Encuadernación: Rústica Colección: Sillón orejero Shenzhen, ciudad elegida por Deng Xiao Ping como campo de pruebas de la llamada \"economía socialista de mercado\", ha pasado de los 30.000 habitantes que tenía en 1980 a 10 millones en la actualidad, convirtiéndose en una de las ciudades más dinámicas de China y una de las megalópolis del mundo. Durante un mes, Guy Delisle, autor de Pyongyang, ejerció en Shenzhen como director de un equipo de dibujantes en la realización de un proyecto de animación. Durante ese tiempo su vida cotidiana se pobló de malentendidos, torpes tentativas de comunicación, reflexiones, soledad, descubrimientos culinarios más o menos agradables y veladas surrealistas. Un choque cultural que el autor afronta con humor y maestría..
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2011Ausrutschen auf
der Bananenschale
„Shenzhen“ von
Guy Delisle
Von morgens bis abends liegt über Delisles Stadt Shenzhen die Düsternis eines Nachkriegsruhrgebiets. Nur, dass in dieser, durch staatlich geförderte Marktwirtschaft stündlich wachsenden, südchinesischen Metropole die rußige Stimmung nicht auf Trümmern der Vergangenheit lastet. Sie haust zwischen riesigen Wohnblocks und Baustellen des Zukünftigen.
Der Ich-Erzähler, nennen wir ihn ruhig Guy Delisle, ist eingetroffen, um in einem (preisgünstigen) Zeichentrickfilmstudio für drei Monate die Produktion einer Serie zu beaufsichtigen. In Gestalt eines Reise-Comics führt er Tagebuch über die deprimierende Eintönigkeit von Hotelzimmern, industriell gefertigten Tagesabläufen und der Stupidität seiner Freizeitvergnügen. Sie bestehen aus Variationen lustiger bis quälender Essensabenteuer und trüben Besuchen in Fitness-Studios. Obwohl es zu zynischen Konfrontationen etwa von landesüblicher Hinrichtungspraxis mit aparten China-Delikatessen kommt, bleibt für den westlichen Gast das Einlullen durch Gleichförmigkeit beherrschend. Plötzlich jedoch taucht mitten in der spätestens ab jetzt nur noch scheinbar speziell fernöstlichen Tristesse des Maschinellen ein Vierzeiler des sehr europäischen Baudelaire auf: „O BITTER WISSEN, EINGEHEIMST AUF REISEN/DIE WELT, SO KLEIN UND EWIG EINERLEI, VERMAG UNS NICHTS DENN UNSER BILD ZU WEISEN/OASE GRAUNS IN GRAMES WÜSTENEI!“
Eine Schlüsselstelle, tiefsinnig, aber ohne großes Trara, in diesem zeitgenössischen, allerdings bewundernswert unpathetischen „Metropolis“, auf die gegen Schluss indirekt geantwortet wird, wenn der Erzähler hofft, die Langeweile durch künstlerische Bearbeitung unterhaltsam sublimieren zu können.
Wodurch gelingt ihm das derart bravourös?
Delisle erlebt Shenzhen mit konsequent unverständigem Blick, von rätselhaftem Bild zu rätselhaftem Bild vorrückend, so, wie es dieses besondere Medium einzigartig ermöglicht. Sein Auge kommentiert nicht. Da er die chinesische Sprache nicht versteht, die meisten Chinesen aber das Englische wie einen wirren Konfettiregen aus Vokabelbruchstücken handhaben, entwickeln sich Missverständnisse von beträchtlicher Komik. Sie schaffen blinde Motive und eine schwebende unaufgelöste Fremdheit, die oft, ohne das Reale um einen Millimeter zu verlassen, das Märchenhafte streift.
Fragen zu Abstoßendem und Rührendem, zu Vorurteilen und ihrer Revision wären in dieser banalen, für den Uneingeweihten aber mysteriösen Millionenstadt ohne Sinn. Durch ihr Ausbleiben bildet sich, das ist der atmosphärische Gewinn, zwischen den Sätzen und Szenen eine enorme Räumlichkeit, die den schlichtesten Vorgängen unerklärliches Gewicht verleiht. Dass der Erzähler einmal völlig fassungslos vor einem Ereignis steht, das er bisher nur aus Comics kannte: dem Ausrutschen eines Menschen auf einer Bananenschale, und das ausgerechnet in der exotischen Wirklichkeit Asiens, ist dagegen von offensichtlicher Bedeutung. Sie muss nicht erläutert werden.
