Shenzhen: Die Metropole der Zukunft zwischen Kreativität und Überwachung - Jetzt im Taschenbuch
Wer wissen möchte, wie wir und vor allem unsere Kinder bald schon leben, welche Technologien sie und die Welt prägen werden, muss durch Shenzhen streifen. Die 20-Millionen-Metropole in Südchina gehört zu den innovativsten Städten der Welt. Eine Megacity, die quasi aus dem Nichts entstand, wo Nachhaltigkeit und moderne Lebensqualität selbstverständlich sind, aber eben auch Gesichtserkennung und der gläserne Mensch. Die Cloud in Shenzhen weiß alles. Die Shenzhener Techies stellen inzwischen das Silicon Valley in den Schatten, ihre Start-ups zählen zu den wertvollsten der Welt. Shenzhen zieht immer mehr junge Talente aus aller Welt an, die nachts in eine ausgelassene Subkultur eintauchen können. Eine Stadt mit Modellcharakter und doch voller Ambivalenzen. Frank Sieren zeigt, wie man dort lebt, wohnt und arbeitet und was wir von dort zu erwarten haben.
Ausstattung: mit Abb.
Wer wissen möchte, wie wir und vor allem unsere Kinder bald schon leben, welche Technologien sie und die Welt prägen werden, muss durch Shenzhen streifen. Die 20-Millionen-Metropole in Südchina gehört zu den innovativsten Städten der Welt. Eine Megacity, die quasi aus dem Nichts entstand, wo Nachhaltigkeit und moderne Lebensqualität selbstverständlich sind, aber eben auch Gesichtserkennung und der gläserne Mensch. Die Cloud in Shenzhen weiß alles. Die Shenzhener Techies stellen inzwischen das Silicon Valley in den Schatten, ihre Start-ups zählen zu den wertvollsten der Welt. Shenzhen zieht immer mehr junge Talente aus aller Welt an, die nachts in eine ausgelassene Subkultur eintauchen können. Eine Stadt mit Modellcharakter und doch voller Ambivalenzen. Frank Sieren zeigt, wie man dort lebt, wohnt und arbeitet und was wir von dort zu erwarten haben.
Ausstattung: mit Abb.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Ulla Fölsing registriert den Enthusiasmus in Frank Sierens Porträt von Chinas Tech-Metropole Shenzhen. Deutlich schlägt sich der Autor laut Fölsing auf die Seite der Technik-Begeisterten, denen Kontrolle und Überwachung weniger Kopfzerbrechen bereitet. Der Chinakenner Sieren schwärmt nicht nur für die vielen Patente, die in Shenzhen angemeldet werden, für den Wagemut und die Lebensqualität in der Stadt, sondern auch für deren Ökobilanz, so Fölsing. Sierens Verständnis für die Behörden sieht die Rezensentin mit Skepsis. Register und Literaturliste hätten dem Buch gut gestanden, findet sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2021Die Stadt am Perlfluss-Delta
Wie die Tech-Metropole Shenzhen die Welt verändert
Auch Angela Merkel war schon 2018 auf ihrer elften Chinareise für ein paar Stunden in Shenzhen. Immer mehr Beobachter aus dem Westen wollen die Megacity nahe Hongkong mit eigenen Augen sehen. Denn die 20-Millionen-Metropole am Perlfluss-Delta bietet einen Blick darauf, welche Technologien künftig den Alltag prägen werden. Die 1979 als Sonderwirtschaftszone gestartete Modellstadt, heute die jüngste, reichste und vergleichsweise offenste Stadt Chinas, gilt mit lokalen Tech-Giganten wie Huawei, Ping An und Tencent als zukunftsträchtigster Trendsetter für Elektromobilität, Gentechnik und Künstliche Intelligenz. Längst haben deshalb auch ausländische Konzerne wie Airbus und Apple eigene Forschungslabors dort angesiedelt. Als einer der innovativsten Orte der Welt zieht Shenzhen nicht nur Talente von überallher an, sondern auch reihenweise internationale Autoren. Im Abstand von einem Jahr haben jetzt zwei deutsche Chinakenner die Entwicklung in der Hightech-Stadt thematisiert. Mit ähnlichen Schwerpunkten beschreiben sie, wie man im Spannungsfeld von Kreativität und Kontrolle lebt, wohnt und arbeitet und was davon richtungweisend sein kann und darf.
