autor bewußt konstruiert, um aus meiner Irritation neue Spannungsmomente zu gewinnen.
Die Hoffnung zerrinnt im folgenden rasch und wird knappe vier Seiten später endgültig enttäuscht, wenn der Vater dem jugendlichen Helden erklärt, er werde an seinem einundzwanzigsten Geburtstag Geld genug bekommen, und es heißt: "Von diesem Augenblick an war Timothy sicher gewesen, daß er ein Vermögen machen werde . . ." Damit hat Sharpe seinen ersten Satz nun unwiderruflich desavouiert, ohne auch nur die Spur zu einem Zweifel daran gelegt zu haben, daß ihm dies ganz unsystematisch und aus purer Gedankenlosigkeit unterlaufen sei.
Hier klappe ich also das Buch zu, um auf der Rückseite die Ankündigung des Verlags lesen zu müssen: "Ein dicker Hund" sei das neue Meisterwerk aus der Feder des genialen Erzählers und der beste, kurzweiligste und aberwitzigste Roman, den Tom Sharpe je geschrieben hat! Dabei fällt mir ein, wie Robert Gernhardt bereits vor gut fünfzehn Jahren über Sharpes ersten Erfolg, "Puppenmord", geurteilt hat: "ein widerliches Buch". Gernhardt hat das damals so überzeugend begründet, daß ich seitdem keine Zeile dieses Autors gelesen habe. Ich habe nach diesem kurzen Versuch auch nicht vor, es jemals wieder zu tun.
Für die Statistiker unter meinen Lesern sei noch vermerkt, daß mir der Verdacht, der erste Satzfehler gehe aufs Konto der deutschen Übersetzung, natürlich auch gekommen ist - bei einem Verlag, der den Originaltitel "The Midden" (zu deutsch etwa "der Müll" oder "der Mülleimer") in "Ein dicker Hund" verändert, liegt er nicht fern. Doch der Verdacht ist unberechtigt, der erste Satz lautet im Original: "It was Timothy Bright's ambition to make a fortune." Weiterlesen müssen Sie nicht. BERND EILERT
Tom Sharpe: "Ein dicker Hund". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Hans M. Herzog. Goldmann Verlag, München 1996. 317 S., geb., 42,80 DM.
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