Sein Vater ist ein Versager: ein mittelmäßig erfolgreicher, ehemaliger Baseballspieler, der auf Druck seiner Frau eine Stelle als Sicherheitsmanager bei einem Stausee annimmt, um die Schulden zu bezahlen. In einer nebligen Nacht wird der Vater zum "Stausee-Monster" - er ermordet ein Mädchen und öffnet den Stausee, um das ganze Dorf hinwegzufegen.
Wie kann ein elfjähriger Junge überleben, wenn alle Welt in ihm den Sohn des "Stausee-Monsters" sieht? Sieben Jahre lang muss er sich verstecken. Jetzt lebt er einsam und geächtet in einem Dorf an der Küste. Da tauchen rätselhafte Besucher auf. Nach einem erneuten dramatischen Ereignis wird die Vergangenheit aufgerollt und die tatsächlichen Geschehnisse am Stausee werden Stück für Stück aufgedeckt. Am Ende ist alles anders, als es schien.
Jeong Yu-jeong wird "Koreas Stephen King" genannt. Ihre psychologisch ausgefeilten Thriller stehen regelmäßig an der Spitze der Bestsellerlisten.
Wie kann ein elfjähriger Junge überleben, wenn alle Welt in ihm den Sohn des "Stausee-Monsters" sieht? Sieben Jahre lang muss er sich verstecken. Jetzt lebt er einsam und geächtet in einem Dorf an der Küste. Da tauchen rätselhafte Besucher auf. Nach einem erneuten dramatischen Ereignis wird die Vergangenheit aufgerollt und die tatsächlichen Geschehnisse am Stausee werden Stück für Stück aufgedeckt. Am Ende ist alles anders, als es schien.
Jeong Yu-jeong wird "Koreas Stephen King" genannt. Ihre psychologisch ausgefeilten Thriller stehen regelmäßig an der Spitze der Bestsellerlisten.
buecher-magazin.deJeong Yu-jeong wird als "Koreas Steven King" bezeichnet, dabei ist sie weder ein Mann noch schreibt sie Horrorromane. In Sachen Spannung und Atmosphäre allerdings steht sie dem King in nichts nach. Der Roman gibt Einblicke in seelenvolle Figuren, die in eine Katastrophe schlittern. Zu Beginn erfährt der Leser, was geschah und wer es getan hat: Der Vater des achtzehnjährigen Sowon tötete ein junges Mädchen, dann seine Frau und öffnete im Anschluss die Schleusen eines Staudammes, worauf ein Dorf in den Fluten ertrank. Obwohl der Fall so früh aufgelöst wird, zieht das Schicksal Sowons sofort in den Bann. Seit damals ist der Sohn des "Stauseemonsters", mit "Onkel", einem gescheiterten Schriftsteller, auf der Flucht vor Anfeindungen. Sowon erträgt sein Schicksal sowohl mit Größe als auch Verzweiflung. Doch dann verschwindet der Onkel und sendet ein Manuskript. Das "Buch im Buch" ist eine chronologische, multiperspektivische Erzählung der Ereignisse vor sieben Jahren. Wenn Sowon zwischendurch resümiert, ob er erträgt, was er da liest, möchte man ihm zurufen: Lies weiter! Denn nur dann erfährt auch der Leser, was war, welche Gefahren noch immer auf ihn lauern und wo der Onkel geblieben ist.