Frank Sieren hat seinem im Mai 2021 erschienenen Shenzhen-Buch den Untertitel "Zukunft made in China" gegeben. Seit Langem schreibt der in Peking ansässige Journalist begeistert über Chinas Wirtschaftserfolg und dessen hohes Innovationstempo. Shenzhen allerdings stelle alles Bisherige in den Schatten, meint er. Über 260 000 Patente seien 2019 dort angemeldet worden. Das sei selbst für China ein Rekord. Ob E-Autos, Drohnen, 5G, Roboter oder Gaming, Shenzhen führe heute in fast allen neuen Technologien. Sieren schwärmt: "Die Metropole ist eine Art Memphis/Tennessee der Techie-Szene. Sie ist für die globale Technologie, was der Rock 'n' Roll für die Musik in den Fünfzigern und Sechzigern gewesen ist. Sie hat sich befreit von den Zwängen des Silicon Valley und von denen der europäischen Traditionalisten sowieso."
In Shenzhen gelte keine Idee als zu abseitig, kein Versuch als zu waghalsig. Parallel zum Technologiefortschritt registriert Sieren in Shenzhen hohe Lebensqualität für breite Kreise der Bevölkerung und erstaunliche Freiheiten in der kulturellen Subkultur. Er sieht immer mehr Bewohner, die selbständig entscheiden, nachhaltig leben und die Grenzen Pekinger Verordnungen ausloten. "Zum ersten Mal in den 27 Jahren, die ich nun schon in China lebe, beschleicht mich das Gefühl, ich müsste dringend umziehen," sagt er. Den Motor für Shenzhens Aufschwung vermutet der Verfasser im lokalen Verbund von Forschung und Innovation, von Fabrikdichte und Produktion und dem extrem jungen Durchschnittsalter von 29 Jahren in der Stadt, ergänzt von der Nähe zum Finanzplatz Hongkong.
Als großes Plus feiert Sieren gleich in Kapitel 2 Shenzhens Revolution im öffentlichen Nahverkehr mit 16 000 E-Bussen, 22 000 E-Taxis und unzähligen E-Rollern. Man fahre dort schon zu 100 Prozent mit Ökostrom, und mittlerweile seien auch immer mehr autonome Fahrzeuge unterwegs. Kapitel 3 berichtet über die allgegenwärtige soziale Kontrolltechnologie. Kritikern galt Sierens Einschätzung der digitalen Netze, mit denen das chinesische Regime das Land überzieht, oft als zu blauäugig. Auch für die erschreckende Fülle digitaler Überwachung in Shenzhen, wo der gläserne Mensch am weitesten gediehen ist, sieht er durchaus pragmatische Vorteile. In Corona-Zeiten etwa in der Praxis von Polizisten, die mit hoch technisierten Helmen auf ihren Köpfen sekundenschnell aus zwei Meter Entfernung bei Passanten Fieber messen und über Gesichtserkennung Personaldaten aktivieren. Technische Errungenschaften dieser Art seien für Asiaten ein praktisches Tool, um das Virus zu besiegen, schreibt er und äußert für Behörden Verständnis, auch wenn der Staat Innovationen fördere, "die viele im Westen an George Orwells 1984 erinnern und auf uns verstörend wirken". Er mahnt, beim Umgang mit Überwachung und Datenschutz die unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen zu berücksichtigen: "Die Vorstellung, dass ein allmächtiger Staat auf von der Propaganda verblendete, rückständige unmündige Menschen trifft, wird in China zu Recht Stirnrunzeln erzeugen."
