Kleine Hamster leben in kleinen gemütlichen Höhlen. Aber was ist, wenn die Höhle eines Tages einfach zu eng wird? Dann müssen die kleinen Hamster hinaus in die große Welt. Oder besser gesagt, in die Welt, die die Hamster für die große Welt halten. Denn eigentlich wohnen sie auf einem sehr übersichtlichen Schrottplatz. Doch für die Hamster ist eine Pfütze ein Meer, ein Sandhaufen eine Wüste und ein Tisch ein Berg. Gemeinsam stellen sie sich den Gefahren und schaffen es sogar, unerschrocken eine Bestie in die Flucht zu schlagen. Am Ende wagen sie den Schritt über den Rand ihrer Hamsterwelt hinaus und erkennen: Dahinter wartet ein noch viel schöneres Zuhause, als sie es sich jemals vorstellen konnten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2011Ein Septett wie Pech und Schwefel
Zwischen Müll, Matratze und Astloch: Viviane Schwarz erzählt mit Alexis Deacon in ihrem Bilderbuch von sieben heldenhaften Hamstern. Und erweist sich als Meisterin der Montage.
Dass dieses Buch Resultat einer echten Leidenschaft ist, merkt man ihm an. Die deutschstämmige, in London lebende Illustratorin Viviane Schwarz zeichnet darin Hamster mit einer Verve, die selbst diese quicklebendige Tierart überraschen müsste. "Ich liebe es, heroische Hamster zu zeichnen", teilt sie dazu mit, und ihr englischer Illustratorenkollege Alexis Deacon hat eine passende Geschichte geschrieben, die im Original "A Place to Call Home" heißt und nun auf Deutsch als "Sieben Hamster" erschienen ist - plus einem erstaunlich langen Untertitel, der schon die ganze Geschichte erzählt.
Aber erzählt er sie wirklich? Inhaltlich ja, aber was bedeutet schon Inhalt allein bei einem Bilderbuch? Da geht es auch um Form, also um die Illustrationen. Viviane Schwarz, die als Comiczeichnerin noch in Deutschland begonnen hat, gestaltet auch ihre Bücher gern wie Comics. Also gibt es Sprechblasen und manchmal mehrere Bilder auf einer Seite, aber dann auch wieder eine einzige Illustration über gleich zwei Seiten. Sie spielt mit den Möglichkeiten, die ihr das Querformat des Buchs gibt, und erzeugt nicht zufällig immer wieder ein Breitwandgefühl, das der Abenteuergeschichte um die sieben Hamster gerecht wird. Und seien wir ehrlich: Um sieben solche Hamsterhelden gemeinsam agieren zu lassen, braucht man auch Platz.
Mangelnder Platz steht am Beginn des Ganzen: Die sieben Hamster wachsen in einer alten Matratze heran, werden aber mit der Zeit zu groß, als dass sie noch länger gemeinsam in dieser Bruthöhle bleiben könnten. Eines Nachts wagen sie sich deshalb ins Freie, und das erste Breitwandbild des Buchs stellt auch schon den gesamten Handlungsort des Geschehens vor: von der Matratze ganz links bis zu einem unscheinbaren Astloch im Zaun ganz rechts. Dazwischen liegen der typische Müll eines Hinterhofs und ein schlafender Hund. Die nächsten dreißig Seiten werden die sieben Hamster dazu brauchen, über den Müll und am Hund vorbeizukommen.
Nun zeigt sich die brillante Grundidee des Bilderbuchs. Da sie ihre angestammte Höhle in der Matratze nicht mitnehmen können, suchen sie sich das vertraute Dunkel anderswo: In allerlei Utensilien, die um sie herum verstreut liegen, und so stecken die Köpfe der Hamster beim Aufbruch in alten Schuhen, angeschlagenen Tassen, einem Papprohr und etlichem mehr, so dass die Gruppe blind auf die Suche nach einer neuen Heimstatt geht. Und dementsprechend interpretieren sie auch die Hindernisse, die ihnen begegnen, falsch. Wobei die Reaktionen auf diese Herausforderungen eben immer heroischer werden.
Mehr sei nicht verraten, nur so viel, dass man am Schluss sofort zurück zum ersten Breitwandbild blättert, um zu schauen, ob denn auch wirklich alle Schauplätze und Requisiten dort schon präsentiert wurden. O ja! Und mehr als das. Man bekommt dort auch schon einen Hinweis darauf, warum die sieben Geschwister ohne Eltern leben. Denn diese kleine Geschichte um großes Heldentum ist höchst geschickt aufgebaut, und am Schluss erweist sich die Illustratorin Viviane Schwarz auch noch als effektsichere Monteurin. Ihre Hamster sind ohnehin ein reines Schauvergnügen.
ANDREAS PLATTHAUS.
Alexis Deacon, Viviane Schwarz: "Sieben Hamster". Wie wir das Meer überquerten, den Berg bestiegen, die Wüste überlebten - und ein neues Zuhause fanden.
