In seinem neuen Essay ist Martin Walser ganz Leser und Entdecker, und als solcher bereist er eine sonst kaum beachtete literarische Landschaft - die jiddische Literatur. Einem ihrer großen Autoren und Mitbegründer der modernen jiddischen Literatur, Sholem Yankev Abramovitsh (1835-1917), will er schreibend ein Denkmal setzen: ihm und seinem Werk, das er «ein Lesewunder» nennt und in dem ihm ein Erzählen «unter einem Himmel voller Bedeutungen» begegnet. Martin Walser ist begeistert von der Vielfalt der Sprachwelten, die sich ihm darin eröffnet. Die enthusiastische Leseerfahrung, die in seinem Essay ihr Echo findet, lässt auch einen Autor in neuem Licht erscheinen, zu dem er seit seinen Anfängen immer wieder zurückgekehrt ist: Franz Kafka.
So ist Martin Walsers Essay nicht nur die Erkundung einer vernichteten Lebenswelt, sondern auch eine emphatische Einladung an das Publikum, sich in diesen wieder entdeckten Landstrich der Literatur zu begeben: «Ich hoffe, es gehe jedem Leser so: Man möchte diese Sprache sprechen.»
So ist Martin Walsers Essay nicht nur die Erkundung einer vernichteten Lebenswelt, sondern auch eine emphatische Einladung an das Publikum, sich in diesen wieder entdeckten Landstrich der Literatur zu begeben: «Ich hoffe, es gehe jedem Leser so: Man möchte diese Sprache sprechen.»
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
In einem sehr überlegten Text widmet sich Lothar Müller ausführlich Martin Walsers Essay "Shmekendike Blumen" über den jiddischen Autor Sholem Yankev Abramovitsh, der so seltsamen Koda zu seinen Einlassungen der vergangenen Jahre. Müller sieht diese emphatische Schrift über die jiddische Literatur jedoch weniger in Verbindung mit der Paulskirchenrede oder dem Roman "Tod eines Kritikers", auch wenn er auf Sätze stößt: "Das Ausmaß unserer Schuld ist schwer vorstellbar. Von Sühne zu sprechen ist grotesk." Müller spannt den Bogen vielmehr zu einem Besuch des jungen, Kafka über alles verehrenden Walser bei Dora Diamant in London, wo er sich schrecklich über ihren religiösen Ton echauffierte. Wenn er nun sein Ohr für ostjüdische Welt öffnet, erkennt Müller hier auch die Einsicht über die damals "lächerlich verpatzte" Gelegenheit. Aber noch etwas anderes wundert Müller: Walser Essay ist im Dialog mit Susanne Klingensteins Abramovitsh-Biografie entstanden, und hätte seiner Meinung nach auch besser in dieses Buch gehört. Doch während der Historikerin nicht im Traum einfallen würde, die jiddische Literatur für einen spontanen Ausdruck ostjüdischen Lebens zu halten, schwärme Walser geradezu enthusiastisch von der Stimme der jüdischen Welterfahrung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Martin Walser hat den Toten und ihrer vernichteten Kultur in Osteuropa seine Reverenz erwiesen. Jüdische Allgemeine