Wie Sieren ermuntert Wolfgang Hirn in seinem 2020 erschienenen Buch "Shenzhen. Die Weltwirtschaft von morgen" dazu, den chinesischen Erfolgen in Shenzhen mit Neugier und Offenheit zu begegnen: Shenzhen sei eine Modellstadt, von der wir lernen könnten. "Nicht alles, aber vieles." Sein Text ist ein Drittel kürzer und weniger emphatisch als der von Sieren, hat aber im Gegensatz zu diesem eine Literaturliste sowie ein Personen- und Unternehmensregister. Einige der zehn Kapitel behandeln ganz ähnlich Shenzhens ökonomische, digitale und soziale Facetten. In anderen Kapiteln schildert der studierte Volkswirt die Shenzhener Start-up-Szene sowie die Strategien der örtlichen Konzerngiganten Tencent und Ping An. Das Buch endet mit dem Blick auf Shenzhens Nachbarstadt Hongkong und auf das Mammutprojekt Greater Bay Area als prospektivem größten Wirtschaftsraum weltweit. Dass die Weltwirtschaft von morgen schon heute in Shenzhen ein neues Epizentrum hat, zeigten unlängst globale Lieferengpässe beim Megastau von Schiffen wegen strikter Corona-Maßnahmen in Shenzhens Containerhafen Yantian.
ULLA FÖLSING.
Frank Sieren: Shenzhen. Zukunft made in China, Penguin Verlag, München 2021, 414 Seiten, 22 Euro.
Wolfgang Hirn: Shenzhen. Die Weltwirtschaft von morgen, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2020, 286 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie die Tech-Metropole Shenzhen die Welt verändert
Auch Angela Merkel war schon 2018 auf ihrer elften Chinareise für ein paar Stunden in Shenzhen. Immer mehr Beobachter aus dem Westen wollen die Megacity nahe Hongkong mit eigenen Augen sehen. Denn die 20-Millionen-Metropole am Perlfluss-Delta bietet einen Blick darauf, welche Technologien künftig den Alltag prägen werden. Die 1979 als Sonderwirtschaftszone gestartete Modellstadt, heute die jüngste, reichste und vergleichsweise offenste Stadt Chinas, gilt mit lokalen Tech-Giganten wie Huawei, Ping An und Tencent als zukunftsträchtigster Trendsetter für Elektromobilität, Gentechnik und Künstliche Intelligenz. Längst haben deshalb auch ausländische Konzerne wie Airbus und Apple eigene Forschungslabors dort angesiedelt. Als einer der innovativsten Orte der Welt zieht Shenzhen nicht nur Talente von überallher an, sondern auch reihenweise internationale Autoren. Im Abstand von einem Jahr haben jetzt zwei deutsche Chinakenner die Entwicklung in der Hightech-Stadt thematisiert. Mit ähnlichen Schwerpunkten beschreiben sie, wie man im Spannungsfeld von Kreativität und Kontrolle lebt, wohnt und arbeitet und was davon richtungweisend sein kann und darf.
Frank Sieren hat seinem im Mai 2021 erschienenen Shenzhen-Buch den Untertitel "Zukunft made in China" gegeben. Seit Langem schreibt der in Peking ansässige Journalist begeistert über Chinas Wirtschaftserfolg und dessen hohes Innovationstempo. Shenzhen allerdings stelle alles Bisherige in den Schatten, meint er. Über 260 000 Patente seien 2019 dort angemeldet worden. Das sei selbst für China ein Rekord. Ob E-Autos, Drohnen, 5G, Roboter oder Gaming, Shenzhen führe heute in fast allen neuen Technologien. Sieren schwärmt: "Die Metropole ist eine Art Memphis/Tennessee der Techie-Szene. Sie ist für die globale Technologie, was der Rock 'n' Roll für die Musik in den Fünfzigern und Sechzigern gewesen ist. Sie hat sich befreit von den Zwängen des Silicon Valley und von denen der europäischen Traditionalisten sowieso."