© BÜCHERmagazin, Meike Dannenberg (md)
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Katharina Granzin taucht ein in die nachtschwarze menschliche Seele mit Jeong Yu-jeongs Geschichte um ein versunkenes Dorf und sein geisterhaftes Nachleben. Die Anlage des Buches mit einem etwas langatmigen dramatischen Einstieg, einer Roman-im-Roman-Konstruktion und verschiedenen Zeitebenen und Perspektiven, die erst allmählich zueinander finden, fordert von Granzin zunächst Ausdauer. Dann aber vermittelt ihr der Text das Gefühl einer stark symbolisch aufgeladenen Irrealität, Albtraumhaftigkeit und Drastik, das bei ihr noch lange nachwirkt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2015Frei atmen kann er nur unter Wasser
Besessen vom Profit: Jeong Yu-jeong blickt in ihrem Thriller "Sieben Jahre Nacht" auf die koreanische Lebenswirklichkeit
Seit er als Kind urplötzlich im Blitzlichtgewitter stand, kann Choi Sowon nichts mehr aus der Fassung bringen. "Selbst wenn mir gegenüber jemand Wohlwollen zeigt, mache ich mir keine Hoffnungen", sagt der junge Mann noch sieben Jahre später, der sich seither alle Gefühlsregungen ausgetrieben hat. Die zurückliegenden Jahre hat er als Ausgestoßener in völliger Zurückgezogenheit verbracht. Nicht zuletzt deshalb, weil jeder Versuch, in die Welt zurückzufinden, ihm seit jenem Unglück, das ihn landesweit berühmt machte, immer aufs Neue vereitelt wird. Wie es aber dazu kam, dass der damals Elfjährige in einer infernalischen Nacht den Boden unter den Füßen verlor und in der Presse den Namen "Sohn des Stauseemonsters" erhielt, das schildert Jeong Yu-jeong gleich zu Beginn ihres Romans in einem kurzen Prolog. Sie braucht nur anderthalb Seiten, um das ganze Ausmaß des Schrecken auszubreiten. Und auch der Schuldige steht von Anbeginn fest, der seit sieben Jahren in der Todeszelle auf seine Hinrichtung wartet.
Es ist Sowons Vater Choi Hyunsu, ein ehemals berühmter Baseballspieler, der, kurz nachdem er eine neue Stelle als Sicherheitsberater des Seryong-Staudamms angetreten hat, ein kleines Mädchen in jenem See ertränkt hat. Aber nicht nur die kleine Yi Seryong wurde Opfer des Verbrechens, auch Sowons Mutter lebt nicht mehr und mit ihr das halbe Dorf am See. Denn der gejagte Choi Hyunsu hatte in jener Nacht die Schleusen des Staudamms geöffnet, woraufhin die gesamte Ortschaft hinweggespült wurde.
Bald schon ist die Tat rekonstruiert und der Täter überführt, und die Frage des whodunit stellt sich in dieser Geschichte nicht, auch wenn sich an ihrem Ende eine andere Wahrheit offenbart. Stattdessen rekonstruiert Jeong Yu-jeongs multiperspektivische Erzählung minutiös, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte. Und wie sie das Leben aller Beteiligten für immer verändert hat.
Die 1966 in Korea geborene Autorin, die als Krankenschwester arbeitete, ehe sie zu schreiben begann, wird in ihrer Heimat gern mit Stephen King verglichen. Dabei erinnert diese aus fünf Blickwinkeln kaleidoskopisch zusammengesetzte Aufarbeitung viel eher an die horizontale Dramaturgie amerikanischer Fernsehserien. Auch hier werden an verschiedenen Stellen immer neue Puzzleteile aneinander gefügt, so dass man sich lange Zeit nicht auskennt, bis am Ende der fünfhundert Seiten das ganze Stückwerk plötzlich ein erschütternd stimmiges Bild ergibt.
Bei allen Reizen dieser Erzählhaltung fordert die Lektüre einige Konzentration. Denn die vielen wechselnden Perspektiven, die eingeschobenen Erinnerungsfetzen, die zeitlichen Sprünge und Einschübe wie etwa dem eingearbeiteten Romanfragment, konfrontieren den Leser ganz bewusst auch selbst mit prekärem Wissen und Verunsicherung. Das ausführliche Personenregister der wichtigsten Charaktere sowie eine Zeichnung des Stausees und seiner Umgebung helfen bei der Orientierung ein wenig. Denn keinesfalls linear erzählt, erfahren wir zunächst nur fragmentarisch, wie Sowon, nach der Schreckensnacht quasi zum Waisen geworden, von Verwandten nur widerwillig aufgenommen wird, die ihn so lange weiterreichen, bis er schließlich bei einem ehemaligen Kollegen des Vaters unterschlupfen kann.
