Als Ulla-Lena Lundberg zum zweitenmal nach Sibirien fährt, um auf den Spuren ihrer ersten Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn das Land neu zu erleben, muß sie einen plausiblen Vorwand finden, um überhaupt ein Visum zu bekommen. Sie gibt ornithologische Studien an - keine erfundene Ausrede, denn die Vogelbeobachtung sollte ihr Hauptinteresse werden. Sie ist fasziniert vom Verhalten der Zugvögel. Und sie fühlt sich ihnen in gewissem Sinne verwandt.
Bis hinauf zur äußersten Küste am nördlichen Eismeer und zur Beringstraße führt sie ihre "Jagdleidenschaft", seltene Vögel wie den Sibirischen Schneekranich oder die Arktische Rosenmöwe zu beobachten, und ebenso durch Jakutien hinab in den südlichsten Winkel des Ussuri-Landes in Fernost. In einigen entlegenen Gebieten gehört sie zu den ersten westlichen Besuchern seit der Oktoberrevolution. Sie findet bei ihren Beobachtungen der verschiedensten Vogelarten und ihrem Habitat zahlreich Anlaß zu Vergleichen mit menschlichen Charakterzügen und Verhaltensweisen, zu Reflexionen über die conditio humana und unseren Umgang mit der Natur.
Und es ist zudem eine Reise durch eine untergehende Gesellschaft, spannend, lyrisch, stimmungsvoll und klug geschrieben.
Bis hinauf zur äußersten Küste am nördlichen Eismeer und zur Beringstraße führt sie ihre "Jagdleidenschaft", seltene Vögel wie den Sibirischen Schneekranich oder die Arktische Rosenmöwe zu beobachten, und ebenso durch Jakutien hinab in den südlichsten Winkel des Ussuri-Landes in Fernost. In einigen entlegenen Gebieten gehört sie zu den ersten westlichen Besuchern seit der Oktoberrevolution. Sie findet bei ihren Beobachtungen der verschiedensten Vogelarten und ihrem Habitat zahlreich Anlaß zu Vergleichen mit menschlichen Charakterzügen und Verhaltensweisen, zu Reflexionen über die conditio humana und unseren Umgang mit der Natur.
Und es ist zudem eine Reise durch eine untergehende Gesellschaft, spannend, lyrisch, stimmungsvoll und klug geschrieben.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Der mit "süt" zeichnende Rezensent hat doch einige Probleme, sich für diesen "ornithophilen" Reisebericht von Ulla-Lena Lundberg zu begeistern, was allerdings weniger auf mangelndes Geschick der Vogelliebhaberin als Erzählerin zurückzuführen ist, wie der Rezensent erklärt, sondern vielmehr auf den Gegenstand ihres Erzählens. Die Autorin verstehe sich durchaus auf die Beschreibung von Vögeln und deren Verhalten, und zudem unternehme sie einige "historisch-ethnologische Exkurse" in das Sibirien zwischen 1989 und 1993 mit all seinen Problemen, die einiges Wissenswerte vermitteln. Die Leidenschaft für die Vogelbeobachtung und die damit verbundenen Strapazen jedoch kann der Rezensent wahrlich nicht nachvollziehen, und das "stellenweise schwerfällige und holprige Deutsch" der Übersetzung macht ihm dies auch nicht gerade leichter.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2004Die Poesie in der sibirischen Weite
Im Jahr 1968 reiste die Finnlandschwedin Ulla-Lena Lundberg zum ersten Male durch Sibirien: mit der Transsibirischen Eisenbahn Richtung Japan. Anfang der neunziger Jahre kehrt sie als Ethnologin und Ornithologin zurück. Diverse Expeditionen führen sie unter anderem an den Baikalsee, in die Mongolei, nach Jakutien, an die Bering-Straße, auf die Insel Sachalin. Es ist ein nahezu unbekannter Kontinent: Annähernd neunzig Jahre lang war das riesige Land für westliche Wissenschaftler tabu. Lundberg reist nicht mit den Scheuklappen einer Wissenschaftlerin, die nur darauf aus ist, die faszinierende, vielfältige Vogelwelt zu erforschen. Ihr Blick geht zurück in die leidvolle Geschichte Sibiriens als Straflager der Zaren und GULag des Stalinismus. Die Kommunisten suchten die vielen Stämme und Völker Sibiriens auf das "Niveau" des Sowjetmenschen zu heben. Lundberg stellt aber immer wieder fest, daß die Identität der ursprünglichen Bevölkerung nie völlig zerstört werden konnte und nun sogar ein zaghaftes Aufblühen der verschütteten Traditionen zu beobachten ist. Die Natur Sibiriens ist heute jedoch mehr bedroht als je zuvor. "Noch" ist das Wort, das sie immer wieder bemühen muß: Noch besitzt der Baikalsee ein Fünftel aller Süßwasserreserven, noch ist der Taigagürtel Sibiriens nach dem Amazonasgebiet der zweitgrößte Sauerstoffproduzent der Erde. Aber das wirtschaftliche Interesse an den unermeßlichen Rohstoffschätzen und dem ungeheuren Waldreichtum Sibiriens stellt eine große Gefahr für das empfindliche Gleichgewicht des Ökosystems dar. Der sowjetische Naturschutz hatte durchaus seine Verdienste, so Lundberg, aber wird er dem drohenden Raubbau standhalten können? Mit genauem Blick für die sibirischen Weiten, poetisch, klug und mit dem nötigen Schuß (Selbst-)Ironie, vermittelt die Autorin eine Ahnung davon, was das heißt: Schönheit der Natur. Und das jenseits von Kitsch und Klischees.
