Ein Drittel Jahrhundert nach seiner Entstehung liefert der "Siebenschläfer" ohne weiteres einen Grund dafür, einen Roman von gestern zu verlegen, der von vorgestern erzählt. Ein Buch über die Entscheidung zur Nichtkarriere, kann das noch gültig sein? Oder vielleicht heute erst recht? Genau hier trifft Karl Otto Mühls nüchterne und zugleich subtil verspielte Betrachtungs- und Ausdrucksweise, keiner sprachlichen Mode und kurzlebigen Attitüde unterworfen, nach wie vor ins Schwarze. "Karl Otto Mühls Kunst, unscheinbaren Sätzen heimliches Gewicht und heimlichen Glanz zu verleihen (...) ist außerordentlich. (...) Es ist das Buch eines Unabhängigen und damit allerdings etwas, das die Welt in der Regel am wenigsten zu schätzen weiß." (FAZ) Über das Buch: "Ludwig Wolf ist ein tüchtiger, ja sogar ein erfolgreicher Mann und trotzdem kein Normalbürger..." beschrieb Günter Blöcker im Jahre 1975 in seiner Besprechung der ersten Auflage des Buches "Siebenschläfer" von Karl Otto Mühl die Hauptfigur des Romanes, mit dem der Dramatiker Mühl schlagartig auch als Romautor bekannt wurde: ein milieukundiger Beobachter von hohen Graden, der Einblicke in eine literarisch wenig erschlossene Arbeitswelt gab, Einblicke, die ebenso genau wie - zuweilen - ironisch pointiert sind. Der Lebensbericht des jungen Kriegsheimkehrers Ludwig Wolf, der seinen Platz in der Gesellschaft suchte und den beinahe absurd erscheinenden Mut aufbringt, seine berufliche Karriere an einem Punkt zu stoppen, wo sie der Integrität seiner persönlichen Existenz gefährlich werden könnte. Seine Erfolge, auch seine beruflichen Erfolge als Verkaufsleiter in einer Maschinenfabrik, beruhen auf Einfühlung und Geduld, auf Freundlichkeit und Toleranz. Er ist sowenig ein cleverer Geschäftsmann, wie er ein zielbewusster Liebhaber oder ein berechnender Freund ist. Mit Befremden stellen seine Vorgesetzten fest, er sei im Grunde gar kein richtiger Verkäufer: "Er argumentiert mittelmäßig, er kann nicht hart verhandeln. Die Kunden mögen ihn nur, das ist es." Ja, genau das ist es; und die Erklärung liegt in der kopfschüttelnd vorgetragenen Erkenntnis: "Eigentlich interessieren ihn nur Leute."
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In seinem bereits zwischen 1964 und 1969 geschriebenen, jetzt zu seinem achtzigsten Geburtstag neu aufgelegten Roman "Siebenschläfer" skizziert Karl Otto Mühl nach Darstellung des Rezensenten Andreas Rossmann ein "Gesellschaftsbild der Wirtschaftswunderjahre (...), wie sie sich, abseits der großen Politik, in und um Wuppertal ereignet haben": Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, die Städte in Trümmern, Währungsreform, Wirtschaftswunder, Kinder- und Jugendjahre der Bundesrepublik. Rossmann würdigt insbesondere die sprachliche Qualität des Romans, seine "Kraft des Konkreten" und seine "Lebendigkeit der Lakonie". Dicht und detailgenau mache Mühl in seinem Roman von gestern eine Zeit von vorgestern anschaulich, die, wiewohl lange vergangen, noch immer in die Gegenwart hineinrage. In seiner eher laxen Verweigerungshaltung gewinne Mühls Protagonist vor dem Horizont einer veränderten Gegenwart unversehens an kritischer Potenz: "Nichts falsch gemacht zu haben", so Rossmann, "kann manchmal gerade der Kardinalfehler sein."
© Perlentaucher Medien GmbH
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