Dieser Ahn Sunghwan, von Sowon nur Onkel genannt, ist ein Schriftsteller ohne Fortüne. Mit Gelegenheitsjobs hält er sich tags über Wasser, um nachts an seinem Opus zu schreiben. Den Stoff dafür hat er seit der Unglücksnacht, die er selbst miterlebte, in Händen, doch fehlen ihm dieselben Puzzleteile wie seinem Schützling Sowon. Denn nicht genug, dass der heranwachsende Junge mit der Familientragödie leben muss. Fast schwerer noch wiegt, dass immer, sobald die beiden in einer Gegend Fuß fassen, in der niemand Sowons Schicksal kennt, sich eines Tages Zeitungsausschnitte über die Tat in der Schule und bei den Nachbarn finden. Wer da so grausam Rache nimmt am Sohn des Täters, bleibt die längste Zeit ungeklärt und soll auch hier nicht verraten werden. Zumal Jeong Yu-jeongs Thriller "Sieben Jahre Nacht", der in Korea mit zahlreichen Preisen bedacht wurde, nicht nur den Ursprung des Verbrechens rekonstruiert.
Der Roman erzählt vor allem von der Wirklichkeit eines Landes, das von wirtschaftlichem Erfolg und sozialem Aufstieg wie besessen ist und dem Profit sämtliche Lebensbereiche unterordnet. Er erzählt von einem Land, das Wehrdienstverweigerer ins Gefängnis steckt und bis heute die Todesstrafe vollstreckt. Und das häusliche Gewalt und Kindesmisshandlung durch Eltern bis heute nicht nur nicht ahndet, sondern als Teil familialer Strukturen akzeptiert. All dies gehört zur bitteren Realität dieser Geschichte.
Vor allem das Wasser ist in all seinen Erscheinungsformen zentrales Leitmotiv des Romans. Nicht nur sind Sowon und sein Ziehonkel begeisterte Taucher. Im Grunde fühlt sich Sowon nur in der Unterwasserwelt sicher und erlebt dort eine Leichtigkeit, die ihm an Land verwehrt bleibt. Vor dem Neuanfang, der Wasser immer auch bedeutet, steht jedoch die durch Wasser verursachte Verwüstung. Und auch dass nicht jedermann im kühlen Nass Befreiung findet, ist eine Lektion dieses subtil und anspielungsreich gearbeiteten Krimis.
SANDRA KEGEL
Jeong Yu-jeong: "Sieben Jahre Nacht". Thriller.
Aus dem Koreanischen von Kyong-Hae Flügel.
Unionsverlag, Zürich 2015. 528 S., br., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Besessen vom Profit: Jeong Yu-jeong blickt in ihrem Thriller "Sieben Jahre Nacht" auf die koreanische Lebenswirklichkeit
Seit er als Kind urplötzlich im Blitzlichtgewitter stand, kann Choi Sowon nichts mehr aus der Fassung bringen. "Selbst wenn mir gegenüber jemand Wohlwollen zeigt, mache ich mir keine Hoffnungen", sagt der junge Mann noch sieben Jahre später, der sich seither alle Gefühlsregungen ausgetrieben hat. Die zurückliegenden Jahre hat er als Ausgestoßener in völliger Zurückgezogenheit verbracht. Nicht zuletzt deshalb, weil jeder Versuch, in die Welt zurückzufinden, ihm seit jenem Unglück, das ihn landesweit berühmt machte, immer aufs Neue vereitelt wird. Wie es aber dazu kam, dass der damals Elfjährige in einer infernalischen Nacht den Boden unter den Füßen verlor und in der Presse den Namen "Sohn des Stauseemonsters" erhielt, das schildert Jeong Yu-jeong gleich zu Beginn ihres Romans in einem kurzen Prolog. Sie braucht nur anderthalb Seiten, um das ganze Ausmaß des Schrecken auszubreiten. Und auch der Schuldige steht von Anbeginn fest, der seit sieben Jahren in der Todeszelle auf seine Hinrichtung wartet.
Es ist Sowons Vater Choi Hyunsu, ein ehemals berühmter Baseballspieler, der, kurz nachdem er eine neue Stelle als Sicherheitsberater des Seryong-Staudamms angetreten hat, ein kleines Mädchen in jenem See ertränkt hat. Aber nicht nur die kleine Yi Seryong wurde Opfer des Verbrechens, auch Sowons Mutter lebt nicht mehr und mit ihr das halbe Dorf am See. Denn der gejagte Choi Hyunsu hatte in jener Nacht die Schleusen des Staudamms geöffnet, woraufhin die gesamte Ortschaft hinweggespült wurde.
Bald schon ist die Tat rekonstruiert und der Täter überführt, und die Frage des whodunit stellt sich in dieser Geschichte nicht, auch wenn sich an ihrem Ende eine andere Wahrheit offenbart. Stattdessen rekonstruiert Jeong Yu-jeongs multiperspektivische Erzählung minutiös, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte. Und wie sie das Leben aller Beteiligten für immer verändert hat.