lent.
"Sibirien - Selbstporträt mit Flügeln" von Ulla-Lena Lundberg. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 219 Seiten. Gebunden, 18 Euro. ISBN 3-608-93514-2
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Jahr 1968 reiste die Finnlandschwedin Ulla-Lena Lundberg zum ersten Male durch Sibirien: mit der Transsibirischen Eisenbahn Richtung Japan. Anfang der neunziger Jahre kehrt sie als Ethnologin und Ornithologin zurück. Diverse Expeditionen führen sie unter anderem an den Baikalsee, in die Mongolei, nach Jakutien, an die Bering-Straße, auf die Insel Sachalin. Es ist ein nahezu unbekannter Kontinent: Annähernd neunzig Jahre lang war das riesige Land für westliche Wissenschaftler tabu. Lundberg reist nicht mit den Scheuklappen einer Wissenschaftlerin, die nur darauf aus ist, die faszinierende, vielfältige Vogelwelt zu erforschen. Ihr Blick geht zurück in die leidvolle Geschichte Sibiriens als Straflager der Zaren und GULag des Stalinismus. Die Kommunisten suchten die vielen Stämme und Völker Sibiriens auf das "Niveau" des Sowjetmenschen zu heben. Lundberg stellt aber immer wieder fest, daß die Identität der ursprünglichen Bevölkerung nie völlig zerstört werden konnte und nun sogar ein zaghaftes Aufblühen der verschütteten Traditionen zu beobachten ist. Die Natur Sibiriens ist heute jedoch mehr bedroht als je zuvor. "Noch" ist das Wort, das sie immer wieder bemühen muß: Noch besitzt der Baikalsee ein Fünftel aller Süßwasserreserven, noch ist der Taigagürtel Sibiriens nach dem Amazonasgebiet der zweitgrößte Sauerstoffproduzent der Erde. Aber das wirtschaftliche Interesse an den unermeßlichen Rohstoffschätzen und dem ungeheuren Waldreichtum Sibiriens stellt eine große Gefahr für das empfindliche Gleichgewicht des Ökosystems dar. Der sowjetische Naturschutz hatte durchaus seine Verdienste, so Lundberg, aber wird er dem drohenden Raubbau standhalten können? Mit genauem Blick für die sibirischen Weiten, poetisch, klug und mit dem nötigen Schuß (Selbst-)Ironie, vermittelt die Autorin eine Ahnung davon, was das heißt: Schönheit der Natur. Und das jenseits von Kitsch und Klischees.
lent.
"Sibirien - Selbstporträt mit Flügeln" von Ulla-Lena Lundberg. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 219 Seiten. Gebunden, 18 Euro. ISBN 3-608-93514-2
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"Grün vor Neid lese ich Ulla-Lena Lundbergs Sibirienbuch. Sie ist durch Taiga und Tundra gestreift, durch tauende Flußmündungen am Eismeer geplatscht und hat in flachen mongolischen Steppenseen gebadet. Sibirien ist heute, was Afrika im 19. Jahrhundert war: Ungesehenes Land. Hier, nur hier, hat das Leben Flügel." (Ake Lundkvist in Dagens Nyheter)