In Shenzhen gelte keine Idee als zu abseitig, kein Versuch als zu waghalsig. Parallel zum Technologiefortschritt registriert Sieren in Shenzhen hohe Lebensqualität für breite Kreise der Bevölkerung und erstaunliche Freiheiten in der kulturellen Subkultur. Er sieht immer mehr Bewohner, die selbständig entscheiden, nachhaltig leben und die Grenzen Pekinger Verordnungen ausloten. "Zum ersten Mal in den 27 Jahren, die ich nun schon in China lebe, beschleicht mich das Gefühl, ich müsste dringend umziehen," sagt er. Den Motor für Shenzhens Aufschwung vermutet der Verfasser im lokalen Verbund von Forschung und Innovation, von Fabrikdichte und Produktion und dem extrem jungen Durchschnittsalter von 29 Jahren in der Stadt, ergänzt von der Nähe zum Finanzplatz Hongkong.
Als großes Plus feiert Sieren gleich in Kapitel 2 Shenzhens Revolution im öffentlichen Nahverkehr mit 16 000 E-Bussen, 22 000 E-Taxis und unzähligen E-Rollern. Man fahre dort schon zu 100 Prozent mit Ökostrom, und mittlerweile seien auch immer mehr autonome Fahrzeuge unterwegs. Kapitel 3 berichtet über die allgegenwärtige soziale Kontrolltechnologie. Kritikern galt Sierens Einschätzung der digitalen Netze, mit denen das chinesische Regime das Land überzieht, oft als zu blauäugig. Auch für die erschreckende Fülle digitaler Überwachung in Shenzhen, wo der gläserne Mensch am weitesten gediehen ist, sieht er durchaus pragmatische Vorteile. In Corona-Zeiten etwa in der Praxis von Polizisten, die mit hoch technisierten Helmen auf ihren Köpfen sekundenschnell aus zwei Meter Entfernung bei Passanten Fieber messen und über Gesichtserkennung Personaldaten aktivieren. Technische Errungenschaften dieser Art seien für Asiaten ein praktisches Tool, um das Virus zu besiegen, schreibt er und äußert für Behörden Verständnis, auch wenn der Staat Innovationen fördere, "die viele im Westen an George Orwells 1984 erinnern und auf uns verstörend wirken". Er mahnt, beim Umgang mit Überwachung und Datenschutz die unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen zu berücksichtigen: "Die Vorstellung, dass ein allmächtiger Staat auf von der Propaganda verblendete, rückständige unmündige Menschen trifft, wird in China zu Recht Stirnrunzeln erzeugen."
Wie Sieren ermuntert Wolfgang Hirn in seinem 2020 erschienenen Buch "Shenzhen. Die Weltwirtschaft von morgen" dazu, den chinesischen Erfolgen in Shenzhen mit Neugier und Offenheit zu begegnen: Shenzhen sei eine Modellstadt, von der wir lernen könnten. "Nicht alles, aber vieles." Sein Text ist ein Drittel kürzer und weniger emphatisch als der von Sieren, hat aber im Gegensatz zu diesem eine Literaturliste sowie ein Personen- und Unternehmensregister. Einige der zehn Kapitel behandeln ganz ähnlich Shenzhens ökonomische, digitale und soziale Facetten. In anderen Kapiteln schildert der studierte Volkswirt die Shenzhener Start-up-Szene sowie die Strategien der örtlichen Konzerngiganten Tencent und Ping An. Das Buch endet mit dem Blick auf Shenzhens Nachbarstadt Hongkong und auf das Mammutprojekt Greater Bay Area als prospektivem größten Wirtschaftsraum weltweit. Dass die Weltwirtschaft von morgen schon heute in Shenzhen ein neues Epizentrum hat, zeigten unlängst globale Lieferengpässe beim Megastau von Schiffen wegen strikter Corona-Maßnahmen in Shenzhens Containerhafen Yantian.
ULLA FÖLSING.
Frank Sieren: Shenzhen. Zukunft made in China, Penguin Verlag, München 2021, 414 Seiten, 22 Euro.
Wolfgang Hirn: Shenzhen. Die Weltwirtschaft von morgen, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2020, 286 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Sehr lesenswert.« Deutschlandfunk Kultur Lesart, Wolfgang Hirn