Einmal korrigiert Delisle das falsch gezeichnete Aufstehen einer Figur von einem Stuhl: Die von ihm zum Beweis geforderte Imitation in der Realität misslingt. Hier verrät der Zeichner des schnellen, spontanen Strichs und ruppigster Schraffuren dezidiert sein künstlerisches Ethos. Es ist streng.
BRIGITTE KRONAUER
Guy Delisle
Foto: Rita Scaglia/DARGAUD
Graphic Novels Band 4
Süddeutsche Zeitung Bibliothek
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der Bananenschale
„Shenzhen“ von
Guy Delisle
Von morgens bis abends liegt über Delisles Stadt Shenzhen die Düsternis eines Nachkriegsruhrgebiets. Nur, dass in dieser, durch staatlich geförderte Marktwirtschaft stündlich wachsenden, südchinesischen Metropole die rußige Stimmung nicht auf Trümmern der Vergangenheit lastet. Sie haust zwischen riesigen Wohnblocks und Baustellen des Zukünftigen.
Der Ich-Erzähler, nennen wir ihn ruhig Guy Delisle, ist eingetroffen, um in einem (preisgünstigen) Zeichentrickfilmstudio für drei Monate die Produktion einer Serie zu beaufsichtigen. In Gestalt eines Reise-Comics führt er Tagebuch über die deprimierende Eintönigkeit von Hotelzimmern, industriell gefertigten Tagesabläufen und der Stupidität seiner Freizeitvergnügen. Sie bestehen aus Variationen lustiger bis quälender Essensabenteuer und trüben Besuchen in Fitness-Studios. Obwohl es zu zynischen Konfrontationen etwa von landesüblicher Hinrichtungspraxis mit aparten China-Delikatessen kommt, bleibt für den westlichen Gast das Einlullen durch Gleichförmigkeit beherrschend. Plötzlich jedoch taucht mitten in der spätestens ab jetzt nur noch scheinbar speziell fernöstlichen Tristesse des Maschinellen ein Vierzeiler des sehr europäischen Baudelaire auf: „O BITTER WISSEN, EINGEHEIMST AUF REISEN/DIE WELT, SO KLEIN UND EWIG EINERLEI, VERMAG UNS NICHTS DENN UNSER BILD ZU WEISEN/OASE GRAUNS IN GRAMES WÜSTENEI!“
Eine Schlüsselstelle, tiefsinnig, aber ohne großes Trara, in diesem zeitgenössischen, allerdings bewundernswert unpathetischen „Metropolis“, auf die gegen Schluss indirekt geantwortet wird, wenn der Erzähler hofft, die Langeweile durch künstlerische Bearbeitung unterhaltsam sublimieren zu können.
Wodurch gelingt ihm das derart bravourös?
Delisle erlebt Shenzhen mit konsequent unverständigem Blick, von rätselhaftem Bild zu rätselhaftem Bild vorrückend, so, wie es dieses besondere Medium einzigartig ermöglicht. Sein Auge kommentiert nicht. Da er die chinesische Sprache nicht versteht, die meisten Chinesen aber das Englische wie einen wirren Konfettiregen aus Vokabelbruchstücken handhaben, entwickeln sich Missverständnisse von beträchtlicher Komik. Sie schaffen blinde Motive und eine schwebende unaufgelöste Fremdheit, die oft, ohne das Reale um einen Millimeter zu verlassen, das Märchenhafte streift.
Fragen zu Abstoßendem und Rührendem, zu Vorurteilen und ihrer Revision wären in dieser banalen, für den Uneingeweihten aber mysteriösen Millionenstadt ohne Sinn. Durch ihr Ausbleiben bildet sich, das ist der atmosphärische Gewinn, zwischen den Sätzen und Szenen eine enorme Räumlichkeit, die den schlichtesten Vorgängen unerklärliches Gewicht verleiht. Dass der Erzähler einmal völlig fassungslos vor einem Ereignis steht, das er bisher nur aus Comics kannte: dem Ausrutschen eines Menschen auf einer Bananenschale, und das ausgerechnet in der exotischen Wirklichkeit Asiens, ist dagegen von offensichtlicher Bedeutung. Sie muss nicht erläutert werden.
Einmal korrigiert Delisle das falsch gezeichnete Aufstehen einer Figur von einem Stuhl: Die von ihm zum Beweis geforderte Imitation in der Realität misslingt. Hier verrät der Zeichner des schnellen, spontanen Strichs und ruppigster Schraffuren dezidiert sein künstlerisches Ethos. Es ist streng.
BRIGITTE KRONAUER
Guy Delisle
Foto: Rita Scaglia/DARGAUD
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