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2011. 36 S., geb., 12,95 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwischen Müll, Matratze und Astloch: Viviane Schwarz erzählt mit Alexis Deacon in ihrem Bilderbuch von sieben heldenhaften Hamstern. Und erweist sich als Meisterin der Montage.
Dass dieses Buch Resultat einer echten Leidenschaft ist, merkt man ihm an. Die deutschstämmige, in London lebende Illustratorin Viviane Schwarz zeichnet darin Hamster mit einer Verve, die selbst diese quicklebendige Tierart überraschen müsste. "Ich liebe es, heroische Hamster zu zeichnen", teilt sie dazu mit, und ihr englischer Illustratorenkollege Alexis Deacon hat eine passende Geschichte geschrieben, die im Original "A Place to Call Home" heißt und nun auf Deutsch als "Sieben Hamster" erschienen ist - plus einem erstaunlich langen Untertitel, der schon die ganze Geschichte erzählt.
Aber erzählt er sie wirklich? Inhaltlich ja, aber was bedeutet schon Inhalt allein bei einem Bilderbuch? Da geht es auch um Form, also um die Illustrationen. Viviane Schwarz, die als Comiczeichnerin noch in Deutschland begonnen hat, gestaltet auch ihre Bücher gern wie Comics. Also gibt es Sprechblasen und manchmal mehrere Bilder auf einer Seite, aber dann auch wieder eine einzige Illustration über gleich zwei Seiten. Sie spielt mit den Möglichkeiten, die ihr das Querformat des Buchs gibt, und erzeugt nicht zufällig immer wieder ein Breitwandgefühl, das der Abenteuergeschichte um die sieben Hamster gerecht wird. Und seien wir ehrlich: Um sieben solche Hamsterhelden gemeinsam agieren zu lassen, braucht man auch Platz.
Mangelnder Platz steht am Beginn des Ganzen: Die sieben Hamster wachsen in einer alten Matratze heran, werden aber mit der Zeit zu groß, als dass sie noch länger gemeinsam in dieser Bruthöhle bleiben könnten. Eines Nachts wagen sie sich deshalb ins Freie, und das erste Breitwandbild des Buchs stellt auch schon den gesamten Handlungsort des Geschehens vor: von der Matratze ganz links bis zu einem unscheinbaren Astloch im Zaun ganz rechts. Dazwischen liegen der typische Müll eines Hinterhofs und ein schlafender Hund. Die nächsten dreißig Seiten werden die sieben Hamster dazu brauchen, über den Müll und am Hund vorbeizukommen.
Nun zeigt sich die brillante Grundidee des Bilderbuchs. Da sie ihre angestammte Höhle in der Matratze nicht mitnehmen können, suchen sie sich das vertraute Dunkel anderswo: In allerlei Utensilien, die um sie herum verstreut liegen, und so stecken die Köpfe der Hamster beim Aufbruch in alten Schuhen, angeschlagenen Tassen, einem Papprohr und etlichem mehr, so dass die Gruppe blind auf die Suche nach einer neuen Heimstatt geht. Und dementsprechend interpretieren sie auch die Hindernisse, die ihnen begegnen, falsch. Wobei die Reaktionen auf diese Herausforderungen eben immer heroischer werden.
Mehr sei nicht verraten, nur so viel, dass man am Schluss sofort zurück zum ersten Breitwandbild blättert, um zu schauen, ob denn auch wirklich alle Schauplätze und Requisiten dort schon präsentiert wurden. O ja! Und mehr als das. Man bekommt dort auch schon einen Hinweis darauf, warum die sieben Geschwister ohne Eltern leben. Denn diese kleine Geschichte um großes Heldentum ist höchst geschickt aufgebaut, und am Schluss erweist sich die Illustratorin Viviane Schwarz auch noch als effektsichere Monteurin. Ihre Hamster sind ohnehin ein reines Schauvergnügen.
ANDREAS PLATTHAUS.
Alexis Deacon, Viviane Schwarz: "Sieben Hamster". Wie wir das Meer überquerten, den Berg bestiegen, die Wüste überlebten - und ein neues Zuhause fanden.
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2011. 36 S., geb., 12,95 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ganz hingerissen von diesen Hamstern ist Rezensent Andreas Platthaus - und das hat er diesem Buch von Alexis Deacon und Viviane Schwarz zu verdanken. Denn um Hamster so zu zeichnen, bedarf es einer großen Leidenschaft für die kleinen Nager, berichtet der Rezensent. Der von Alexis Deacon verfasste Inhalt der Geschichte ist, so Platthaus, schnell erzählt: sieben "heroische Hamster" verlassen aus Platzmangel ihr Zuhause in einer alten Matratze, um nach einigen Abenteuern ein neues Heim zu finden. Viel mehr interessieren den Kritiker aber die Bilder. Ob mehrere Bilder auf einer Seite oder eine querformatige Illustration auf zwei Seiten - immer überzeuge Schwarz durch ihre wirkungsvolle Montage. Und damit hat sie dem Rezensenten pures "Schauvergnügen" verschafft.
© Perlentaucher Medien GmbH
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