Die 1966 in Korea geborene Autorin, die als Krankenschwester arbeitete, ehe sie zu schreiben begann, wird in ihrer Heimat gern mit Stephen King verglichen. Dabei erinnert diese aus fünf Blickwinkeln kaleidoskopisch zusammengesetzte Aufarbeitung viel eher an die horizontale Dramaturgie amerikanischer Fernsehserien. Auch hier werden an verschiedenen Stellen immer neue Puzzleteile aneinander gefügt, so dass man sich lange Zeit nicht auskennt, bis am Ende der fünfhundert Seiten das ganze Stückwerk plötzlich ein erschütternd stimmiges Bild ergibt.
Bei allen Reizen dieser Erzählhaltung fordert die Lektüre einige Konzentration. Denn die vielen wechselnden Perspektiven, die eingeschobenen Erinnerungsfetzen, die zeitlichen Sprünge und Einschübe wie etwa dem eingearbeiteten Romanfragment, konfrontieren den Leser ganz bewusst auch selbst mit prekärem Wissen und Verunsicherung. Das ausführliche Personenregister der wichtigsten Charaktere sowie eine Zeichnung des Stausees und seiner Umgebung helfen bei der Orientierung ein wenig. Denn keinesfalls linear erzählt, erfahren wir zunächst nur fragmentarisch, wie Sowon, nach der Schreckensnacht quasi zum Waisen geworden, von Verwandten nur widerwillig aufgenommen wird, die ihn so lange weiterreichen, bis er schließlich bei einem ehemaligen Kollegen des Vaters unterschlupfen kann.
Dieser Ahn Sunghwan, von Sowon nur Onkel genannt, ist ein Schriftsteller ohne Fortüne. Mit Gelegenheitsjobs hält er sich tags über Wasser, um nachts an seinem Opus zu schreiben. Den Stoff dafür hat er seit der Unglücksnacht, die er selbst miterlebte, in Händen, doch fehlen ihm dieselben Puzzleteile wie seinem Schützling Sowon. Denn nicht genug, dass der heranwachsende Junge mit der Familientragödie leben muss. Fast schwerer noch wiegt, dass immer, sobald die beiden in einer Gegend Fuß fassen, in der niemand Sowons Schicksal kennt, sich eines Tages Zeitungsausschnitte über die Tat in der Schule und bei den Nachbarn finden. Wer da so grausam Rache nimmt am Sohn des Täters, bleibt die längste Zeit ungeklärt und soll auch hier nicht verraten werden. Zumal Jeong Yu-jeongs Thriller "Sieben Jahre Nacht", der in Korea mit zahlreichen Preisen bedacht wurde, nicht nur den Ursprung des Verbrechens rekonstruiert.
Der Roman erzählt vor allem von der Wirklichkeit eines Landes, das von wirtschaftlichem Erfolg und sozialem Aufstieg wie besessen ist und dem Profit sämtliche Lebensbereiche unterordnet. Er erzählt von einem Land, das Wehrdienstverweigerer ins Gefängnis steckt und bis heute die Todesstrafe vollstreckt. Und das häusliche Gewalt und Kindesmisshandlung durch Eltern bis heute nicht nur nicht ahndet, sondern als Teil familialer Strukturen akzeptiert. All dies gehört zur bitteren Realität dieser Geschichte.
Vor allem das Wasser ist in all seinen Erscheinungsformen zentrales Leitmotiv des Romans. Nicht nur sind Sowon und sein Ziehonkel begeisterte Taucher. Im Grunde fühlt sich Sowon nur in der Unterwasserwelt sicher und erlebt dort eine Leichtigkeit, die ihm an Land verwehrt bleibt. Vor dem Neuanfang, der Wasser immer auch bedeutet, steht jedoch die durch Wasser verursachte Verwüstung. Und auch dass nicht jedermann im kühlen Nass Befreiung findet, ist eine Lektion dieses subtil und anspielungsreich gearbeiteten Krimis.
SANDRA KEGEL
Jeong Yu-jeong: "Sieben Jahre Nacht". Thriller.
Aus dem Koreanischen von Kyong-Hae Flügel.
Unionsverlag, Zürich 2015. 528 S., br., 19,95 [Euro].
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